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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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Verwaltungssystem etwas leichter als jetzt möglichen kleinen Irrungen und Unter-
schleife*) jemals geschehen könnte.

Der Rechnungsführer des Regiments prüft die von den Feldwebeln der
einzelnen Compagnien verfaßten Rechnungen in Bezug auf die arithmetische
Richtigkeit und stellt daraus die Totalrechnung für das ganze Regiment zu¬
sammen. Bei der Weitläufigkeit und Verworrenheit des östreichischen Rechnungs¬
wesens nimmt diese Arbeit die Kräfte nicht nur des Rechnungsführers und des
ihm beigegebenen Stabsfeldwebels (diese Charge ist an die Stelle der ehemaligen
Fouriere getreten), sondern auch mehrer dem streitbaren Truppenstande entzogenen
Schreiber in Anspruch.

Sämmtliche Rechnungsarten, sogar die der einzelnen Compagnien, werden
dem Centralrechnnngsdepartement in Wien zur Durchsicht und Controle, sowie
zur Zusammenstellung der Gesammtrechnung des Militärhaushaltes eingesendet.
Da nun das zu bewältigende Material an sich schon einen enormen Umfang
besitzt, man sich aber in Oestreich nicht mit einer einfachen Controle begnügt,
sondern überall eine doppelte und dreifache Revision anwenden will und diese
in den meisten Fällen nicht durch sogenannte Stichproben -- sondern nur durch
eine Wiederholung des bereits beendeten Verfahrens durchzuführen weiß: so
kann man auf das zahlreiche Personal dieser Centralstelle schließen. Um dasselbe
noch zu vermehren hat man auch hier, theils um die Thätigkeit jedes einzelnen
Individuums durch recht viele Organe überwachen zulassen, theils um von den
auch bei den andern Stellen herrschenden System nicht abzuweichen, die hierar¬
chische Nangsgliederung zu einer wahren Jakobsleiter gemacht. Die ganze
Thätigkeit dieser Behörde kommt in den -- oft mehre Jahre nach abgelieferter
Rechnung an die Truppen gelangenden "Bemänglungen" zu Tage, und es ist
unglaublich, welche Masse von Papier wegen eines Irrthumes von einigen
Kreuzern, oft auch nur wegen der etwas unleserlicher Unterschrift eines Unter¬
offiziers verschrieben wird. Dagegen fällt es niemandem ein, darüber nachzu¬
denken, wie irgendeine Ausgabe ganz vermieden oder wie wenigstens die
Rechnungsmanipulation auf irgendeine Weise vereinfacht werden könnte. Ein
derartiges Bestreben würde für einen solchen "neuerungssüchtigen Naseweis" nur
die übelsten Folgen nach sich ziehen. Da die Besoldung dieser Beamten, die
höher gestellten natürlich ausgenommen, ziemlich gering, das Vorrücken an sich
schon durch verschiedene Umstände (den geringen Abgang. Cinschübe und tgi.)
sehr gehemmt und überdies von der Willkür der Bureauchefs abhängig ist und
da von den Kandidaten gar keine andern Vorkenntnisse, als Lesen, Schreiben



') Daß die großen Unterschleife, selbst wenn deren Erforschung in dem Ressort dieser
Rechnungsbeamten läge, nicht verhindert werden konnten, zeigt die Geschichte der letzten
östreichischen Unterschleifsproccsse zur Genüge.

Verwaltungssystem etwas leichter als jetzt möglichen kleinen Irrungen und Unter-
schleife*) jemals geschehen könnte.

Der Rechnungsführer des Regiments prüft die von den Feldwebeln der
einzelnen Compagnien verfaßten Rechnungen in Bezug auf die arithmetische
Richtigkeit und stellt daraus die Totalrechnung für das ganze Regiment zu¬
sammen. Bei der Weitläufigkeit und Verworrenheit des östreichischen Rechnungs¬
wesens nimmt diese Arbeit die Kräfte nicht nur des Rechnungsführers und des
ihm beigegebenen Stabsfeldwebels (diese Charge ist an die Stelle der ehemaligen
Fouriere getreten), sondern auch mehrer dem streitbaren Truppenstande entzogenen
Schreiber in Anspruch.

Sämmtliche Rechnungsarten, sogar die der einzelnen Compagnien, werden
dem Centralrechnnngsdepartement in Wien zur Durchsicht und Controle, sowie
zur Zusammenstellung der Gesammtrechnung des Militärhaushaltes eingesendet.
Da nun das zu bewältigende Material an sich schon einen enormen Umfang
besitzt, man sich aber in Oestreich nicht mit einer einfachen Controle begnügt,
sondern überall eine doppelte und dreifache Revision anwenden will und diese
in den meisten Fällen nicht durch sogenannte Stichproben — sondern nur durch
eine Wiederholung des bereits beendeten Verfahrens durchzuführen weiß: so
kann man auf das zahlreiche Personal dieser Centralstelle schließen. Um dasselbe
noch zu vermehren hat man auch hier, theils um die Thätigkeit jedes einzelnen
Individuums durch recht viele Organe überwachen zulassen, theils um von den
auch bei den andern Stellen herrschenden System nicht abzuweichen, die hierar¬
chische Nangsgliederung zu einer wahren Jakobsleiter gemacht. Die ganze
Thätigkeit dieser Behörde kommt in den — oft mehre Jahre nach abgelieferter
Rechnung an die Truppen gelangenden „Bemänglungen" zu Tage, und es ist
unglaublich, welche Masse von Papier wegen eines Irrthumes von einigen
Kreuzern, oft auch nur wegen der etwas unleserlicher Unterschrift eines Unter¬
offiziers verschrieben wird. Dagegen fällt es niemandem ein, darüber nachzu¬
denken, wie irgendeine Ausgabe ganz vermieden oder wie wenigstens die
Rechnungsmanipulation auf irgendeine Weise vereinfacht werden könnte. Ein
derartiges Bestreben würde für einen solchen „neuerungssüchtigen Naseweis" nur
die übelsten Folgen nach sich ziehen. Da die Besoldung dieser Beamten, die
höher gestellten natürlich ausgenommen, ziemlich gering, das Vorrücken an sich
schon durch verschiedene Umstände (den geringen Abgang. Cinschübe und tgi.)
sehr gehemmt und überdies von der Willkür der Bureauchefs abhängig ist und
da von den Kandidaten gar keine andern Vorkenntnisse, als Lesen, Schreiben



') Daß die großen Unterschleife, selbst wenn deren Erforschung in dem Ressort dieser
Rechnungsbeamten läge, nicht verhindert werden konnten, zeigt die Geschichte der letzten
östreichischen Unterschleifsproccsse zur Genüge.
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[0427] Verwaltungssystem etwas leichter als jetzt möglichen kleinen Irrungen und Unter- schleife*) jemals geschehen könnte. Der Rechnungsführer des Regiments prüft die von den Feldwebeln der einzelnen Compagnien verfaßten Rechnungen in Bezug auf die arithmetische Richtigkeit und stellt daraus die Totalrechnung für das ganze Regiment zu¬ sammen. Bei der Weitläufigkeit und Verworrenheit des östreichischen Rechnungs¬ wesens nimmt diese Arbeit die Kräfte nicht nur des Rechnungsführers und des ihm beigegebenen Stabsfeldwebels (diese Charge ist an die Stelle der ehemaligen Fouriere getreten), sondern auch mehrer dem streitbaren Truppenstande entzogenen Schreiber in Anspruch. Sämmtliche Rechnungsarten, sogar die der einzelnen Compagnien, werden dem Centralrechnnngsdepartement in Wien zur Durchsicht und Controle, sowie zur Zusammenstellung der Gesammtrechnung des Militärhaushaltes eingesendet. Da nun das zu bewältigende Material an sich schon einen enormen Umfang besitzt, man sich aber in Oestreich nicht mit einer einfachen Controle begnügt, sondern überall eine doppelte und dreifache Revision anwenden will und diese in den meisten Fällen nicht durch sogenannte Stichproben — sondern nur durch eine Wiederholung des bereits beendeten Verfahrens durchzuführen weiß: so kann man auf das zahlreiche Personal dieser Centralstelle schließen. Um dasselbe noch zu vermehren hat man auch hier, theils um die Thätigkeit jedes einzelnen Individuums durch recht viele Organe überwachen zulassen, theils um von den auch bei den andern Stellen herrschenden System nicht abzuweichen, die hierar¬ chische Nangsgliederung zu einer wahren Jakobsleiter gemacht. Die ganze Thätigkeit dieser Behörde kommt in den — oft mehre Jahre nach abgelieferter Rechnung an die Truppen gelangenden „Bemänglungen" zu Tage, und es ist unglaublich, welche Masse von Papier wegen eines Irrthumes von einigen Kreuzern, oft auch nur wegen der etwas unleserlicher Unterschrift eines Unter¬ offiziers verschrieben wird. Dagegen fällt es niemandem ein, darüber nachzu¬ denken, wie irgendeine Ausgabe ganz vermieden oder wie wenigstens die Rechnungsmanipulation auf irgendeine Weise vereinfacht werden könnte. Ein derartiges Bestreben würde für einen solchen „neuerungssüchtigen Naseweis" nur die übelsten Folgen nach sich ziehen. Da die Besoldung dieser Beamten, die höher gestellten natürlich ausgenommen, ziemlich gering, das Vorrücken an sich schon durch verschiedene Umstände (den geringen Abgang. Cinschübe und tgi.) sehr gehemmt und überdies von der Willkür der Bureauchefs abhängig ist und da von den Kandidaten gar keine andern Vorkenntnisse, als Lesen, Schreiben ') Daß die großen Unterschleife, selbst wenn deren Erforschung in dem Ressort dieser Rechnungsbeamten läge, nicht verhindert werden konnten, zeigt die Geschichte der letzten östreichischen Unterschleifsproccsse zur Genüge.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/427>, abgerufen am 24.07.2024.