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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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denjenigen jungen Grafen, welche die Ehre haben, nach dem bestehenden Reichs-
ceremvnial die Speisen auf die kaiserliche Krönungstafel zu tragen, auch die jungen
Herren Grafen von Pappenheim möchten zugelassen werden. Die gesammten
deutschen Reichsgrafenlande aber, wohin man Couriere und Staffeten laufen
ließ, kamen darüber rü nicht geringen Aufruhr und Bestürzung, sintemal, un>
beschadet der persönlichen Würde der Herren Grafen v. Pappenheim, ihre Herr¬
schaft selbst keine wirkliche Reichsgrafschaft, sondern nur eine unmittelbare
reichsritterschastliche Besitzung war.

Ich erhielt also den Auftrag, eine Antwort an den alten Erbmarschall
aufzusetzen, welche ungefähr dahin ging: So erfreut und diensterbötig die ge¬
sammten Grafen des heiligen römischen Reiches selbst in dem Fall sein wür¬
den, daß der Herr Erbmarschall zum römischen Kaiser und König von Germa¬
nien gewählt werden wollte, so wenig könnte sie jedoch aus dessen exorbitantes,
unübersehliches, unberechenbares und folgenschweres Begehren die Herrn Söhne
und Vettern beim Schüsseltragen und Aufwarten zuzulassen, weder für jetzt
noch in alle ewige Zeiten eingehen.

Ich hatte mich aber sehr geirrt, wenn ich hoffte, unter diesen hochgräf¬
lichen Segeln die kommende frankfurter Pracht nunmehr ruhig mit ansehen zu
können. Mitten in der Nacht brach neuerdings ein so gräßlicher Sturm aus,
daß ich schleunigst von Frankfurt heraus nach Offenbach, als dem Verdeck der
deutschen Reichsgrasendeputation, einberufen wurde. Das kaiserliche Hofküchen¬
meisteramt hatte ein Verzeichnis? sämmtlicher Schüsseln, wenn ich nicht irre, 37
an der Zahl, mitgetheilt, um sie zur Auflegung auf die Tafel an die hierzu
bestimmten Reichsgrafen zu vertheilen. Nun war aber seit Carolo Magno, oder
auch etwas später, das reichsgesetzmäßige Herkommen, daß jederzeit die erste
Schüssel von einem Schwaben, die zweite von einem Wetterauer, die dritte
von einem Franken, und die vierte, und so allemal die letzte, von einem west-
phälinger Grasen getragen werden mußte. Allein nach diesem Turnus hätte es
sich getroffen, daß die siebenunddreißigste Schüssel, als die allerletzte, wieder
aus einen schwäbischen Grafen gekommen wäre, worüber alle anwesenden
Schwaben, denen doch sogar selbst bei einer allgemeinen deutschen Reichs-
collegialschast zugekommen wäre, mit dem Se. Georgen-Schild voranzustehen,
in den heftigsten Unwillen ausbrachen, während gleichwohl auch keine der an¬
deren Stände des Reichs dieser siebenunddreißigsten Schüssel sich annehmen
wollte. Es schien nur wenig zu fehlen, daß es nicht gar zu einem bürgerlichen
Reichsgrafenkrieg gekommen wäre. Die kaiserliche Hofküche schlug es geradezu
ab, diese verwünschte siebenunddreißigste Schüssel etwa wegzulassen, welches ihr
auch nicht zu verdenken war. weil sie sich darüber mit allen Küchenzetteln von
Kaiser Nudolfus her auszuweisen vermochte. Endlich doch kam gleichsam wie
vom Himmel her der geistreiche Einfall, aus dieser großen Schüssel vier klei-


denjenigen jungen Grafen, welche die Ehre haben, nach dem bestehenden Reichs-
ceremvnial die Speisen auf die kaiserliche Krönungstafel zu tragen, auch die jungen
Herren Grafen von Pappenheim möchten zugelassen werden. Die gesammten
deutschen Reichsgrafenlande aber, wohin man Couriere und Staffeten laufen
ließ, kamen darüber rü nicht geringen Aufruhr und Bestürzung, sintemal, un>
beschadet der persönlichen Würde der Herren Grafen v. Pappenheim, ihre Herr¬
schaft selbst keine wirkliche Reichsgrafschaft, sondern nur eine unmittelbare
reichsritterschastliche Besitzung war.

Ich erhielt also den Auftrag, eine Antwort an den alten Erbmarschall
aufzusetzen, welche ungefähr dahin ging: So erfreut und diensterbötig die ge¬
sammten Grafen des heiligen römischen Reiches selbst in dem Fall sein wür¬
den, daß der Herr Erbmarschall zum römischen Kaiser und König von Germa¬
nien gewählt werden wollte, so wenig könnte sie jedoch aus dessen exorbitantes,
unübersehliches, unberechenbares und folgenschweres Begehren die Herrn Söhne
und Vettern beim Schüsseltragen und Aufwarten zuzulassen, weder für jetzt
noch in alle ewige Zeiten eingehen.

Ich hatte mich aber sehr geirrt, wenn ich hoffte, unter diesen hochgräf¬
lichen Segeln die kommende frankfurter Pracht nunmehr ruhig mit ansehen zu
können. Mitten in der Nacht brach neuerdings ein so gräßlicher Sturm aus,
daß ich schleunigst von Frankfurt heraus nach Offenbach, als dem Verdeck der
deutschen Reichsgrasendeputation, einberufen wurde. Das kaiserliche Hofküchen¬
meisteramt hatte ein Verzeichnis? sämmtlicher Schüsseln, wenn ich nicht irre, 37
an der Zahl, mitgetheilt, um sie zur Auflegung auf die Tafel an die hierzu
bestimmten Reichsgrafen zu vertheilen. Nun war aber seit Carolo Magno, oder
auch etwas später, das reichsgesetzmäßige Herkommen, daß jederzeit die erste
Schüssel von einem Schwaben, die zweite von einem Wetterauer, die dritte
von einem Franken, und die vierte, und so allemal die letzte, von einem west-
phälinger Grasen getragen werden mußte. Allein nach diesem Turnus hätte es
sich getroffen, daß die siebenunddreißigste Schüssel, als die allerletzte, wieder
aus einen schwäbischen Grafen gekommen wäre, worüber alle anwesenden
Schwaben, denen doch sogar selbst bei einer allgemeinen deutschen Reichs-
collegialschast zugekommen wäre, mit dem Se. Georgen-Schild voranzustehen,
in den heftigsten Unwillen ausbrachen, während gleichwohl auch keine der an¬
deren Stände des Reichs dieser siebenunddreißigsten Schüssel sich annehmen
wollte. Es schien nur wenig zu fehlen, daß es nicht gar zu einem bürgerlichen
Reichsgrafenkrieg gekommen wäre. Die kaiserliche Hofküche schlug es geradezu
ab, diese verwünschte siebenunddreißigste Schüssel etwa wegzulassen, welches ihr
auch nicht zu verdenken war. weil sie sich darüber mit allen Küchenzetteln von
Kaiser Nudolfus her auszuweisen vermochte. Endlich doch kam gleichsam wie
vom Himmel her der geistreiche Einfall, aus dieser großen Schüssel vier klei-


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[0041] denjenigen jungen Grafen, welche die Ehre haben, nach dem bestehenden Reichs- ceremvnial die Speisen auf die kaiserliche Krönungstafel zu tragen, auch die jungen Herren Grafen von Pappenheim möchten zugelassen werden. Die gesammten deutschen Reichsgrafenlande aber, wohin man Couriere und Staffeten laufen ließ, kamen darüber rü nicht geringen Aufruhr und Bestürzung, sintemal, un> beschadet der persönlichen Würde der Herren Grafen v. Pappenheim, ihre Herr¬ schaft selbst keine wirkliche Reichsgrafschaft, sondern nur eine unmittelbare reichsritterschastliche Besitzung war. Ich erhielt also den Auftrag, eine Antwort an den alten Erbmarschall aufzusetzen, welche ungefähr dahin ging: So erfreut und diensterbötig die ge¬ sammten Grafen des heiligen römischen Reiches selbst in dem Fall sein wür¬ den, daß der Herr Erbmarschall zum römischen Kaiser und König von Germa¬ nien gewählt werden wollte, so wenig könnte sie jedoch aus dessen exorbitantes, unübersehliches, unberechenbares und folgenschweres Begehren die Herrn Söhne und Vettern beim Schüsseltragen und Aufwarten zuzulassen, weder für jetzt noch in alle ewige Zeiten eingehen. Ich hatte mich aber sehr geirrt, wenn ich hoffte, unter diesen hochgräf¬ lichen Segeln die kommende frankfurter Pracht nunmehr ruhig mit ansehen zu können. Mitten in der Nacht brach neuerdings ein so gräßlicher Sturm aus, daß ich schleunigst von Frankfurt heraus nach Offenbach, als dem Verdeck der deutschen Reichsgrasendeputation, einberufen wurde. Das kaiserliche Hofküchen¬ meisteramt hatte ein Verzeichnis? sämmtlicher Schüsseln, wenn ich nicht irre, 37 an der Zahl, mitgetheilt, um sie zur Auflegung auf die Tafel an die hierzu bestimmten Reichsgrafen zu vertheilen. Nun war aber seit Carolo Magno, oder auch etwas später, das reichsgesetzmäßige Herkommen, daß jederzeit die erste Schüssel von einem Schwaben, die zweite von einem Wetterauer, die dritte von einem Franken, und die vierte, und so allemal die letzte, von einem west- phälinger Grasen getragen werden mußte. Allein nach diesem Turnus hätte es sich getroffen, daß die siebenunddreißigste Schüssel, als die allerletzte, wieder aus einen schwäbischen Grafen gekommen wäre, worüber alle anwesenden Schwaben, denen doch sogar selbst bei einer allgemeinen deutschen Reichs- collegialschast zugekommen wäre, mit dem Se. Georgen-Schild voranzustehen, in den heftigsten Unwillen ausbrachen, während gleichwohl auch keine der an¬ deren Stände des Reichs dieser siebenunddreißigsten Schüssel sich annehmen wollte. Es schien nur wenig zu fehlen, daß es nicht gar zu einem bürgerlichen Reichsgrafenkrieg gekommen wäre. Die kaiserliche Hofküche schlug es geradezu ab, diese verwünschte siebenunddreißigste Schüssel etwa wegzulassen, welches ihr auch nicht zu verdenken war. weil sie sich darüber mit allen Küchenzetteln von Kaiser Nudolfus her auszuweisen vermochte. Endlich doch kam gleichsam wie vom Himmel her der geistreiche Einfall, aus dieser großen Schüssel vier klei-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/41>, abgerufen am 24.07.2024.