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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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und die vier Species verlangt werden, so melden sich auch nur solche Individuen,
welche keinen andern Ausweg wissen, zu der Rechnungsbranche. Und auch
die, welche noch zu etwas Besserem taugen würden, müssen durch die geist-
tödtende Arbeit (es giebt Beamte, welche das ganze Jahr hindurch nichts thun,
als addiren) und durch den auf dem ganzen Institut lastenden Duret, sowie
durch die Betrachtung der Hoffnungslosigkeit ihrer Lage vollends verkümmern
und verdummen. Und in der That dürfte in der Welt nicht leicht ein gleich
zahlreiches Collegium beschränkter und verschrobener Köpfe gefunden werden, als
die Hofkriegsbuchhaltung es war, und die an ihre Stelle getretene oberste
Rechnungsbehörde es noch zum Theil ist.

Könnte durch die Thätigkeit der den Truppen beigegebenen Rechnungs¬
beamten allen Unterschleifen vorgebeugt werden und würde, von der obersten
Behörde die Controle in der Art geübt, daß nicht nur die arithmetische Rich¬
tigkeit der Rechnungen, sondern auch die Gewißheit, daß das Verrechnete an
den rechten Ort gelangte, festgestellt werden würde, so möchten die Schattenseiten
dieses Institutes weniger grell hervortreten und man würde sich über die Kost¬
spieligkeit desselben hinwegsetzen, da man doch einen namhaften Nutzen erblicken
würde. Aber dieses ist, wie man gesehen, nicht der Fall, die Rechnungsmani¬
pulation ist trotz aller Vereinfachungen und Erläuterungen, oder vielleicht gerade
durch dieselben so zusammengesetzt und weitläufig als je. das Personal zählt
bereits nach Tausenden und, was das Meiste sagen will, es ist weder von
Ersparungen noch von einer Beseitigung aller ungesetzlichen Verrechnungen*)
etwas zu bemerken. Eine gewaltige Reform ist auch hier nothwendig, wofern
es nicht vielleicht gar besser wäre, die ganze Branche für immer auf¬
zuheben. -- ---

Doch was will all das Tadelnswerthe, was wir bisher gefunden haben,
gegen die Wahrnehmungen bedeuten, welche sich bei der Betrachtung des
Kriegscvmmissariates darbieten? Dieses Institut, dessen Schöpfung in die
blühendste Zeit der handhaben Politik fällt, ist ein treues Abbild eben dieser
Politik und der Werke derselben. Aeußerlich viel Tand und Flitter, Hochmuth
und Tyrannei nach Unten sowie Augendienern und Kriecherei gegen Oben,
Großthun und hinopfernder Patriotismus, inwendig Egoismus, Korruption
und Unwissenheit, sowie die höchste Diensteslauigkeit --, dieses ist mit kurzen,
aber noch keineswegs zu strengen Worten das Resultat, zu weichem das Kriegs-
cvmmissariat gelangte und vermöge seiner Institutionen gelangen mußte.



-) Derlei Uebergriffe kommen besonders bei höheren Militärs vor. Ein Rechimngsbeamter
entdeckte, daß ein hoher General durch lange Zeit Diäten, die ihm nicht gebührten, bezogen
habe. Er machte hierüber die Anzeige, ward aber damit abgefertigt, "daß die Sache im
Principe zwar richtig sei, es aber sehr unklug wäre, den betreffenden Paragraph auch auf
Se, Excellenz anzuwenden."

und die vier Species verlangt werden, so melden sich auch nur solche Individuen,
welche keinen andern Ausweg wissen, zu der Rechnungsbranche. Und auch
die, welche noch zu etwas Besserem taugen würden, müssen durch die geist-
tödtende Arbeit (es giebt Beamte, welche das ganze Jahr hindurch nichts thun,
als addiren) und durch den auf dem ganzen Institut lastenden Duret, sowie
durch die Betrachtung der Hoffnungslosigkeit ihrer Lage vollends verkümmern
und verdummen. Und in der That dürfte in der Welt nicht leicht ein gleich
zahlreiches Collegium beschränkter und verschrobener Köpfe gefunden werden, als
die Hofkriegsbuchhaltung es war, und die an ihre Stelle getretene oberste
Rechnungsbehörde es noch zum Theil ist.

Könnte durch die Thätigkeit der den Truppen beigegebenen Rechnungs¬
beamten allen Unterschleifen vorgebeugt werden und würde, von der obersten
Behörde die Controle in der Art geübt, daß nicht nur die arithmetische Rich¬
tigkeit der Rechnungen, sondern auch die Gewißheit, daß das Verrechnete an
den rechten Ort gelangte, festgestellt werden würde, so möchten die Schattenseiten
dieses Institutes weniger grell hervortreten und man würde sich über die Kost¬
spieligkeit desselben hinwegsetzen, da man doch einen namhaften Nutzen erblicken
würde. Aber dieses ist, wie man gesehen, nicht der Fall, die Rechnungsmani¬
pulation ist trotz aller Vereinfachungen und Erläuterungen, oder vielleicht gerade
durch dieselben so zusammengesetzt und weitläufig als je. das Personal zählt
bereits nach Tausenden und, was das Meiste sagen will, es ist weder von
Ersparungen noch von einer Beseitigung aller ungesetzlichen Verrechnungen*)
etwas zu bemerken. Eine gewaltige Reform ist auch hier nothwendig, wofern
es nicht vielleicht gar besser wäre, die ganze Branche für immer auf¬
zuheben. — —-

Doch was will all das Tadelnswerthe, was wir bisher gefunden haben,
gegen die Wahrnehmungen bedeuten, welche sich bei der Betrachtung des
Kriegscvmmissariates darbieten? Dieses Institut, dessen Schöpfung in die
blühendste Zeit der handhaben Politik fällt, ist ein treues Abbild eben dieser
Politik und der Werke derselben. Aeußerlich viel Tand und Flitter, Hochmuth
und Tyrannei nach Unten sowie Augendienern und Kriecherei gegen Oben,
Großthun und hinopfernder Patriotismus, inwendig Egoismus, Korruption
und Unwissenheit, sowie die höchste Diensteslauigkeit —, dieses ist mit kurzen,
aber noch keineswegs zu strengen Worten das Resultat, zu weichem das Kriegs-
cvmmissariat gelangte und vermöge seiner Institutionen gelangen mußte.



-) Derlei Uebergriffe kommen besonders bei höheren Militärs vor. Ein Rechimngsbeamter
entdeckte, daß ein hoher General durch lange Zeit Diäten, die ihm nicht gebührten, bezogen
habe. Er machte hierüber die Anzeige, ward aber damit abgefertigt, „daß die Sache im
Principe zwar richtig sei, es aber sehr unklug wäre, den betreffenden Paragraph auch auf
Se, Excellenz anzuwenden."
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/428>, abgerufen am 24.07.2024.