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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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fungirender Cadet oder Unteroffizier schreibt dieselben und die Antworten des
Angeklagten und der etwaigen Zeugen nieder. Nach geschlossener Vorunter¬
suchung tritt dasselbe Personal zur Schlußvcrhandlung, zum Kriegsrecht, zu¬
sammen. Dem Angeklagten wird das Protokoll vorgelesen und hierauf noch
eine oder die andere Frage gestellt. Dann führt man ihn wieder ab. Der
Auditor, welcher die ganze Voruntersuchung geleitet oder eigentlich ganz allein
geführt hat, tritt nun als Kläger und Staatsanwalt auf, er entwickelt die
Schuld des Angeklagten und beantragt oder bestimmt vielmehr das Strafaus¬
maß, denn nur selten kommt es vor, daß ein Beisitzer eine ernsthafte Einsprache
erhebt. Und auch in diesem Falle ist in den östreichischen Militärgesctzen schon
dafür gesorgt, daß die Stimme des Einzelnen ungehört verhallt. Der Ange¬
klagte ist somit ohne alle Vertheidigung, denn das Gesetz giebt ihm keinen Ver¬
treter (nach den Anschauungen Einiger soll der Auditor als solcher fungiren!)
und er selbst darf nur dann und so viel sprechen, wenn und wie viel ihm ge¬
stattet wird. Es hängt somit die Entscheidung in den meisten Fällen von dem
Auditor ab. Während der ganzen Verhandlung hütet eine Schildwache die
Thüre, um den Eintritt jedes Unberufenen zu verwehren und das Urtheil, welches
nach seiner Fassung dem Obersten zur Bestätigung vorgelegt wird, wird gleich
hierauf oder -- zumal bei Leibesstrafen -- unmittelbar vor seinem Vollzuge
publicirt. Und ein solches Verfahren, welchem die Mündlichkeit und Oeffent-
lichkeit, sowie eine vom Gesetz gesicherte Vertheidigung fehlen, bei welchem der
Angeklagte mit Ketten belastet in den Saal geschleppt und seiner Berufung kein
Gehör gegeben wird, wagt man mit dem Schwurgerichtsverfahren zu ver¬
gleichen! --

Es gehört somit auch eine Verbesserung des Gerichtswesens zu den frommen
Wünschen vieler östreichischer Militärs und es wäre eine Verminderung der Zahl
wenigstens des höher gestellten Theiles dieser Branche eine schon aus ökonomi¬
schen Rücksichten zu befürwortende Maßregel. --

Eine andere, zwar minder begünstigte, aber dafür um desto zahlreichere und
einflußreichere und nebenbei bemerkt auch -- lästigere Branche ist die der soge¬
nannten N e es nungsführe r und R echnungsbeamte n. Erstere befinden sich den
Truppen zugetheilt und werden gegenwärtig wieder als Militärparteien betrachtet,
wogegen Letztere theils bei den hier und da noch bestehenden Rechnungsdeparte¬
ments, zum größten Theile aber bei der Centralstelle in Wien, der ehemaligen
Hofkriegsbuchhaltung, postirt sind. Mehr als bei diesem Departement ist wohl
nirgends reorganisier worden und es ist endlich das überhaupt zu keiner Zeit
allzu geringe Personal auf das Doppelte und Dreifache angewachsen. Die
Einzelnen jhaben jedoch trotz dieser Vermehrung eher verloren als gewonnen
und die Staatsfinanzen werden durch die Kosten des vermehrten Etats der
Nechnungsbranche weit schwerer bedrückt, als es durch die bei dem ursprünglichen


fungirender Cadet oder Unteroffizier schreibt dieselben und die Antworten des
Angeklagten und der etwaigen Zeugen nieder. Nach geschlossener Vorunter¬
suchung tritt dasselbe Personal zur Schlußvcrhandlung, zum Kriegsrecht, zu¬
sammen. Dem Angeklagten wird das Protokoll vorgelesen und hierauf noch
eine oder die andere Frage gestellt. Dann führt man ihn wieder ab. Der
Auditor, welcher die ganze Voruntersuchung geleitet oder eigentlich ganz allein
geführt hat, tritt nun als Kläger und Staatsanwalt auf, er entwickelt die
Schuld des Angeklagten und beantragt oder bestimmt vielmehr das Strafaus¬
maß, denn nur selten kommt es vor, daß ein Beisitzer eine ernsthafte Einsprache
erhebt. Und auch in diesem Falle ist in den östreichischen Militärgesctzen schon
dafür gesorgt, daß die Stimme des Einzelnen ungehört verhallt. Der Ange¬
klagte ist somit ohne alle Vertheidigung, denn das Gesetz giebt ihm keinen Ver¬
treter (nach den Anschauungen Einiger soll der Auditor als solcher fungiren!)
und er selbst darf nur dann und so viel sprechen, wenn und wie viel ihm ge¬
stattet wird. Es hängt somit die Entscheidung in den meisten Fällen von dem
Auditor ab. Während der ganzen Verhandlung hütet eine Schildwache die
Thüre, um den Eintritt jedes Unberufenen zu verwehren und das Urtheil, welches
nach seiner Fassung dem Obersten zur Bestätigung vorgelegt wird, wird gleich
hierauf oder — zumal bei Leibesstrafen — unmittelbar vor seinem Vollzuge
publicirt. Und ein solches Verfahren, welchem die Mündlichkeit und Oeffent-
lichkeit, sowie eine vom Gesetz gesicherte Vertheidigung fehlen, bei welchem der
Angeklagte mit Ketten belastet in den Saal geschleppt und seiner Berufung kein
Gehör gegeben wird, wagt man mit dem Schwurgerichtsverfahren zu ver¬
gleichen! —

Es gehört somit auch eine Verbesserung des Gerichtswesens zu den frommen
Wünschen vieler östreichischer Militärs und es wäre eine Verminderung der Zahl
wenigstens des höher gestellten Theiles dieser Branche eine schon aus ökonomi¬
schen Rücksichten zu befürwortende Maßregel. —

Eine andere, zwar minder begünstigte, aber dafür um desto zahlreichere und
einflußreichere und nebenbei bemerkt auch — lästigere Branche ist die der soge¬
nannten N e es nungsführe r und R echnungsbeamte n. Erstere befinden sich den
Truppen zugetheilt und werden gegenwärtig wieder als Militärparteien betrachtet,
wogegen Letztere theils bei den hier und da noch bestehenden Rechnungsdeparte¬
ments, zum größten Theile aber bei der Centralstelle in Wien, der ehemaligen
Hofkriegsbuchhaltung, postirt sind. Mehr als bei diesem Departement ist wohl
nirgends reorganisier worden und es ist endlich das überhaupt zu keiner Zeit
allzu geringe Personal auf das Doppelte und Dreifache angewachsen. Die
Einzelnen jhaben jedoch trotz dieser Vermehrung eher verloren als gewonnen
und die Staatsfinanzen werden durch die Kosten des vermehrten Etats der
Nechnungsbranche weit schwerer bedrückt, als es durch die bei dem ursprünglichen


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[0426] fungirender Cadet oder Unteroffizier schreibt dieselben und die Antworten des Angeklagten und der etwaigen Zeugen nieder. Nach geschlossener Vorunter¬ suchung tritt dasselbe Personal zur Schlußvcrhandlung, zum Kriegsrecht, zu¬ sammen. Dem Angeklagten wird das Protokoll vorgelesen und hierauf noch eine oder die andere Frage gestellt. Dann führt man ihn wieder ab. Der Auditor, welcher die ganze Voruntersuchung geleitet oder eigentlich ganz allein geführt hat, tritt nun als Kläger und Staatsanwalt auf, er entwickelt die Schuld des Angeklagten und beantragt oder bestimmt vielmehr das Strafaus¬ maß, denn nur selten kommt es vor, daß ein Beisitzer eine ernsthafte Einsprache erhebt. Und auch in diesem Falle ist in den östreichischen Militärgesctzen schon dafür gesorgt, daß die Stimme des Einzelnen ungehört verhallt. Der Ange¬ klagte ist somit ohne alle Vertheidigung, denn das Gesetz giebt ihm keinen Ver¬ treter (nach den Anschauungen Einiger soll der Auditor als solcher fungiren!) und er selbst darf nur dann und so viel sprechen, wenn und wie viel ihm ge¬ stattet wird. Es hängt somit die Entscheidung in den meisten Fällen von dem Auditor ab. Während der ganzen Verhandlung hütet eine Schildwache die Thüre, um den Eintritt jedes Unberufenen zu verwehren und das Urtheil, welches nach seiner Fassung dem Obersten zur Bestätigung vorgelegt wird, wird gleich hierauf oder — zumal bei Leibesstrafen — unmittelbar vor seinem Vollzuge publicirt. Und ein solches Verfahren, welchem die Mündlichkeit und Oeffent- lichkeit, sowie eine vom Gesetz gesicherte Vertheidigung fehlen, bei welchem der Angeklagte mit Ketten belastet in den Saal geschleppt und seiner Berufung kein Gehör gegeben wird, wagt man mit dem Schwurgerichtsverfahren zu ver¬ gleichen! — Es gehört somit auch eine Verbesserung des Gerichtswesens zu den frommen Wünschen vieler östreichischer Militärs und es wäre eine Verminderung der Zahl wenigstens des höher gestellten Theiles dieser Branche eine schon aus ökonomi¬ schen Rücksichten zu befürwortende Maßregel. — Eine andere, zwar minder begünstigte, aber dafür um desto zahlreichere und einflußreichere und nebenbei bemerkt auch — lästigere Branche ist die der soge¬ nannten N e es nungsführe r und R echnungsbeamte n. Erstere befinden sich den Truppen zugetheilt und werden gegenwärtig wieder als Militärparteien betrachtet, wogegen Letztere theils bei den hier und da noch bestehenden Rechnungsdeparte¬ ments, zum größten Theile aber bei der Centralstelle in Wien, der ehemaligen Hofkriegsbuchhaltung, postirt sind. Mehr als bei diesem Departement ist wohl nirgends reorganisier worden und es ist endlich das überhaupt zu keiner Zeit allzu geringe Personal auf das Doppelte und Dreifache angewachsen. Die Einzelnen jhaben jedoch trotz dieser Vermehrung eher verloren als gewonnen und die Staatsfinanzen werden durch die Kosten des vermehrten Etats der Nechnungsbranche weit schwerer bedrückt, als es durch die bei dem ursprünglichen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/426>, abgerufen am 24.07.2024.