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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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wird. Abgetreten ist es demnach an den damaligen König von Dänemark und
seine Erbfolger innerhalb seiner Linie, nicht aber ist es principiell mit dem
dänischen Throne verknüpft, und nicht kann es allen Wechselfällen dänischer
Thronstreitigkeiten, allen Willküracten der Diplomatie in dieser Beziehung zu
unterliegen verpflichtet sein. Gerade in dem vorliegenden Falle, wo die gesammte
Linie des Königs Friedrich des Sechsten ausgestorben ist, tritt die Differenz
zwischen jenen beiden Ackerstücken scharf hervor. Sehr treffend sagt Hälschner
in der vortrefflichen Schrift "Das Recht Deutschlands im Streite mit Däne¬
mark (Bonn, 1863)" darüber Folgendes.

"Für Lauenburg gilt unzweifelhaft die agnatische Mann-Lehnsfolge. Man
kann daher den König Christian den Neunten von Dänemark als Herzog von
Lauenburg nur dann anerkennen, wenn man annehmen will, daß 1816, als Preußen
das Herzogthum Lauenburg an den König von Dänemark abtrat und dafür
schwedisch-Pommern und Rügen erhielt, der Verfassungszustand Lauenburgs
insoweit geändert worden sei, daß jetzt auch hier das dänische Königsgesetz
Geltung erhalten habe und 1833 durch das neue dänische Thronsolgegesetz
ersetzt worden sei.

Aber der König von Dänemark hat bei der Besitzergreifung Lauenburgs
ausdrücklich versprochen, die Landesverfassung aufrecht zu halten; er hat der
alten lauenburgischen Ritterschaft und Landschaft, welche 1585 mit ihren Für¬
sten das Landesgrundgesetz errichtete, und bis heute besteht, ihre Rechte und
Privilegien bestätigt; er hat am Bundestage erklärt, daß er Lauenburg fort¬
während als ein "eignes deutsches" (also nicht dänisches) Herzogthum be¬
trachten werde.

Wem ist es je eingefallen zu behaupten, daß, als der Kurfürst von Braun-
schweig-Lüneburg zugleich König von England wurde, England seine eigne Thron¬
folgeordnung verloren habe, und daß die braunschweigische an deren Stelle ge¬
treten sei. Ebenso wenn Art. 27 der wiener Congreßacte sagt, daß der Kö¬
nig von Preußen Hildesheim abtrete a, 3. N. 1s rc>1 ein ro^anus: um Ah 1a
Org-nah LretaZue et ü'Irlauäö, roi ä'ÜMllovrs, xvur vers xoL8<M xar L.
et Los sueessseurs, kann doch niemand behaupten, daß darum die englische
Thronfolgeordnung auf Hildesheim übergegangen sei, und daß Hildesheim mit
England hätte vereinigt bleiben müssen, als dort der Weiberstamm succedirte,
der in den deutschen Ländern des hannoverschen Hauses durch den Manns¬
stamm von der Succession ausgeschlossen ist.

Nur in dem Falle, daß Ritterschaft und Landschaft des Herzogtums Lauen¬
burg die dänische Thronsolgeordnung auch für ihr Land angenommen hätten,
würde Christian der Neunte mit Recht in Lauenburg succediren können. Die¬
ser Fall liegt aber nicht vor, da jene Annahme nie erfolgt ist."

So ist es also dreifach erwiesen, daß König Christian der Neunte von


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wird. Abgetreten ist es demnach an den damaligen König von Dänemark und
seine Erbfolger innerhalb seiner Linie, nicht aber ist es principiell mit dem
dänischen Throne verknüpft, und nicht kann es allen Wechselfällen dänischer
Thronstreitigkeiten, allen Willküracten der Diplomatie in dieser Beziehung zu
unterliegen verpflichtet sein. Gerade in dem vorliegenden Falle, wo die gesammte
Linie des Königs Friedrich des Sechsten ausgestorben ist, tritt die Differenz
zwischen jenen beiden Ackerstücken scharf hervor. Sehr treffend sagt Hälschner
in der vortrefflichen Schrift „Das Recht Deutschlands im Streite mit Däne¬
mark (Bonn, 1863)" darüber Folgendes.

„Für Lauenburg gilt unzweifelhaft die agnatische Mann-Lehnsfolge. Man
kann daher den König Christian den Neunten von Dänemark als Herzog von
Lauenburg nur dann anerkennen, wenn man annehmen will, daß 1816, als Preußen
das Herzogthum Lauenburg an den König von Dänemark abtrat und dafür
schwedisch-Pommern und Rügen erhielt, der Verfassungszustand Lauenburgs
insoweit geändert worden sei, daß jetzt auch hier das dänische Königsgesetz
Geltung erhalten habe und 1833 durch das neue dänische Thronsolgegesetz
ersetzt worden sei.

Aber der König von Dänemark hat bei der Besitzergreifung Lauenburgs
ausdrücklich versprochen, die Landesverfassung aufrecht zu halten; er hat der
alten lauenburgischen Ritterschaft und Landschaft, welche 1585 mit ihren Für¬
sten das Landesgrundgesetz errichtete, und bis heute besteht, ihre Rechte und
Privilegien bestätigt; er hat am Bundestage erklärt, daß er Lauenburg fort¬
während als ein „eignes deutsches" (also nicht dänisches) Herzogthum be¬
trachten werde.

Wem ist es je eingefallen zu behaupten, daß, als der Kurfürst von Braun-
schweig-Lüneburg zugleich König von England wurde, England seine eigne Thron¬
folgeordnung verloren habe, und daß die braunschweigische an deren Stelle ge¬
treten sei. Ebenso wenn Art. 27 der wiener Congreßacte sagt, daß der Kö¬
nig von Preußen Hildesheim abtrete a, 3. N. 1s rc>1 ein ro^anus: um Ah 1a
Org-nah LretaZue et ü'Irlauäö, roi ä'ÜMllovrs, xvur vers xoL8<M xar L.
et Los sueessseurs, kann doch niemand behaupten, daß darum die englische
Thronfolgeordnung auf Hildesheim übergegangen sei, und daß Hildesheim mit
England hätte vereinigt bleiben müssen, als dort der Weiberstamm succedirte,
der in den deutschen Ländern des hannoverschen Hauses durch den Manns¬
stamm von der Succession ausgeschlossen ist.

Nur in dem Falle, daß Ritterschaft und Landschaft des Herzogtums Lauen¬
burg die dänische Thronsolgeordnung auch für ihr Land angenommen hätten,
würde Christian der Neunte mit Recht in Lauenburg succediren können. Die¬
ser Fall liegt aber nicht vor, da jene Annahme nie erfolgt ist."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/37>, abgerufen am 24.07.2024.