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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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trage. Es handelt sich aber nicht darum, den Verbrecher durch das Rasseln
eines Säbels einzuschüchtern, sondern auf eine verständige Weise den Beweis
seiner Schuld herzustellen und ihn vielleicht durch eindringende und überzeugende
Vorstellungen zur Reue zu führen. Und dazu würde sich wohl ebensogut ein
Richter im Civilgewande eignen, sowie auch ein solcher allen etwaigen Zu-
muthungen irgendeines militärischen Machthabers mit weit größerer Entschieden¬
heit entgegentreten könnte und würde.

Wie fast in den meisten Armeen sind auch in der östreichischen seit alter
Zeit die sogenannten "Soldatenrechte" (Kriegs- und Standgerichte) eingeführt.
Dieselben bestehen aus dem Auditor, einem Stabsoffizier als Präsidenten und
sechs bis zwölf aus den verschiedenen Graden nach der Dienstliste entnommenen
Beisitzern. Dieselben leisten beim Zusammentritt des Gerichtes den Eid, "nach
bestem Recht und Erkenntniß abzuurtheilen und das Urtheil bis zur feierlichen
Publicirung geheim zu halten." Die officielle juridische und militärische Presse
Oestreichs sucht diesen Umstand bei jeder Gelegenheit auszubeuten und thut sich
nicht wenig darauf zu Gute, daß die Armee eine, allen andern Ständen und
allen Provinzen noch immer mangelnde Institution, nämlich -- die Geschwor-
nengerichte besitze. Die Beisitzer gehören allerdings -- mit Ausnahme des
Auditors -- nicht dem juridischen Stande an und legen einen Eid ab, aber es
kann wohl kaum eine entsetzlichere Ironie ausgesprochen werden, als indem
man ein östreichisches Militärgericht mit einem Geschwornengericht vergleicht.
Betrachten wir einmal ein solches Kriegsgericht oder "Kriegsrecht" und die dem¬
selben vorangehenden Verhöre. --

An einem, durch den Befehl des Obersten festgesetzten Tage versammelt
sich das bestimmte Personal in der Kanzlei des Auditors. Dieses Personal,
ein alter, überstrenger Major, zwei Hauptleute (vielleicht ist der eine der
Hauptmann des zu Richtenden) zwei junge Offiziere, die in dem Ganzen nur
einen höchst unangenehmen Dienst erblicken, zwei Feldwebel und zwei Cvrpvrale
welche aus langer Gewohnheit ganz gleichgiltig gegen derlei Dinge sind und
ihr Ja- oder Nein ganz gedankenlos abgeben und endlich zwei Gefreite und Ge¬
meine, die vielleicht an dem Schicksale ihres Kameraden Antheil nehmen, aber
theils zu ungebildet sind, um an der etwaigen Debatte einen Antheil nehmen
zu können, theils auch ob der ihnen eingebläuten Subordination es gar nicht
wagen würden, irgend eine Einrede zu machen.

Die Offiziere setzen sich nun in die Wohnung des Auditors und verbringen
rauchend und plaudernd die bis zur Beendigung aller Vorbereitungen verfließende
halbe Stunde, während die andern Beisitzer draußen auf dem Gange warten.
Endlich wird der Angeklagte -- derselbe ist auch bei den leichtesten Vergehen
stets gefesselt -- in die Kanzlei geführt, die Richter nehmen ihre Plätze ein und
das Verhör beginnt. Der Auditor stellt die Fragen und ein als Stenograph


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trage. Es handelt sich aber nicht darum, den Verbrecher durch das Rasseln
eines Säbels einzuschüchtern, sondern auf eine verständige Weise den Beweis
seiner Schuld herzustellen und ihn vielleicht durch eindringende und überzeugende
Vorstellungen zur Reue zu führen. Und dazu würde sich wohl ebensogut ein
Richter im Civilgewande eignen, sowie auch ein solcher allen etwaigen Zu-
muthungen irgendeines militärischen Machthabers mit weit größerer Entschieden¬
heit entgegentreten könnte und würde.

Wie fast in den meisten Armeen sind auch in der östreichischen seit alter
Zeit die sogenannten „Soldatenrechte" (Kriegs- und Standgerichte) eingeführt.
Dieselben bestehen aus dem Auditor, einem Stabsoffizier als Präsidenten und
sechs bis zwölf aus den verschiedenen Graden nach der Dienstliste entnommenen
Beisitzern. Dieselben leisten beim Zusammentritt des Gerichtes den Eid, „nach
bestem Recht und Erkenntniß abzuurtheilen und das Urtheil bis zur feierlichen
Publicirung geheim zu halten." Die officielle juridische und militärische Presse
Oestreichs sucht diesen Umstand bei jeder Gelegenheit auszubeuten und thut sich
nicht wenig darauf zu Gute, daß die Armee eine, allen andern Ständen und
allen Provinzen noch immer mangelnde Institution, nämlich — die Geschwor-
nengerichte besitze. Die Beisitzer gehören allerdings — mit Ausnahme des
Auditors — nicht dem juridischen Stande an und legen einen Eid ab, aber es
kann wohl kaum eine entsetzlichere Ironie ausgesprochen werden, als indem
man ein östreichisches Militärgericht mit einem Geschwornengericht vergleicht.
Betrachten wir einmal ein solches Kriegsgericht oder „Kriegsrecht" und die dem¬
selben vorangehenden Verhöre. —

An einem, durch den Befehl des Obersten festgesetzten Tage versammelt
sich das bestimmte Personal in der Kanzlei des Auditors. Dieses Personal,
ein alter, überstrenger Major, zwei Hauptleute (vielleicht ist der eine der
Hauptmann des zu Richtenden) zwei junge Offiziere, die in dem Ganzen nur
einen höchst unangenehmen Dienst erblicken, zwei Feldwebel und zwei Cvrpvrale
welche aus langer Gewohnheit ganz gleichgiltig gegen derlei Dinge sind und
ihr Ja- oder Nein ganz gedankenlos abgeben und endlich zwei Gefreite und Ge¬
meine, die vielleicht an dem Schicksale ihres Kameraden Antheil nehmen, aber
theils zu ungebildet sind, um an der etwaigen Debatte einen Antheil nehmen
zu können, theils auch ob der ihnen eingebläuten Subordination es gar nicht
wagen würden, irgend eine Einrede zu machen.

Die Offiziere setzen sich nun in die Wohnung des Auditors und verbringen
rauchend und plaudernd die bis zur Beendigung aller Vorbereitungen verfließende
halbe Stunde, während die andern Beisitzer draußen auf dem Gange warten.
Endlich wird der Angeklagte — derselbe ist auch bei den leichtesten Vergehen
stets gefesselt — in die Kanzlei geführt, die Richter nehmen ihre Plätze ein und
das Verhör beginnt. Der Auditor stellt die Fragen und ein als Stenograph


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/425>, abgerufen am 24.07.2024.