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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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seine hohe Gestalt sich ungemein stattlich ausnahm. Nach einer in Dänemark
herrschenden Sitte empfing ihn die Versammlung mit neunmal wiederholtem
Hoch. Sämmtliche Anwesende entblößten die Häupter. Hüte und Mützen
wurden geschwenkt, und die Damen wedelten mit den Taschentüchern.

Nachdem dieser EmpsangSsturm sich gelegt, trat aus der Mitte des Comites
der Schleswiger der frühere Abgeordnete der schleswigschen Ständeversammlung
B. Häutens ^'un. von Tating in Eiderstedt vor, um die Adresse zu verlesen.
Er leitete dieselbe mit einigen Worten ein, die vorzüglich die Freiwilligkeit des
Erscheinens der Schleswigs betonten und (nicht ohne guten Grund; denn die
feudalen Blätter werden ohne Zweifel wieder von künstlich hervorgebrachten
Kundgebungen faseln) jeden Gedanken abwies, daß äußere Einflüsse dasselbe
bewirkt. Die Adresse selbst sagte ungefähr Folgendes: Sofort nach der Be¬
freiung Schleswigs sende dasselbe seine Vertreter, die "gewählten Vertreter der
gesammten Bevölkerung", um dem Herzog zu huldigen und vor Gott und Men¬
schen Zeugniß abzulegen, daß man keinem Andern angehören, und daß das
Herzogthum Schleswig deutsch sein und bleiben wolle, unzertrennlich mit Hol¬
stein zum Einheitsstaat verbunden nach der Verfassung von 1848.

Ferner wurden die Leiden und Unbilden aufgezählt, welche die Schleswiger
in den letzten vierzehn Jahren erduldet, die Verfolgung der deutschen Sprache,
die Verstörung von Kirche und. Schule, die Bedrückung der Presse, die Willkür
der Vcnvaltungsbcamtcn und die Verweigerung des Rechtsschutzes, worauf es
weiter hieß: "Solcher Zustand verzehrt das Mark eines Volkes, aber Gott
selbst hat uns vor dem völligen Untergang bewahrt. Als er den König, unsern
Herzog, Friedrich den Siebenten abrief, da löste er jeden Zusammenhang zwischen
Schleswig-Holstein und Dänemark. Mochte den dänischen Thron besteigen, wer
da wollte, bei uns war nur das augustenburger Haus zur Erbfolge berufen.
Hatten auch fremde Mächte einer veränderten Thronfolge ihre Zustimmung er¬
theilt, so haben doch weder Ew. Hoheit auf Ihr Erbrecht verzichtet, noch hat
das Land darein gewilligt. Unmöglich konnte Ew. Hoheit gutes Recht und das
unsere beseitigt werden. Wir haben viel gelitten, weil unsre Väter vor vier
Jahrhunderten sich den Dänenkönig zum Herzog erkoren. Wir haben erfahren,
daß keine Verbriefung und keine Verträge uns und unser deutsches Recht schützen,
so lange wir mit Dänemark irgendwie verbunden find. Niemand soll uns jetzt
unsern angestammten Herzog und unser selbständiges Schleswig-Holstein rauben."

Zum Schluß hieß es: "Wohl wissen wir, daß das Ziel noch nicht erreicht
ist, Nicht wir selber haben die Dänen verjagt. Noch haben die Kriegsherren
der braven Soldaten, die ihr Blut opferten, nicht erklärt, daß dies für Deutsch¬
land und unser Recht geschehe, daß sie Schleswig-Holstein nun sich selbst und
seinem rechtmäßigen Landesherrn wiedergeben wollen. Wir wissen, daß zur
Verwirklichung unsres Rechts jeder alle seine Kräfte anzuspannen hat, und sind


seine hohe Gestalt sich ungemein stattlich ausnahm. Nach einer in Dänemark
herrschenden Sitte empfing ihn die Versammlung mit neunmal wiederholtem
Hoch. Sämmtliche Anwesende entblößten die Häupter. Hüte und Mützen
wurden geschwenkt, und die Damen wedelten mit den Taschentüchern.

Nachdem dieser EmpsangSsturm sich gelegt, trat aus der Mitte des Comites
der Schleswiger der frühere Abgeordnete der schleswigschen Ständeversammlung
B. Häutens ^'un. von Tating in Eiderstedt vor, um die Adresse zu verlesen.
Er leitete dieselbe mit einigen Worten ein, die vorzüglich die Freiwilligkeit des
Erscheinens der Schleswigs betonten und (nicht ohne guten Grund; denn die
feudalen Blätter werden ohne Zweifel wieder von künstlich hervorgebrachten
Kundgebungen faseln) jeden Gedanken abwies, daß äußere Einflüsse dasselbe
bewirkt. Die Adresse selbst sagte ungefähr Folgendes: Sofort nach der Be¬
freiung Schleswigs sende dasselbe seine Vertreter, die „gewählten Vertreter der
gesammten Bevölkerung", um dem Herzog zu huldigen und vor Gott und Men¬
schen Zeugniß abzulegen, daß man keinem Andern angehören, und daß das
Herzogthum Schleswig deutsch sein und bleiben wolle, unzertrennlich mit Hol¬
stein zum Einheitsstaat verbunden nach der Verfassung von 1848.

Ferner wurden die Leiden und Unbilden aufgezählt, welche die Schleswiger
in den letzten vierzehn Jahren erduldet, die Verfolgung der deutschen Sprache,
die Verstörung von Kirche und. Schule, die Bedrückung der Presse, die Willkür
der Vcnvaltungsbcamtcn und die Verweigerung des Rechtsschutzes, worauf es
weiter hieß: „Solcher Zustand verzehrt das Mark eines Volkes, aber Gott
selbst hat uns vor dem völligen Untergang bewahrt. Als er den König, unsern
Herzog, Friedrich den Siebenten abrief, da löste er jeden Zusammenhang zwischen
Schleswig-Holstein und Dänemark. Mochte den dänischen Thron besteigen, wer
da wollte, bei uns war nur das augustenburger Haus zur Erbfolge berufen.
Hatten auch fremde Mächte einer veränderten Thronfolge ihre Zustimmung er¬
theilt, so haben doch weder Ew. Hoheit auf Ihr Erbrecht verzichtet, noch hat
das Land darein gewilligt. Unmöglich konnte Ew. Hoheit gutes Recht und das
unsere beseitigt werden. Wir haben viel gelitten, weil unsre Väter vor vier
Jahrhunderten sich den Dänenkönig zum Herzog erkoren. Wir haben erfahren,
daß keine Verbriefung und keine Verträge uns und unser deutsches Recht schützen,
so lange wir mit Dänemark irgendwie verbunden find. Niemand soll uns jetzt
unsern angestammten Herzog und unser selbständiges Schleswig-Holstein rauben."

Zum Schluß hieß es: „Wohl wissen wir, daß das Ziel noch nicht erreicht
ist, Nicht wir selber haben die Dänen verjagt. Noch haben die Kriegsherren
der braven Soldaten, die ihr Blut opferten, nicht erklärt, daß dies für Deutsch¬
land und unser Recht geschehe, daß sie Schleswig-Holstein nun sich selbst und
seinem rechtmäßigen Landesherrn wiedergeben wollen. Wir wissen, daß zur
Verwirklichung unsres Rechts jeder alle seine Kräfte anzuspannen hat, und sind


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/406>, abgerufen am 24.07.2024.