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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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für zu ungeheuer gehalten zu haben, um sich sofort zu entschließen. Am Montag
hatte man noch zwei neue Batterien errichtet, eine auf dem Mevenberg und
eine zweite auf der sogenannten Freiheit, einem Platze am östlichen Ende der
Stadt. Am Mittwoch hatten die Schleswiger das erste Donnern der Geschütze
gehört, und zwar aus der Gegend von Lottorf her, und bald nachher war das
Gerücht durch die Stadt gegangen, daß sich im haddebyer Holze östreichische
Jäger gezeigt. Am nächsten Tage wieder unaufhörliches Hin- und Hermarschuen
der dänischen Truppen, Vorbeijagen von Ordonnanzen und eiliger Abgang
schwerer Geschütze nach Missunde. Später Artilleriekampf unmittelbar im An¬
gesicht der Stadt zwischen einer bei Fahrdvrf am Südufer der Schlei empor-
gewachsenen deutschen Batterie und drei dänischen, von denen eine auf dem
Mevenberg, eine aus der Freiheit und eine bei dem Dorfe Haddeby sich befand.
Dann war alles still geworden, und nachdem man schon während die Kanonen
noch donnerten, Bewegungen bemerkt, die auf einen Abzug der Dänen deuteten,
war letzterer gegen Abend wirklich angetreten worden. Einzelne Abtheilungen
kamen noch einmal zurück, und die Offiziere fanden ihre Quartiergeber bereits
über dem Nähen von Schleswig-holsteinischen Fahnen. Die Gemeinen freuten
sich offenbar des Abmarsches nach Norden, der sie binnen Kurzem aus dem
Zustande von Ueberangestrengtheit erlösen sollte, in den sie die letzten Wochen
versetzt, und äußerten gutmüthig: "Wir gehen heim und kommen nun nicht
wieder."

Wie die Preußen bei Kappeln und Anus wurden die Oestreicher bei Schles¬
wig den Abzug de Mezas und seiner Leute zu spät gewahr. Die Erzählung
östreichischer Offiziere, daß die Dänen einen kurzen Waffenstillstand nachgesucht
und die Zeit zwischen Anfrage und Antwort benutzt hätten, einen Vorsprung
zu gewinnen, ist unbegründet. Richtig dagegen ist, daß die Oestreicher durch
junge Leute aus Schleswig, die über die gefrorne Schlei gegangen, schon zwei
Stunden nach dem Abmarsch der letzten dänischen Heersäulen von dem, was
vorging, in Kenntniß gesetzt waren.

Den dänischen Soldaten folgten nicht, wie anderwärts bei ähnlichen Ge¬
legenheiten, Verwünschungen nach. Sie hatten sich durchweg gut betragen, sich
für jede Gunst, die den Müden und Hungernden über Verlangen und Nöthigung
gewährt wurde, dankbar bewiesen und die Bürger nur selten und dann nur auf
Anregung der Offiziere, mit dem "Tapperen Landsoldat" geärgert. Man sah
sie als arme Teufel an, welche thaten, was sie nicht lassen durften.

Am Vormittag rückten die Oestreichs ein, und schon flatterten überall die
blaurothweißen und schwarzrothgoldnen Fahnen von den Fenstern, Dächern und
Thürmen. Mittags wurde unter großem Zusammenlauf und Jubel des Volks
Herzog Friedrich ausgerufen. Nachmittags besorgte ein rasch zusammengetretenes
Comite die Entfernung der dänischen Beamten und Gymnasiallehrer, indem


für zu ungeheuer gehalten zu haben, um sich sofort zu entschließen. Am Montag
hatte man noch zwei neue Batterien errichtet, eine auf dem Mevenberg und
eine zweite auf der sogenannten Freiheit, einem Platze am östlichen Ende der
Stadt. Am Mittwoch hatten die Schleswiger das erste Donnern der Geschütze
gehört, und zwar aus der Gegend von Lottorf her, und bald nachher war das
Gerücht durch die Stadt gegangen, daß sich im haddebyer Holze östreichische
Jäger gezeigt. Am nächsten Tage wieder unaufhörliches Hin- und Hermarschuen
der dänischen Truppen, Vorbeijagen von Ordonnanzen und eiliger Abgang
schwerer Geschütze nach Missunde. Später Artilleriekampf unmittelbar im An¬
gesicht der Stadt zwischen einer bei Fahrdvrf am Südufer der Schlei empor-
gewachsenen deutschen Batterie und drei dänischen, von denen eine auf dem
Mevenberg, eine aus der Freiheit und eine bei dem Dorfe Haddeby sich befand.
Dann war alles still geworden, und nachdem man schon während die Kanonen
noch donnerten, Bewegungen bemerkt, die auf einen Abzug der Dänen deuteten,
war letzterer gegen Abend wirklich angetreten worden. Einzelne Abtheilungen
kamen noch einmal zurück, und die Offiziere fanden ihre Quartiergeber bereits
über dem Nähen von Schleswig-holsteinischen Fahnen. Die Gemeinen freuten
sich offenbar des Abmarsches nach Norden, der sie binnen Kurzem aus dem
Zustande von Ueberangestrengtheit erlösen sollte, in den sie die letzten Wochen
versetzt, und äußerten gutmüthig: „Wir gehen heim und kommen nun nicht
wieder."

Wie die Preußen bei Kappeln und Anus wurden die Oestreicher bei Schles¬
wig den Abzug de Mezas und seiner Leute zu spät gewahr. Die Erzählung
östreichischer Offiziere, daß die Dänen einen kurzen Waffenstillstand nachgesucht
und die Zeit zwischen Anfrage und Antwort benutzt hätten, einen Vorsprung
zu gewinnen, ist unbegründet. Richtig dagegen ist, daß die Oestreicher durch
junge Leute aus Schleswig, die über die gefrorne Schlei gegangen, schon zwei
Stunden nach dem Abmarsch der letzten dänischen Heersäulen von dem, was
vorging, in Kenntniß gesetzt waren.

Den dänischen Soldaten folgten nicht, wie anderwärts bei ähnlichen Ge¬
legenheiten, Verwünschungen nach. Sie hatten sich durchweg gut betragen, sich
für jede Gunst, die den Müden und Hungernden über Verlangen und Nöthigung
gewährt wurde, dankbar bewiesen und die Bürger nur selten und dann nur auf
Anregung der Offiziere, mit dem „Tapperen Landsoldat" geärgert. Man sah
sie als arme Teufel an, welche thaten, was sie nicht lassen durften.

Am Vormittag rückten die Oestreichs ein, und schon flatterten überall die
blaurothweißen und schwarzrothgoldnen Fahnen von den Fenstern, Dächern und
Thürmen. Mittags wurde unter großem Zusammenlauf und Jubel des Volks
Herzog Friedrich ausgerufen. Nachmittags besorgte ein rasch zusammengetretenes
Comite die Entfernung der dänischen Beamten und Gymnasiallehrer, indem


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[0438] für zu ungeheuer gehalten zu haben, um sich sofort zu entschließen. Am Montag hatte man noch zwei neue Batterien errichtet, eine auf dem Mevenberg und eine zweite auf der sogenannten Freiheit, einem Platze am östlichen Ende der Stadt. Am Mittwoch hatten die Schleswiger das erste Donnern der Geschütze gehört, und zwar aus der Gegend von Lottorf her, und bald nachher war das Gerücht durch die Stadt gegangen, daß sich im haddebyer Holze östreichische Jäger gezeigt. Am nächsten Tage wieder unaufhörliches Hin- und Hermarschuen der dänischen Truppen, Vorbeijagen von Ordonnanzen und eiliger Abgang schwerer Geschütze nach Missunde. Später Artilleriekampf unmittelbar im An¬ gesicht der Stadt zwischen einer bei Fahrdvrf am Südufer der Schlei empor- gewachsenen deutschen Batterie und drei dänischen, von denen eine auf dem Mevenberg, eine aus der Freiheit und eine bei dem Dorfe Haddeby sich befand. Dann war alles still geworden, und nachdem man schon während die Kanonen noch donnerten, Bewegungen bemerkt, die auf einen Abzug der Dänen deuteten, war letzterer gegen Abend wirklich angetreten worden. Einzelne Abtheilungen kamen noch einmal zurück, und die Offiziere fanden ihre Quartiergeber bereits über dem Nähen von Schleswig-holsteinischen Fahnen. Die Gemeinen freuten sich offenbar des Abmarsches nach Norden, der sie binnen Kurzem aus dem Zustande von Ueberangestrengtheit erlösen sollte, in den sie die letzten Wochen versetzt, und äußerten gutmüthig: „Wir gehen heim und kommen nun nicht wieder." Wie die Preußen bei Kappeln und Anus wurden die Oestreicher bei Schles¬ wig den Abzug de Mezas und seiner Leute zu spät gewahr. Die Erzählung östreichischer Offiziere, daß die Dänen einen kurzen Waffenstillstand nachgesucht und die Zeit zwischen Anfrage und Antwort benutzt hätten, einen Vorsprung zu gewinnen, ist unbegründet. Richtig dagegen ist, daß die Oestreicher durch junge Leute aus Schleswig, die über die gefrorne Schlei gegangen, schon zwei Stunden nach dem Abmarsch der letzten dänischen Heersäulen von dem, was vorging, in Kenntniß gesetzt waren. Den dänischen Soldaten folgten nicht, wie anderwärts bei ähnlichen Ge¬ legenheiten, Verwünschungen nach. Sie hatten sich durchweg gut betragen, sich für jede Gunst, die den Müden und Hungernden über Verlangen und Nöthigung gewährt wurde, dankbar bewiesen und die Bürger nur selten und dann nur auf Anregung der Offiziere, mit dem „Tapperen Landsoldat" geärgert. Man sah sie als arme Teufel an, welche thaten, was sie nicht lassen durften. Am Vormittag rückten die Oestreichs ein, und schon flatterten überall die blaurothweißen und schwarzrothgoldnen Fahnen von den Fenstern, Dächern und Thürmen. Mittags wurde unter großem Zusammenlauf und Jubel des Volks Herzog Friedrich ausgerufen. Nachmittags besorgte ein rasch zusammengetretenes Comite die Entfernung der dänischen Beamten und Gymnasiallehrer, indem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/438>, abgerufen am 24.07.2024.