Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.meister gegen den Gesetzentwurf manche Bedenken hatten, so entschied man sich Es bedarf jetzt nur noch einer Umstimmung der Landschaft auf einem Entrüstet erklärte Herr Pogge nach Vorlesung des Beschlusses der Ritter¬ Die Unterdrückungs- und Beraübungsgelüste, wie sie sich in den hier meister gegen den Gesetzentwurf manche Bedenken hatten, so entschied man sich Es bedarf jetzt nur noch einer Umstimmung der Landschaft auf einem Entrüstet erklärte Herr Pogge nach Vorlesung des Beschlusses der Ritter¬ Die Unterdrückungs- und Beraübungsgelüste, wie sie sich in den hier <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0384" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116850"/> <p xml:id="ID_1160" prev="#ID_1159"> meister gegen den Gesetzentwurf manche Bedenken hatten, so entschied man sich<lb/> für eine gesonderte Beschlußfassung beider Stände. Die Ritterschaft ertheilte<lb/> darauf, mit 30 gegen 6 Stimmen, dem Antrage der Mehrheit des Comite<lb/> ihre Zustimmung, indem sie daran nur noch die Bedingung knüpfte, daß der<lb/> Verurtheilte über den ihm zuständigen Recurs an das Ministerium des Innern<lb/> von dem Polizeirichter nach Verkündigung des Urtheils belehrt und daß das<lb/> Ministerium des Innern ermächtigt werde, je nach seinem Ermessen die Sache<lb/> zur gerichtlichen Verhandlung zu verweisen. Die Landschaft dagegen lehnte den<lb/> Gesetzentwurf ab, theils weil ein Bedürfniß dazu nicht vorliege, besonders aber<lb/> deshalb, weil darin der Grundsatz ausgesprochen sei, daß der Gutsherr auch<lb/> in Fällen, wo sein eigenes Interesse in Betracht komme, die Sache selbst unter¬<lb/> suchen und entscheiden könne.</p><lb/> <p xml:id="ID_1161"> Es bedarf jetzt nur noch einer Umstimmung der Landschaft auf einem<lb/> folgenden Landtage, welche bei der vielfach abhängigen Stellung der Bürger¬<lb/> meister gar nicht zu den Unmöglichkeiten gehört, und die Prügelei der Tage¬<lb/> löhner und ihrer Weiber durch die ritterlichen kleinen Herrn des Landes nimmt<lb/> unter der Gutheißung und dem Schutze des Gesetzes ihren Anfang.</p><lb/> <p xml:id="ID_1162"> Entrüstet erklärte Herr Pogge nach Vorlesung des Beschlusses der Ritter¬<lb/> schaft: hoffentlich werde man im Lande aus dieser Verhandlung den Schluß<lb/> ziehen, daß Mecklenburg sein Staatsgrundgeseß von 1849 und seine Abgeordneten<lb/> von damals her wiedersahen müsse, woraus ihm höhnisches Gelächter aus dem<lb/> Schoße der Versammlung antwortete.</p><lb/> <p xml:id="ID_1163" next="#ID_1164"> Die Unterdrückungs- und Beraübungsgelüste, wie sie sich in den hier<lb/> vorgeführten Projecten der Factoren der Gesetzgebung ankündigen, werden nur<lb/> dazu dienen, die ohnehin schon so dünn und fort und fort durch Auswanderung<lb/> sich lichtende Bevölkerung des von der Natur mit so großer Fruchtbarkeit aus¬<lb/> gestatteten Landes noch weiter zu verscheuchen. Wie es schon jetzt mit der Aus¬<lb/> wanderung in Mecklenburg steht und welche Dimensionen sie angenommen<lb/> hat, davon hat kürzlich ein Geistlicher der Landeskirche, Pastor Schliemann<lb/> zu Gorschendorf, in einer mecklenburgischen Zeitschrift ein aus den Kreisen<lb/> seiner nächsten Umgebung und aus seiner eigenen Erfahrung geschöpftes, lehrreiches<lb/> Miniaturbild geliefert. Seine kleine Gemeinde umfaßt nur 393 Seelen. Von<lb/> diesen sind während eines zwölfjährigen Zeitraumes, von 1831 bis 1862, nicht<lb/> weniger als 165 Personen fast sämmtlich nach den Vereinigten Staaten von<lb/> Nordamerika ausgewandert, und es ist vorläufig noch gar kein Ende dieses<lb/> starken Zuges zur Auswanderung in der Gemeinde abzusehen. Zu Michaelis<lb/> 1863 hatten schon wieder drei Tagelöhnerfamilien mit zusammen Is Personen<lb/> zum Zwecke der Auswanderung gekündigt. Von den zu der Gemeinde gehörigen<lb/> Ortschaften zeichnete sich durch ein besonders starkes Auswanderercontingent<lb/> das im Besitz des Herzogs Georg von Mecklenburg-Strelitz befindliche ritter-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0384]
meister gegen den Gesetzentwurf manche Bedenken hatten, so entschied man sich
für eine gesonderte Beschlußfassung beider Stände. Die Ritterschaft ertheilte
darauf, mit 30 gegen 6 Stimmen, dem Antrage der Mehrheit des Comite
ihre Zustimmung, indem sie daran nur noch die Bedingung knüpfte, daß der
Verurtheilte über den ihm zuständigen Recurs an das Ministerium des Innern
von dem Polizeirichter nach Verkündigung des Urtheils belehrt und daß das
Ministerium des Innern ermächtigt werde, je nach seinem Ermessen die Sache
zur gerichtlichen Verhandlung zu verweisen. Die Landschaft dagegen lehnte den
Gesetzentwurf ab, theils weil ein Bedürfniß dazu nicht vorliege, besonders aber
deshalb, weil darin der Grundsatz ausgesprochen sei, daß der Gutsherr auch
in Fällen, wo sein eigenes Interesse in Betracht komme, die Sache selbst unter¬
suchen und entscheiden könne.
Es bedarf jetzt nur noch einer Umstimmung der Landschaft auf einem
folgenden Landtage, welche bei der vielfach abhängigen Stellung der Bürger¬
meister gar nicht zu den Unmöglichkeiten gehört, und die Prügelei der Tage¬
löhner und ihrer Weiber durch die ritterlichen kleinen Herrn des Landes nimmt
unter der Gutheißung und dem Schutze des Gesetzes ihren Anfang.
Entrüstet erklärte Herr Pogge nach Vorlesung des Beschlusses der Ritter¬
schaft: hoffentlich werde man im Lande aus dieser Verhandlung den Schluß
ziehen, daß Mecklenburg sein Staatsgrundgeseß von 1849 und seine Abgeordneten
von damals her wiedersahen müsse, woraus ihm höhnisches Gelächter aus dem
Schoße der Versammlung antwortete.
Die Unterdrückungs- und Beraübungsgelüste, wie sie sich in den hier
vorgeführten Projecten der Factoren der Gesetzgebung ankündigen, werden nur
dazu dienen, die ohnehin schon so dünn und fort und fort durch Auswanderung
sich lichtende Bevölkerung des von der Natur mit so großer Fruchtbarkeit aus¬
gestatteten Landes noch weiter zu verscheuchen. Wie es schon jetzt mit der Aus¬
wanderung in Mecklenburg steht und welche Dimensionen sie angenommen
hat, davon hat kürzlich ein Geistlicher der Landeskirche, Pastor Schliemann
zu Gorschendorf, in einer mecklenburgischen Zeitschrift ein aus den Kreisen
seiner nächsten Umgebung und aus seiner eigenen Erfahrung geschöpftes, lehrreiches
Miniaturbild geliefert. Seine kleine Gemeinde umfaßt nur 393 Seelen. Von
diesen sind während eines zwölfjährigen Zeitraumes, von 1831 bis 1862, nicht
weniger als 165 Personen fast sämmtlich nach den Vereinigten Staaten von
Nordamerika ausgewandert, und es ist vorläufig noch gar kein Ende dieses
starken Zuges zur Auswanderung in der Gemeinde abzusehen. Zu Michaelis
1863 hatten schon wieder drei Tagelöhnerfamilien mit zusammen Is Personen
zum Zwecke der Auswanderung gekündigt. Von den zu der Gemeinde gehörigen
Ortschaften zeichnete sich durch ein besonders starkes Auswanderercontingent
das im Besitz des Herzogs Georg von Mecklenburg-Strelitz befindliche ritter-
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