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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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passen." Darum mochten also die noch vorhandenen Commissäre des alten
Systems, meistens würdige alte Männer, sich nicht recht für die neue Schöpfung
(der Armeewitz nannte sie nach dem General Schlitter, einem besondern
Günstling des Kaisers, die "Schlitterhusaren") eignen und es sollte daher
auch dieser Theil der Armee gleich allen andern "mit jüngeren Kräften ergänzt
werden". Zu diesem Zwecke sollte das neue Institut nur zum kleinsten Theile
aus den bisherigen, für ihr Fach gründlich ausgebildeten und in demselben
erfahrenen Männern bestehen, wogegen die übrigen Stellen mit Offizieren und
in besondern Fällen mit Rechnungs- und Verpflegsbeamten besetzt werden sollten.
Ein zweijähriger Lehrcurs sollte den letztgenannten Candidaten die nöthigen
Kenntnisse verschaffen, was jedoch nicht erreicht wurde und bei der übergroßen
Menge der Lehrgegenstände selbst dem eminentester Talente unmöglich ge¬
worden wäre.

War schon bei den Auditoren, sowie bei einigen andern Beamtenkörpern
das Verhältniß der Zahl der niedern zu jener der höhern Stellen ein sehr
günstiges, so war solches bei dem Commissariat in einer durch nichts zu recht¬
fertigenden Weise der Fall. Noch in dem gegenwärtigen Augenblicke, nachdem
der Stand dieser Branche in einer ziemlich bedeutenden Weise reducirt worden
ist, besteht dieselbe aus 4 GeneralcommiMren, 264 Commissären und Ober-
commissären (im Majors- und Oberstenrange), 123 Adjuncten (Hauptmannsrang)
und S Accessistcn (Subalternofsiziere). Es kann wohl kaum eine widersinnigere
und die Staatsfinanzen mehr in Anspruch nehmende Einteilung gedacht wer¬
den. Vor einigen Jahren war dieses Mißverhältniß noch viel ärger und es
schien das ganze Institut in der That nur darum zu existiren, um nur recht
vielen Begünstigten eine angesehene, bequeme und einträgliche Stellung zu Ver¬
schaffen.

Und Was leistete dieses so kostspielige Institut? -- Weniger, als man es
selbst nach gerechter Würdigung aller bei der Zusammenstellung des Personals
einwirkenden Uebelstände erwarten durste. Der letzte Feldzug hat dieses schlagend
bewiesen.

Das Commissariat. dessen Hauptbestimmung es war, die Verpflegung der
Truppen in jeder Beziehung und unter allen Umständen zu sichern, und dabei
den Vortheil des Staatsschatzes möglichst zu wahren, auf das Interesse der
inländischen Producenten Rücksicht zu nehmen und die Kräfte der steuerzahlenden
zu schonen, das Commissariat, welchem zur Erreichung dieser Zwecke die um¬
fassendsten Mittel zu Gebote standen, ließ die Truppen in dem fruchtbarsten
Lande Europas und inmitten der dichtgefüllten Magazine beinahe während der
ganzen Dauer des Feldzuges an fast allem darben, ließ die theils aus Staats¬
mitteln angeschafften, theils von den reichlichen Spenden zahlreicher Patrioten
herrührenden Vorräthe theils ungenutzt verderben, theils durch seine verkehrten


Grenzboten I. 1804. 64

passen." Darum mochten also die noch vorhandenen Commissäre des alten
Systems, meistens würdige alte Männer, sich nicht recht für die neue Schöpfung
(der Armeewitz nannte sie nach dem General Schlitter, einem besondern
Günstling des Kaisers, die „Schlitterhusaren") eignen und es sollte daher
auch dieser Theil der Armee gleich allen andern „mit jüngeren Kräften ergänzt
werden". Zu diesem Zwecke sollte das neue Institut nur zum kleinsten Theile
aus den bisherigen, für ihr Fach gründlich ausgebildeten und in demselben
erfahrenen Männern bestehen, wogegen die übrigen Stellen mit Offizieren und
in besondern Fällen mit Rechnungs- und Verpflegsbeamten besetzt werden sollten.
Ein zweijähriger Lehrcurs sollte den letztgenannten Candidaten die nöthigen
Kenntnisse verschaffen, was jedoch nicht erreicht wurde und bei der übergroßen
Menge der Lehrgegenstände selbst dem eminentester Talente unmöglich ge¬
worden wäre.

War schon bei den Auditoren, sowie bei einigen andern Beamtenkörpern
das Verhältniß der Zahl der niedern zu jener der höhern Stellen ein sehr
günstiges, so war solches bei dem Commissariat in einer durch nichts zu recht¬
fertigenden Weise der Fall. Noch in dem gegenwärtigen Augenblicke, nachdem
der Stand dieser Branche in einer ziemlich bedeutenden Weise reducirt worden
ist, besteht dieselbe aus 4 GeneralcommiMren, 264 Commissären und Ober-
commissären (im Majors- und Oberstenrange), 123 Adjuncten (Hauptmannsrang)
und S Accessistcn (Subalternofsiziere). Es kann wohl kaum eine widersinnigere
und die Staatsfinanzen mehr in Anspruch nehmende Einteilung gedacht wer¬
den. Vor einigen Jahren war dieses Mißverhältniß noch viel ärger und es
schien das ganze Institut in der That nur darum zu existiren, um nur recht
vielen Begünstigten eine angesehene, bequeme und einträgliche Stellung zu Ver¬
schaffen.

Und Was leistete dieses so kostspielige Institut? — Weniger, als man es
selbst nach gerechter Würdigung aller bei der Zusammenstellung des Personals
einwirkenden Uebelstände erwarten durste. Der letzte Feldzug hat dieses schlagend
bewiesen.

Das Commissariat. dessen Hauptbestimmung es war, die Verpflegung der
Truppen in jeder Beziehung und unter allen Umständen zu sichern, und dabei
den Vortheil des Staatsschatzes möglichst zu wahren, auf das Interesse der
inländischen Producenten Rücksicht zu nehmen und die Kräfte der steuerzahlenden
zu schonen, das Commissariat, welchem zur Erreichung dieser Zwecke die um¬
fassendsten Mittel zu Gebote standen, ließ die Truppen in dem fruchtbarsten
Lande Europas und inmitten der dichtgefüllten Magazine beinahe während der
ganzen Dauer des Feldzuges an fast allem darben, ließ die theils aus Staats¬
mitteln angeschafften, theils von den reichlichen Spenden zahlreicher Patrioten
herrührenden Vorräthe theils ungenutzt verderben, theils durch seine verkehrten


Grenzboten I. 1804. 64
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/431>, abgerufen am 24.07.2024.