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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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ersten Ranges zu verhandeln hatten, so war er nach Verlauf einiger unblutigen
Scharmützel am Ziel und durch einen Vertrag, nach welchem wir den Cham¬
pagner mit berichtigen durften, als guter Kumpan und gleichberechtigtes Mit¬
glied unsrer Tafelrunde unter uns aufgenommen.

Alles Erringen aber erweckt Verlangen nach mehr, zumal bei der Flasche,
und so äußerte Herr Honoratus Bonnevie L. denn auch bald den Wunsch nach
noch intimeren Beziehungen zu den angenehmen Fremden und besonders zu
dem, der ihn anfangs am energischsten abgelehnt hatte, und in dem er inzwischen
einen Schriftsteller kennen gelernt, der vor acht Jahren ein Buch über Schles¬
wig-Holstein veröffentlicht. Er wollte das Buch gelesen haben und bewies, daß
er es wirklich gelesen, zunächst durch die kräftige, fast zu stürmische, aber dem
Verfasser immerhin wohlthuende Betheuerung, "da müßte ich doch ein Vieh
sein, wenn ich das nicht studirt hätte", dann durch ein Examen, mit dem ihm
ein immer noch mißtrauisches Gemüth auf den Zahn fühlte.

Sein nächstes Begehren war, die eben geschlossene Freundschaft in Bruder¬
schaft verwandeln zu dürfen. Sein weiteres Trachten ging dahin, dieselbe in
Kappeln ausbauen und befestigen zu können, zu welchem Zwecke er den Gegen¬
stand seiner rasch erblühten Neigung nächsten Morgen in seinem Wagen auf
acht Tage mitwegzuführen gedachte. Schlag auf Schlag, wie man sieht. In
der That ein flinkes, ungestümes, vor nichts stillstehendes Manövriren,
welches manchem Militär in diesem Kriege hätte zum Beispiel dienen können,
welches aber unter friedlichen Leuten beinahe zu hastig erschien. Indeß mag
ihm der Erfolg und die aus mehren guten Gründen aufgeregte Stimmung des
Abends zur Entschuldigung dienen. Weinlaune verlangte und Weinlaune ge¬
währte. Man erwarb und verlieh unter den üblichen Ceremonien das Recht,
sich gegenseitig zu duzen, und versprach durch Mitfahren aus das Gut des
neuen Bruders demselben Gelegenheit zur Festsetzung in der eroberten Position
zu geben.

Die Kämpfe, die zu diesem Siege unsres Angliters führten, das Examen
und der Friedensschluß waren nicht immer ohne Zuschauer geblieben. Mehre
Schleswiger Bürger hatten die starke Betheuerung unsres Honoratus Bonnevie
gehört. Eine Ahnung, daß ein Charakter von Wichtigkeit unter uns sei, ließ
sie theilnahmvoll um den Tisch treten und zuhören. Der Name des großen
Unbekannten indeß blieb verborgen, wie das Folgende zeigt.

Zweite Scene des ersten Acts. Wir sitzen vor der letzten leerwerdenden
Flasche und denken an das Sopha, das nun bald auch leer werden und sich
in unser Bett verwandeln soll. Da plötzlich gebiert jene Ahnung ein Ueber-
raschendes. Ein Räuspern, wie es Taselreden von besonders schwerem Kaliber
voranzugehen Pflegt, allgemeine Stille und erwartungsvolles Hinblicken nach
der Stelle, wo sichs räusperte. Ein langer hagrer Herr richtet sich dort auf,


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ersten Ranges zu verhandeln hatten, so war er nach Verlauf einiger unblutigen
Scharmützel am Ziel und durch einen Vertrag, nach welchem wir den Cham¬
pagner mit berichtigen durften, als guter Kumpan und gleichberechtigtes Mit¬
glied unsrer Tafelrunde unter uns aufgenommen.

Alles Erringen aber erweckt Verlangen nach mehr, zumal bei der Flasche,
und so äußerte Herr Honoratus Bonnevie L. denn auch bald den Wunsch nach
noch intimeren Beziehungen zu den angenehmen Fremden und besonders zu
dem, der ihn anfangs am energischsten abgelehnt hatte, und in dem er inzwischen
einen Schriftsteller kennen gelernt, der vor acht Jahren ein Buch über Schles¬
wig-Holstein veröffentlicht. Er wollte das Buch gelesen haben und bewies, daß
er es wirklich gelesen, zunächst durch die kräftige, fast zu stürmische, aber dem
Verfasser immerhin wohlthuende Betheuerung, „da müßte ich doch ein Vieh
sein, wenn ich das nicht studirt hätte", dann durch ein Examen, mit dem ihm
ein immer noch mißtrauisches Gemüth auf den Zahn fühlte.

Sein nächstes Begehren war, die eben geschlossene Freundschaft in Bruder¬
schaft verwandeln zu dürfen. Sein weiteres Trachten ging dahin, dieselbe in
Kappeln ausbauen und befestigen zu können, zu welchem Zwecke er den Gegen¬
stand seiner rasch erblühten Neigung nächsten Morgen in seinem Wagen auf
acht Tage mitwegzuführen gedachte. Schlag auf Schlag, wie man sieht. In
der That ein flinkes, ungestümes, vor nichts stillstehendes Manövriren,
welches manchem Militär in diesem Kriege hätte zum Beispiel dienen können,
welches aber unter friedlichen Leuten beinahe zu hastig erschien. Indeß mag
ihm der Erfolg und die aus mehren guten Gründen aufgeregte Stimmung des
Abends zur Entschuldigung dienen. Weinlaune verlangte und Weinlaune ge¬
währte. Man erwarb und verlieh unter den üblichen Ceremonien das Recht,
sich gegenseitig zu duzen, und versprach durch Mitfahren aus das Gut des
neuen Bruders demselben Gelegenheit zur Festsetzung in der eroberten Position
zu geben.

Die Kämpfe, die zu diesem Siege unsres Angliters führten, das Examen
und der Friedensschluß waren nicht immer ohne Zuschauer geblieben. Mehre
Schleswiger Bürger hatten die starke Betheuerung unsres Honoratus Bonnevie
gehört. Eine Ahnung, daß ein Charakter von Wichtigkeit unter uns sei, ließ
sie theilnahmvoll um den Tisch treten und zuhören. Der Name des großen
Unbekannten indeß blieb verborgen, wie das Folgende zeigt.

Zweite Scene des ersten Acts. Wir sitzen vor der letzten leerwerdenden
Flasche und denken an das Sopha, das nun bald auch leer werden und sich
in unser Bett verwandeln soll. Da plötzlich gebiert jene Ahnung ein Ueber-
raschendes. Ein Räuspern, wie es Taselreden von besonders schwerem Kaliber
voranzugehen Pflegt, allgemeine Stille und erwartungsvolles Hinblicken nach
der Stelle, wo sichs räusperte. Ein langer hagrer Herr richtet sich dort auf,


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[0441] ersten Ranges zu verhandeln hatten, so war er nach Verlauf einiger unblutigen Scharmützel am Ziel und durch einen Vertrag, nach welchem wir den Cham¬ pagner mit berichtigen durften, als guter Kumpan und gleichberechtigtes Mit¬ glied unsrer Tafelrunde unter uns aufgenommen. Alles Erringen aber erweckt Verlangen nach mehr, zumal bei der Flasche, und so äußerte Herr Honoratus Bonnevie L. denn auch bald den Wunsch nach noch intimeren Beziehungen zu den angenehmen Fremden und besonders zu dem, der ihn anfangs am energischsten abgelehnt hatte, und in dem er inzwischen einen Schriftsteller kennen gelernt, der vor acht Jahren ein Buch über Schles¬ wig-Holstein veröffentlicht. Er wollte das Buch gelesen haben und bewies, daß er es wirklich gelesen, zunächst durch die kräftige, fast zu stürmische, aber dem Verfasser immerhin wohlthuende Betheuerung, „da müßte ich doch ein Vieh sein, wenn ich das nicht studirt hätte", dann durch ein Examen, mit dem ihm ein immer noch mißtrauisches Gemüth auf den Zahn fühlte. Sein nächstes Begehren war, die eben geschlossene Freundschaft in Bruder¬ schaft verwandeln zu dürfen. Sein weiteres Trachten ging dahin, dieselbe in Kappeln ausbauen und befestigen zu können, zu welchem Zwecke er den Gegen¬ stand seiner rasch erblühten Neigung nächsten Morgen in seinem Wagen auf acht Tage mitwegzuführen gedachte. Schlag auf Schlag, wie man sieht. In der That ein flinkes, ungestümes, vor nichts stillstehendes Manövriren, welches manchem Militär in diesem Kriege hätte zum Beispiel dienen können, welches aber unter friedlichen Leuten beinahe zu hastig erschien. Indeß mag ihm der Erfolg und die aus mehren guten Gründen aufgeregte Stimmung des Abends zur Entschuldigung dienen. Weinlaune verlangte und Weinlaune ge¬ währte. Man erwarb und verlieh unter den üblichen Ceremonien das Recht, sich gegenseitig zu duzen, und versprach durch Mitfahren aus das Gut des neuen Bruders demselben Gelegenheit zur Festsetzung in der eroberten Position zu geben. Die Kämpfe, die zu diesem Siege unsres Angliters führten, das Examen und der Friedensschluß waren nicht immer ohne Zuschauer geblieben. Mehre Schleswiger Bürger hatten die starke Betheuerung unsres Honoratus Bonnevie gehört. Eine Ahnung, daß ein Charakter von Wichtigkeit unter uns sei, ließ sie theilnahmvoll um den Tisch treten und zuhören. Der Name des großen Unbekannten indeß blieb verborgen, wie das Folgende zeigt. Zweite Scene des ersten Acts. Wir sitzen vor der letzten leerwerdenden Flasche und denken an das Sopha, das nun bald auch leer werden und sich in unser Bett verwandeln soll. Da plötzlich gebiert jene Ahnung ein Ueber- raschendes. Ein Räuspern, wie es Taselreden von besonders schwerem Kaliber voranzugehen Pflegt, allgemeine Stille und erwartungsvolles Hinblicken nach der Stelle, wo sichs räusperte. Ein langer hagrer Herr richtet sich dort auf, SS*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/441>, abgerufen am 24.07.2024.