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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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ihres Klosters bevorstand, da nach den bestehenden Gesetzen die Pension eines
Militärkaplans, welcher zufällig Ordenspriester war, nicht jenem, welcher diese
Pension sich erworben, sondern dem Vermögen seines Klosters zu Gute kommt.

Betrachtet man den Druck, welchen die katholische Kirche in Oestreich auf
die Bekenner anderer Konfessionen ausübte und noch ausübt, so muß man sich
überrascht fühlen, daß dem Bedürfnisse dieser anderen Confessionen gerade bei
der Armee in ziemlich ausgedehnter, wenn auch nicht gerade immer entsprechender
Weise Rechnung getragen wurde. Denn es befindet sich mindestens in jedem
Generalate ein Feldprediger helvetischer oder augsburgischer Confession (öfters
sind auch beide vertreten), bei den meisten Grenz- und ebenso bei mehrern
ungarischen Regimentern sind zwei, selbst drei Regimentskapläne (griechisch,
katholisch und reformirt) creirt und in der neuesten Zeit wurde sogar ein ehe¬
maliges Proviantmagazin in eine evangelische Garnisonskirche umgeschaffen!
Nur traf es sich leider gewöhnlich, daß diese Priester sich dort befanden, wo es
keine Soldaten ihrer Confession gab und umgekehrt, daher sie schließlich alljähr¬
lich eine Rundreise bei den Truppen des ganzen Generalates machen und hier¬
bei alle gottesdienstlichen Functionen versehen mußten. Es erinnerte dieser
Vorgang ganz an die in Amerika von einer Farm zur andern ziehenden Reise¬
prediger. Nur hier und da war man so klug, die Soldaten -- wenn auch nicht
wöchentlich -- so doch an den größeren Festtagen zu dem nächstbesindlichen
Priester ihrer Confession zu schicken. Dieses Auskunftsmittel hatte man schon
längst bei den Juden getroffen, daher denn die vor einigen Jahren vorgeschlagene
Creirung eines "Armee-Rabbiners", obgleich diese Idee der östreichischen Centra¬
lisationswuth alle Ehre gemacht haben würde, als überflüssig betrachtet und
keiner weitern Aufmerksamkeit gewürdigt wurde. Jedenfalls ist der Feldklerus
dasjenige militärische Institut, welches seit dem Jahre 1848 die geringsten Um¬
wandlungen erfahren hat. Seine Mitglieder haben nichts gewonnen, aber auch
nichts verloren.

Desto öfter ist eine andere Branche -- so lautet der amtliche Ausdruck
-- nämlich die feldärztliche Branche reorganisirt worden. Aber bei allen
diesen Verbesserungen und Veränderungen haben die östreichischen Militärärzte
nur wenig gewonnen, ja sie sind noch in mehr als einer Beziehung die Parias
der Armee. Es ist dieses auch leicht erklärlich. Denn bei dem Klerus, dem
Justiz- und theilweise auch bei dem Administrationspersonal kommt die Wissen¬
schaft nur insofern in Betracht, als die Erwerbung eines gewissen Maßes der¬
selben bei den für diese Aemter sich Vorbereitenden erforderlich ist. Ist aber
der Candidat einmal placirt. so ist die fernere geistige Ausbildung desselben
nur eine von seinem Belieben abhängige Sache und es kann die in möglichst
viele Rangsstufen gegliederte Maschinerie ohne alle Mühe und Störung im
Gange erhalten werden. Jeder rückt in aller Gemächlichkeit nach der Ancienne-


ihres Klosters bevorstand, da nach den bestehenden Gesetzen die Pension eines
Militärkaplans, welcher zufällig Ordenspriester war, nicht jenem, welcher diese
Pension sich erworben, sondern dem Vermögen seines Klosters zu Gute kommt.

Betrachtet man den Druck, welchen die katholische Kirche in Oestreich auf
die Bekenner anderer Konfessionen ausübte und noch ausübt, so muß man sich
überrascht fühlen, daß dem Bedürfnisse dieser anderen Confessionen gerade bei
der Armee in ziemlich ausgedehnter, wenn auch nicht gerade immer entsprechender
Weise Rechnung getragen wurde. Denn es befindet sich mindestens in jedem
Generalate ein Feldprediger helvetischer oder augsburgischer Confession (öfters
sind auch beide vertreten), bei den meisten Grenz- und ebenso bei mehrern
ungarischen Regimentern sind zwei, selbst drei Regimentskapläne (griechisch,
katholisch und reformirt) creirt und in der neuesten Zeit wurde sogar ein ehe¬
maliges Proviantmagazin in eine evangelische Garnisonskirche umgeschaffen!
Nur traf es sich leider gewöhnlich, daß diese Priester sich dort befanden, wo es
keine Soldaten ihrer Confession gab und umgekehrt, daher sie schließlich alljähr¬
lich eine Rundreise bei den Truppen des ganzen Generalates machen und hier¬
bei alle gottesdienstlichen Functionen versehen mußten. Es erinnerte dieser
Vorgang ganz an die in Amerika von einer Farm zur andern ziehenden Reise¬
prediger. Nur hier und da war man so klug, die Soldaten — wenn auch nicht
wöchentlich — so doch an den größeren Festtagen zu dem nächstbesindlichen
Priester ihrer Confession zu schicken. Dieses Auskunftsmittel hatte man schon
längst bei den Juden getroffen, daher denn die vor einigen Jahren vorgeschlagene
Creirung eines „Armee-Rabbiners", obgleich diese Idee der östreichischen Centra¬
lisationswuth alle Ehre gemacht haben würde, als überflüssig betrachtet und
keiner weitern Aufmerksamkeit gewürdigt wurde. Jedenfalls ist der Feldklerus
dasjenige militärische Institut, welches seit dem Jahre 1848 die geringsten Um¬
wandlungen erfahren hat. Seine Mitglieder haben nichts gewonnen, aber auch
nichts verloren.

Desto öfter ist eine andere Branche — so lautet der amtliche Ausdruck
— nämlich die feldärztliche Branche reorganisirt worden. Aber bei allen
diesen Verbesserungen und Veränderungen haben die östreichischen Militärärzte
nur wenig gewonnen, ja sie sind noch in mehr als einer Beziehung die Parias
der Armee. Es ist dieses auch leicht erklärlich. Denn bei dem Klerus, dem
Justiz- und theilweise auch bei dem Administrationspersonal kommt die Wissen¬
schaft nur insofern in Betracht, als die Erwerbung eines gewissen Maßes der¬
selben bei den für diese Aemter sich Vorbereitenden erforderlich ist. Ist aber
der Candidat einmal placirt. so ist die fernere geistige Ausbildung desselben
nur eine von seinem Belieben abhängige Sache und es kann die in möglichst
viele Rangsstufen gegliederte Maschinerie ohne alle Mühe und Störung im
Gange erhalten werden. Jeder rückt in aller Gemächlichkeit nach der Ancienne-


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[0396] ihres Klosters bevorstand, da nach den bestehenden Gesetzen die Pension eines Militärkaplans, welcher zufällig Ordenspriester war, nicht jenem, welcher diese Pension sich erworben, sondern dem Vermögen seines Klosters zu Gute kommt. Betrachtet man den Druck, welchen die katholische Kirche in Oestreich auf die Bekenner anderer Konfessionen ausübte und noch ausübt, so muß man sich überrascht fühlen, daß dem Bedürfnisse dieser anderen Confessionen gerade bei der Armee in ziemlich ausgedehnter, wenn auch nicht gerade immer entsprechender Weise Rechnung getragen wurde. Denn es befindet sich mindestens in jedem Generalate ein Feldprediger helvetischer oder augsburgischer Confession (öfters sind auch beide vertreten), bei den meisten Grenz- und ebenso bei mehrern ungarischen Regimentern sind zwei, selbst drei Regimentskapläne (griechisch, katholisch und reformirt) creirt und in der neuesten Zeit wurde sogar ein ehe¬ maliges Proviantmagazin in eine evangelische Garnisonskirche umgeschaffen! Nur traf es sich leider gewöhnlich, daß diese Priester sich dort befanden, wo es keine Soldaten ihrer Confession gab und umgekehrt, daher sie schließlich alljähr¬ lich eine Rundreise bei den Truppen des ganzen Generalates machen und hier¬ bei alle gottesdienstlichen Functionen versehen mußten. Es erinnerte dieser Vorgang ganz an die in Amerika von einer Farm zur andern ziehenden Reise¬ prediger. Nur hier und da war man so klug, die Soldaten — wenn auch nicht wöchentlich — so doch an den größeren Festtagen zu dem nächstbesindlichen Priester ihrer Confession zu schicken. Dieses Auskunftsmittel hatte man schon längst bei den Juden getroffen, daher denn die vor einigen Jahren vorgeschlagene Creirung eines „Armee-Rabbiners", obgleich diese Idee der östreichischen Centra¬ lisationswuth alle Ehre gemacht haben würde, als überflüssig betrachtet und keiner weitern Aufmerksamkeit gewürdigt wurde. Jedenfalls ist der Feldklerus dasjenige militärische Institut, welches seit dem Jahre 1848 die geringsten Um¬ wandlungen erfahren hat. Seine Mitglieder haben nichts gewonnen, aber auch nichts verloren. Desto öfter ist eine andere Branche — so lautet der amtliche Ausdruck — nämlich die feldärztliche Branche reorganisirt worden. Aber bei allen diesen Verbesserungen und Veränderungen haben die östreichischen Militärärzte nur wenig gewonnen, ja sie sind noch in mehr als einer Beziehung die Parias der Armee. Es ist dieses auch leicht erklärlich. Denn bei dem Klerus, dem Justiz- und theilweise auch bei dem Administrationspersonal kommt die Wissen¬ schaft nur insofern in Betracht, als die Erwerbung eines gewissen Maßes der¬ selben bei den für diese Aemter sich Vorbereitenden erforderlich ist. Ist aber der Candidat einmal placirt. so ist die fernere geistige Ausbildung desselben nur eine von seinem Belieben abhängige Sache und es kann die in möglichst viele Rangsstufen gegliederte Maschinerie ohne alle Mühe und Störung im Gange erhalten werden. Jeder rückt in aller Gemächlichkeit nach der Ancienne-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/396>, abgerufen am 24.07.2024.