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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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Stelle etwa aus einem Komma ein Semikolon geworden, und berühmten sich
zum Theil, daß sie es bewirkt. Am lebendigsten schien es. wurden in der
Stille die Einblasungen und Racheforderungen der französischen Ausgewander¬
ten vertreten. Wenn man weiß, daß selbst der Herr Kurfürst von Mainz
unter einem Gefolge von 1500 Menschen sogar auch eine Amme und einen Ka¬
paunenstopfer mitgebracht, so darf man glauben, daß es überhaupt nirgend an den
Abstufungen aller sinnlichen Freuden gemangelt habe. Den Beschluß in den
vornehmen Gasthöfen bis zum frühen Morgen machten gewöhnlich die
Spiele an den in lauter Gold aufgethürmten Banken, welche der in regel¬
mäßiger Stunde ankommende Reichsprofoß, ein subaltern des Erbmar¬
schalls, scheinbar auseinandertreiben wollte, dafür aber mit 1, 2, auch 5 bis 6
in die Hände gedrückter Ducaten beschworen, und zur Thür hinausgeschoben
wurde; und zwar ging er gewöhnlich mit 1 oder 2 Ducaten ganz still und be¬
scheiden ab. schrie und schimpfte aber bis zum Schäumen, je nachdem er mehre
Stücke in der Hand verspürte, weil er es für seine Schuldigkeit hielt, sich
nach einer so großmüthigen Belohnung in seiner höchst möglichen Anstrengung
sehen zu lassen. -- Am Tage schlich er in seiner bordirten Uniform mit Degen
auf kleinere Beute aus, um arme Judenburschen zu fangen, wenn er sie einen
Haarzopf tragend oder mit einem Spazierstock in der Hand, oder gar in den
öffentlichen Spaziergängen wandelnd ertappte. Es wäre nöthig gewesen, man
hätte seinen Taufschein bei sich getragen, um nicht von diesem Ameisenbär als
eine Judenseele aufgegabelt und um 1 Fi. 30 Fi. geplündert zu werden.




Für Schleswig-Holstein.

Schnell, wie warmes Sonnenlicht und Schneeschauer wechselten in der
letzten Woche des Jahres Hoffnung und Sorge um die Herzogthümer. Das
begeisterte Ausrufen des Herzogs in der großen Volks- und Gemeindeversamm¬
lung und dagegen die dänische Ministerkrisis, eine Folge des dänensreundlichen
Drängens der Großmächte, allarmirten die Deutschen in denselben Tagen.

Daß sich dieser Wechsel noch oft, in gesteigertem Maße wiederholen wird,
bei den diplomatischen Verhandlungen und bald bei militärischen Ereignissen,


Stelle etwa aus einem Komma ein Semikolon geworden, und berühmten sich
zum Theil, daß sie es bewirkt. Am lebendigsten schien es. wurden in der
Stille die Einblasungen und Racheforderungen der französischen Ausgewander¬
ten vertreten. Wenn man weiß, daß selbst der Herr Kurfürst von Mainz
unter einem Gefolge von 1500 Menschen sogar auch eine Amme und einen Ka¬
paunenstopfer mitgebracht, so darf man glauben, daß es überhaupt nirgend an den
Abstufungen aller sinnlichen Freuden gemangelt habe. Den Beschluß in den
vornehmen Gasthöfen bis zum frühen Morgen machten gewöhnlich die
Spiele an den in lauter Gold aufgethürmten Banken, welche der in regel¬
mäßiger Stunde ankommende Reichsprofoß, ein subaltern des Erbmar¬
schalls, scheinbar auseinandertreiben wollte, dafür aber mit 1, 2, auch 5 bis 6
in die Hände gedrückter Ducaten beschworen, und zur Thür hinausgeschoben
wurde; und zwar ging er gewöhnlich mit 1 oder 2 Ducaten ganz still und be¬
scheiden ab. schrie und schimpfte aber bis zum Schäumen, je nachdem er mehre
Stücke in der Hand verspürte, weil er es für seine Schuldigkeit hielt, sich
nach einer so großmüthigen Belohnung in seiner höchst möglichen Anstrengung
sehen zu lassen. — Am Tage schlich er in seiner bordirten Uniform mit Degen
auf kleinere Beute aus, um arme Judenburschen zu fangen, wenn er sie einen
Haarzopf tragend oder mit einem Spazierstock in der Hand, oder gar in den
öffentlichen Spaziergängen wandelnd ertappte. Es wäre nöthig gewesen, man
hätte seinen Taufschein bei sich getragen, um nicht von diesem Ameisenbär als
eine Judenseele aufgegabelt und um 1 Fi. 30 Fi. geplündert zu werden.




Für Schleswig-Holstein.

Schnell, wie warmes Sonnenlicht und Schneeschauer wechselten in der
letzten Woche des Jahres Hoffnung und Sorge um die Herzogthümer. Das
begeisterte Ausrufen des Herzogs in der großen Volks- und Gemeindeversamm¬
lung und dagegen die dänische Ministerkrisis, eine Folge des dänensreundlichen
Drängens der Großmächte, allarmirten die Deutschen in denselben Tagen.

Daß sich dieser Wechsel noch oft, in gesteigertem Maße wiederholen wird,
bei den diplomatischen Verhandlungen und bald bei militärischen Ereignissen,


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[0044] Stelle etwa aus einem Komma ein Semikolon geworden, und berühmten sich zum Theil, daß sie es bewirkt. Am lebendigsten schien es. wurden in der Stille die Einblasungen und Racheforderungen der französischen Ausgewander¬ ten vertreten. Wenn man weiß, daß selbst der Herr Kurfürst von Mainz unter einem Gefolge von 1500 Menschen sogar auch eine Amme und einen Ka¬ paunenstopfer mitgebracht, so darf man glauben, daß es überhaupt nirgend an den Abstufungen aller sinnlichen Freuden gemangelt habe. Den Beschluß in den vornehmen Gasthöfen bis zum frühen Morgen machten gewöhnlich die Spiele an den in lauter Gold aufgethürmten Banken, welche der in regel¬ mäßiger Stunde ankommende Reichsprofoß, ein subaltern des Erbmar¬ schalls, scheinbar auseinandertreiben wollte, dafür aber mit 1, 2, auch 5 bis 6 in die Hände gedrückter Ducaten beschworen, und zur Thür hinausgeschoben wurde; und zwar ging er gewöhnlich mit 1 oder 2 Ducaten ganz still und be¬ scheiden ab. schrie und schimpfte aber bis zum Schäumen, je nachdem er mehre Stücke in der Hand verspürte, weil er es für seine Schuldigkeit hielt, sich nach einer so großmüthigen Belohnung in seiner höchst möglichen Anstrengung sehen zu lassen. — Am Tage schlich er in seiner bordirten Uniform mit Degen auf kleinere Beute aus, um arme Judenburschen zu fangen, wenn er sie einen Haarzopf tragend oder mit einem Spazierstock in der Hand, oder gar in den öffentlichen Spaziergängen wandelnd ertappte. Es wäre nöthig gewesen, man hätte seinen Taufschein bei sich getragen, um nicht von diesem Ameisenbär als eine Judenseele aufgegabelt und um 1 Fi. 30 Fi. geplündert zu werden. Für Schleswig-Holstein. Schnell, wie warmes Sonnenlicht und Schneeschauer wechselten in der letzten Woche des Jahres Hoffnung und Sorge um die Herzogthümer. Das begeisterte Ausrufen des Herzogs in der großen Volks- und Gemeindeversamm¬ lung und dagegen die dänische Ministerkrisis, eine Folge des dänensreundlichen Drängens der Großmächte, allarmirten die Deutschen in denselben Tagen. Daß sich dieser Wechsel noch oft, in gesteigertem Maße wiederholen wird, bei den diplomatischen Verhandlungen und bald bei militärischen Ereignissen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/44>, abgerufen am 24.07.2024.