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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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bei Jagel und Obersclk mit großer Bravour geschlagen. Sie haben hier so
kräftig wie die Preußen bei Missunde und sogar etwas erfolgreicher demon-
sirirt. Die Schanzen bei Bustorf und vor dem Friedrichsberg aber hätten sie
menschlicher Berechnung zufolge niemals genommen.

Und nun die weiteren Blätter meiner Aufzeichnungen nach eigner Beob¬
achtung.

Nach unsrer Entlassung durch
den General in der bolmer Mühle -- er hieß beiläufig v. Dobrzenski -- eilten
wir so rasch als möglich dem befreiten Schleswig zu, um der Siegesfeier und
der Proclamation des Herzogs Friedrich beizuwohnen. Vergebens, die wackern
Bürger der alten Schleistadt waren zu prompt und energisch verfahren. Die
Proclamation war besorgt, die Beamtenabsetzung und der Exodus aller däni¬
schen Schächer schon in vollem Gange, als wir ankamen. Indeß erlebte man
noch immer Erzählenswerthes.

Doch greifen wir zunächst nicht über die Tour von Holm nach Schleswig
hinaus. Nachdem wir in dem großen, trotz der Überschwemmung der Gegend
mit Truppen wohl versehenen Wirthshaus von Güby dem Bedürfniß Rechnung
getragen, welches das vierundzwanzigstündige Fasten in der "geschlossenen Ge¬
sellschaft" hervorgerufen, und Leib und Seele wieder gehörig zusammenhielten,
wurde der Rest des Weges nach Schleswig trotz des tiefen Schnees der Straße
bald zurückgelegt, hätte uns dabei nicht eine Schwadron östreichischer Dragoner
begegnet, so wäre man in der ersten Stunde kaum erinnert worden, daß man
auf dem Schauplatz eines Krieges hinwanderte. Weiterhin wurde dies allmälig
anders. Bei Fahrdorf sahen wir Spuren der Stellung, von wo die Oestreicher
Tags vorher den Mevenberg und die dänische Batterie auf der Freiheit be¬
schossen. Dann erschien das langgedehnte Schleswig mit Schloß Gottorf im
Winterkleids und die eisbedeckte Schlei zur Rechten, während zur Linken das
heller Noor und darüber im Westen die Wälle der Oldenburg sichtbar wurden.
Der weiße Winterhimmel, die blendende Schneedecke der Landschaft mit ihrer
nur durch die schwarzen Streifen von Hecken unterbrochner Monotonie hinder¬
ten scharfe Beobachtung, Nur mit Anstrengung erkannte man rechts auf der
Eisfläche vor dem Bollfluß die Kanten der kleinen Schanze auf dem Meven¬
berg. Deutlicher waren die Fahnen zu sehen, welche von der Domkirche und
einem andern Thurm der Altstadt sowie vom Kirchthurm im Friedrichsberg
wehten.

Auf dem Damm, welcher die Chaussee zwischen der Schlei und dem heller
Noor hindurchführt, fanden wir die Reste eines dänischen Verhaus, gefällte
Bäume und spanische Reiter. In Haddeby. dem letzten Dorfe vor Schleswig,
zeigten die Häuser häufige Spuren stattgehabter Gefechte, eingeschlagne Fenster
Schießscharten, durch Aushebung von Dachziegeln hervorgebracht u. d. in.


bei Jagel und Obersclk mit großer Bravour geschlagen. Sie haben hier so
kräftig wie die Preußen bei Missunde und sogar etwas erfolgreicher demon-
sirirt. Die Schanzen bei Bustorf und vor dem Friedrichsberg aber hätten sie
menschlicher Berechnung zufolge niemals genommen.

Und nun die weiteren Blätter meiner Aufzeichnungen nach eigner Beob¬
achtung.

Nach unsrer Entlassung durch
den General in der bolmer Mühle — er hieß beiläufig v. Dobrzenski — eilten
wir so rasch als möglich dem befreiten Schleswig zu, um der Siegesfeier und
der Proclamation des Herzogs Friedrich beizuwohnen. Vergebens, die wackern
Bürger der alten Schleistadt waren zu prompt und energisch verfahren. Die
Proclamation war besorgt, die Beamtenabsetzung und der Exodus aller däni¬
schen Schächer schon in vollem Gange, als wir ankamen. Indeß erlebte man
noch immer Erzählenswerthes.

Doch greifen wir zunächst nicht über die Tour von Holm nach Schleswig
hinaus. Nachdem wir in dem großen, trotz der Überschwemmung der Gegend
mit Truppen wohl versehenen Wirthshaus von Güby dem Bedürfniß Rechnung
getragen, welches das vierundzwanzigstündige Fasten in der „geschlossenen Ge¬
sellschaft" hervorgerufen, und Leib und Seele wieder gehörig zusammenhielten,
wurde der Rest des Weges nach Schleswig trotz des tiefen Schnees der Straße
bald zurückgelegt, hätte uns dabei nicht eine Schwadron östreichischer Dragoner
begegnet, so wäre man in der ersten Stunde kaum erinnert worden, daß man
auf dem Schauplatz eines Krieges hinwanderte. Weiterhin wurde dies allmälig
anders. Bei Fahrdorf sahen wir Spuren der Stellung, von wo die Oestreicher
Tags vorher den Mevenberg und die dänische Batterie auf der Freiheit be¬
schossen. Dann erschien das langgedehnte Schleswig mit Schloß Gottorf im
Winterkleids und die eisbedeckte Schlei zur Rechten, während zur Linken das
heller Noor und darüber im Westen die Wälle der Oldenburg sichtbar wurden.
Der weiße Winterhimmel, die blendende Schneedecke der Landschaft mit ihrer
nur durch die schwarzen Streifen von Hecken unterbrochner Monotonie hinder¬
ten scharfe Beobachtung, Nur mit Anstrengung erkannte man rechts auf der
Eisfläche vor dem Bollfluß die Kanten der kleinen Schanze auf dem Meven¬
berg. Deutlicher waren die Fahnen zu sehen, welche von der Domkirche und
einem andern Thurm der Altstadt sowie vom Kirchthurm im Friedrichsberg
wehten.

Auf dem Damm, welcher die Chaussee zwischen der Schlei und dem heller
Noor hindurchführt, fanden wir die Reste eines dänischen Verhaus, gefällte
Bäume und spanische Reiter. In Haddeby. dem letzten Dorfe vor Schleswig,
zeigten die Häuser häufige Spuren stattgehabter Gefechte, eingeschlagne Fenster
Schießscharten, durch Aushebung von Dachziegeln hervorgebracht u. d. in.


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[0389] bei Jagel und Obersclk mit großer Bravour geschlagen. Sie haben hier so kräftig wie die Preußen bei Missunde und sogar etwas erfolgreicher demon- sirirt. Die Schanzen bei Bustorf und vor dem Friedrichsberg aber hätten sie menschlicher Berechnung zufolge niemals genommen. Und nun die weiteren Blätter meiner Aufzeichnungen nach eigner Beob¬ achtung. Nach unsrer Entlassung durch den General in der bolmer Mühle — er hieß beiläufig v. Dobrzenski — eilten wir so rasch als möglich dem befreiten Schleswig zu, um der Siegesfeier und der Proclamation des Herzogs Friedrich beizuwohnen. Vergebens, die wackern Bürger der alten Schleistadt waren zu prompt und energisch verfahren. Die Proclamation war besorgt, die Beamtenabsetzung und der Exodus aller däni¬ schen Schächer schon in vollem Gange, als wir ankamen. Indeß erlebte man noch immer Erzählenswerthes. Doch greifen wir zunächst nicht über die Tour von Holm nach Schleswig hinaus. Nachdem wir in dem großen, trotz der Überschwemmung der Gegend mit Truppen wohl versehenen Wirthshaus von Güby dem Bedürfniß Rechnung getragen, welches das vierundzwanzigstündige Fasten in der „geschlossenen Ge¬ sellschaft" hervorgerufen, und Leib und Seele wieder gehörig zusammenhielten, wurde der Rest des Weges nach Schleswig trotz des tiefen Schnees der Straße bald zurückgelegt, hätte uns dabei nicht eine Schwadron östreichischer Dragoner begegnet, so wäre man in der ersten Stunde kaum erinnert worden, daß man auf dem Schauplatz eines Krieges hinwanderte. Weiterhin wurde dies allmälig anders. Bei Fahrdorf sahen wir Spuren der Stellung, von wo die Oestreicher Tags vorher den Mevenberg und die dänische Batterie auf der Freiheit be¬ schossen. Dann erschien das langgedehnte Schleswig mit Schloß Gottorf im Winterkleids und die eisbedeckte Schlei zur Rechten, während zur Linken das heller Noor und darüber im Westen die Wälle der Oldenburg sichtbar wurden. Der weiße Winterhimmel, die blendende Schneedecke der Landschaft mit ihrer nur durch die schwarzen Streifen von Hecken unterbrochner Monotonie hinder¬ ten scharfe Beobachtung, Nur mit Anstrengung erkannte man rechts auf der Eisfläche vor dem Bollfluß die Kanten der kleinen Schanze auf dem Meven¬ berg. Deutlicher waren die Fahnen zu sehen, welche von der Domkirche und einem andern Thurm der Altstadt sowie vom Kirchthurm im Friedrichsberg wehten. Auf dem Damm, welcher die Chaussee zwischen der Schlei und dem heller Noor hindurchführt, fanden wir die Reste eines dänischen Verhaus, gefällte Bäume und spanische Reiter. In Haddeby. dem letzten Dorfe vor Schleswig, zeigten die Häuser häufige Spuren stattgehabter Gefechte, eingeschlagne Fenster Schießscharten, durch Aushebung von Dachziegeln hervorgebracht u. d. in.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/389>, abgerufen am 24.07.2024.