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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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ihm durch die beiden mecklenburgischen Staatsregierungen vorgelegt worden.
Es handelte sich dabei um Feststellung der Competenz der ritterschaftlichen Patri-
monialgerichte gegenüber der gutsobrigkeitlichen Polizeigewalt in Fällen von
Dienstvergehen der Gutsleute. Ein Gesetzentwurf, betreffend die Bestrafung der
Dienstvergehen der Gutsleute in den ritterschaftlichen Gütern, welcher die Be¬
seitigung der hierüber auch bei den Landesgerichten obwaltende Verschiedenheit
der Ansicht bezweckte, hatte bereits dem Landtage von 1862 vorgelegen, war
aber von diesem abgelehnt worden und erschien nun von Neuem in unveränderter
Gestalt auf dem Landtage von 1863. Die wesentlichen Bestimmungen desselben
waren: die Untersuchung und Bestrafung der Dienstvergehen der Gutsleute
in den ritterschaftlichen Gütern -- und zwar nicht blos der Dienstboten allein,
sondern auch der auf dem Gute wohnenden, verheiratheten Tagelöhner und ihrer
Familienmitglieder, so wie der daselbst in Tagelohn oderAAccord arbeitenden aus¬
wärtigen Arbeiter -- auch der eigenmächtigen Entweichung aus dem Dienste ist
eine polizeiliche, soweit es sich dabei nicht um eigentliche Verbrechen oder um
solche Fälle handelt, die zur Ausmachung im Wege des Civilproccsses geeignet
sind. Auf Antrag des Gutsherrn kann jedoch auch eine nichtcriminelle gerichtliche
Untersuchung und Bestrafung solcher Dienstvergehen eintreten. Beleidigungen
gegen den Gutsherrn oder ein Mitglied seiner Familie sind immer gerichtlich
zu bestrafen. Es steht zum Ermessen der Gutsobrigkeit, entweder der polizei¬
lichen Untersuchung und Bestrafung der bezeichneten Dienstvergehen sich selbst
zu unterziehen oder dieselben auf Grund einer contractlichen Uebertragung der
gutspolizeilichen Strafgewalt auf das Patrimonialgericht oder den Justitiar
diesen zuzuweisen. Gegen die polizeilichen Decrete findet ein Recurs an das
Ministerium des Innern statt.

Die Majorität des mit der Prüfung dieses Gesetzentwurfes beauftragten
ComitS, bestehend aus sämmtlichen ritterschaftlichen Mitgliedern desselben und
zwei Bürgermeistern, Hofrath Wulffleff aus Sternberg und Berlin aus Fried¬
land, war vollkommen mit der proponirtcn Gesetzgebung einverstanden, und
hielt es nur für erforderlich, das Gesetz noch mit einigen Bestimmungen über
die Art und das Maß der zu erkennenden polizeilichen Strafen auszustatten.
Nach dem Antrage des Comite sollte dem Gutsherrn als dem Träger der Poli¬
zeigewalt das Recht beigelegt werden, in Fällen, wo Vorstellungen. Ermah¬
nungen und Verweise nichts ausrichten, auf Geldbußen bis zu fünf Thlr., aus
Gefängniß bis zu einer Woche und auf körperliche Züchtigung bis zu
fünfzehn Hieben zu erkennen.

Der Gutsherr würde also durch das Gesetz ermächtigt werden sollen, unter
Zuziehung eines Actuars. wozu er seinen Inspector oder Schulmeister oder
irgend eine andere in seinen Diensten stehende und von ihm abhängige Person
wählen kann, wegen jeder Handlung, die auf ihn den Eindruck eines Dienst-


ihm durch die beiden mecklenburgischen Staatsregierungen vorgelegt worden.
Es handelte sich dabei um Feststellung der Competenz der ritterschaftlichen Patri-
monialgerichte gegenüber der gutsobrigkeitlichen Polizeigewalt in Fällen von
Dienstvergehen der Gutsleute. Ein Gesetzentwurf, betreffend die Bestrafung der
Dienstvergehen der Gutsleute in den ritterschaftlichen Gütern, welcher die Be¬
seitigung der hierüber auch bei den Landesgerichten obwaltende Verschiedenheit
der Ansicht bezweckte, hatte bereits dem Landtage von 1862 vorgelegen, war
aber von diesem abgelehnt worden und erschien nun von Neuem in unveränderter
Gestalt auf dem Landtage von 1863. Die wesentlichen Bestimmungen desselben
waren: die Untersuchung und Bestrafung der Dienstvergehen der Gutsleute
in den ritterschaftlichen Gütern — und zwar nicht blos der Dienstboten allein,
sondern auch der auf dem Gute wohnenden, verheiratheten Tagelöhner und ihrer
Familienmitglieder, so wie der daselbst in Tagelohn oderAAccord arbeitenden aus¬
wärtigen Arbeiter — auch der eigenmächtigen Entweichung aus dem Dienste ist
eine polizeiliche, soweit es sich dabei nicht um eigentliche Verbrechen oder um
solche Fälle handelt, die zur Ausmachung im Wege des Civilproccsses geeignet
sind. Auf Antrag des Gutsherrn kann jedoch auch eine nichtcriminelle gerichtliche
Untersuchung und Bestrafung solcher Dienstvergehen eintreten. Beleidigungen
gegen den Gutsherrn oder ein Mitglied seiner Familie sind immer gerichtlich
zu bestrafen. Es steht zum Ermessen der Gutsobrigkeit, entweder der polizei¬
lichen Untersuchung und Bestrafung der bezeichneten Dienstvergehen sich selbst
zu unterziehen oder dieselben auf Grund einer contractlichen Uebertragung der
gutspolizeilichen Strafgewalt auf das Patrimonialgericht oder den Justitiar
diesen zuzuweisen. Gegen die polizeilichen Decrete findet ein Recurs an das
Ministerium des Innern statt.

Die Majorität des mit der Prüfung dieses Gesetzentwurfes beauftragten
ComitS, bestehend aus sämmtlichen ritterschaftlichen Mitgliedern desselben und
zwei Bürgermeistern, Hofrath Wulffleff aus Sternberg und Berlin aus Fried¬
land, war vollkommen mit der proponirtcn Gesetzgebung einverstanden, und
hielt es nur für erforderlich, das Gesetz noch mit einigen Bestimmungen über
die Art und das Maß der zu erkennenden polizeilichen Strafen auszustatten.
Nach dem Antrage des Comite sollte dem Gutsherrn als dem Träger der Poli¬
zeigewalt das Recht beigelegt werden, in Fällen, wo Vorstellungen. Ermah¬
nungen und Verweise nichts ausrichten, auf Geldbußen bis zu fünf Thlr., aus
Gefängniß bis zu einer Woche und auf körperliche Züchtigung bis zu
fünfzehn Hieben zu erkennen.

Der Gutsherr würde also durch das Gesetz ermächtigt werden sollen, unter
Zuziehung eines Actuars. wozu er seinen Inspector oder Schulmeister oder
irgend eine andere in seinen Diensten stehende und von ihm abhängige Person
wählen kann, wegen jeder Handlung, die auf ihn den Eindruck eines Dienst-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/381>, abgerufen am 24.07.2024.