Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.'in. fragte sich selbst laut: "Wie viele sind's?" zählte uns mit dem Zeigefinger Unsre AnHaltung war in der Ordnung, aber der Herr General hätte schwer¬ Wir waren jetzt in aller Form Gefangne. Der Lieutenant -- er und seine Tausend Schritt von der Stelle, wo General Dormns uns so kurz und 'in. fragte sich selbst laut: „Wie viele sind's?" zählte uns mit dem Zeigefinger Unsre AnHaltung war in der Ordnung, aber der Herr General hätte schwer¬ Wir waren jetzt in aller Form Gefangne. Der Lieutenant — er und seine Tausend Schritt von der Stelle, wo General Dormns uns so kurz und <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0347" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116813"/> <p xml:id="ID_1048" prev="#ID_1047"> 'in. fragte sich selbst laut: „Wie viele sind's?" zählte uns mit dem Zeigefinger<lb/> ab: „Eins— —drei--acht," drehte sich nach dem Kürassierlieutenant<lb/> um und sagte: „Ich übergebe Sie Ihnen," womit dieser Act der Tragikomödie<lb/> ein Ende hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1049"> Unsre AnHaltung war in der Ordnung, aber der Herr General hätte schwer¬<lb/> lich gegen die Ordnung und ganz gewiß nicht gegen die Gebote der Humanität<lb/> gefehlt, wenn er uns mit zwei Worten gesagt, daß die Maßregel eine Noth¬<lb/> wendigfeit, seine Strafe sei und daß sie von kurzer Dauer sein werde.</p><lb/> <p xml:id="ID_1050"> Wir waren jetzt in aller Form Gefangne. Der Lieutenant — er und seine<lb/> Leute waren vom 4. westphälischen Kürassierregiment — ritt vor. commandirte<lb/> „Pistol auf!" zog selbst einen kleinen Revolver aus der Halfter, zeigte ihn<lb/> uns mit möglichst martialischem Blick und sagte: „Meine Herren, ich mache Sie<lb/> darauf aufmerksam, daß meine Leute für den Fall, daß einer von Ihnen An¬<lb/> stalt macht, sich zu entfernen, Befehl haben, auf ihn zu schießen." Der mög¬<lb/> lichst martialische Blick war in-Wirklichkeit nicht sehr martialisch. Der Lieutnant<lb/> — er führte den zarten Namen v. Lilien — war im Gesicht wie Milch<lb/> und Blut, und mir wollte scheinen, als ob sich unter dem kleinen blonden<lb/> Schnurrbärtchen eher so etwas wie ein unwillkürliches Lächeln, als der Ausdruck<lb/> blutdürstiger Energie herumbewcge. Urkomisch kam mir daber unsre Situation<lb/> vor. als wir zwischen den gepanzerten Reitern auf der Chaussee weitermarschirten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1051"> Tausend Schritt von der Stelle, wo General Dormns uns so kurz und<lb/> bündig abgefertigt, bog der Lieutenant von der Straße nach dem Dörfchen Holm<lb/> ab. Wir hinterher, die Pistolen der beiden Kürassiere im Rücken. Bei einem<lb/> der ersten Häuser wurde Halt gemacht. Der Lieutenant stieg ab, führte uns<lb/> über die mit Stroh bestreute Tenne in die Doms des Hofbesitzers und stellte<lb/> uns eine Wache an die Thür, welche auf ihr Pistol ein Zündhütchen aufsetzen<lb/> mußte. Einer der Herrn versuchte mit dem Offizier zu Parlamentiren, natürlich<lb/> ohne Erfolg. Doch erlangten wir von dem letzteren die Zusage, er werde ohne<lb/> Verzug zu seinem Commandeur Oberstlieutenant v. Schmidt nach Kösel reiten<lb/> und uns bei demselben melden. Vielleicht gäbe derselbe uns frei. Einen Augen¬<lb/> blick waren wir sogar nahe daran, aus der dumpfigen, ärmlichen und ziemlich<lb/> schmutzigen Bauernstube in die Wohnung des benachbarten Müllers umquartiert<lb/> zu werden. Einer unsrer Gefährten, ein Herr Roß, Bruder des Philologen<lb/> und früher hier als Gutsbesitzer angesessen, berief sich auf den Müller, derselbe<lb/> wurde geholt und erkannte ihn sofort als ehemaligen Nachbar, und der Lieute¬<lb/> nant schien nicht abgeneigt, uns zu Herrn Risum (so hieß der Besitzer des<lb/> Mühlenguts) übersiedeln zu lassen. Indeß zerschlug sich das Project, ich weiß<lb/> nicht, woran, der Offizier ritt weg, und als er wieder-kam, hatte er zwar unser<lb/> Befreiungsdecret nicht mitgebracht, wohl aber eine Hiobspost, die um so übler<lb/> klang, als sie erst wie die Erfüllung unseres zuletzt erwähnten Begehrens lautete.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0347]
'in. fragte sich selbst laut: „Wie viele sind's?" zählte uns mit dem Zeigefinger
ab: „Eins— —drei--acht," drehte sich nach dem Kürassierlieutenant
um und sagte: „Ich übergebe Sie Ihnen," womit dieser Act der Tragikomödie
ein Ende hatte.
Unsre AnHaltung war in der Ordnung, aber der Herr General hätte schwer¬
lich gegen die Ordnung und ganz gewiß nicht gegen die Gebote der Humanität
gefehlt, wenn er uns mit zwei Worten gesagt, daß die Maßregel eine Noth¬
wendigfeit, seine Strafe sei und daß sie von kurzer Dauer sein werde.
Wir waren jetzt in aller Form Gefangne. Der Lieutenant — er und seine
Leute waren vom 4. westphälischen Kürassierregiment — ritt vor. commandirte
„Pistol auf!" zog selbst einen kleinen Revolver aus der Halfter, zeigte ihn
uns mit möglichst martialischem Blick und sagte: „Meine Herren, ich mache Sie
darauf aufmerksam, daß meine Leute für den Fall, daß einer von Ihnen An¬
stalt macht, sich zu entfernen, Befehl haben, auf ihn zu schießen." Der mög¬
lichst martialische Blick war in-Wirklichkeit nicht sehr martialisch. Der Lieutnant
— er führte den zarten Namen v. Lilien — war im Gesicht wie Milch
und Blut, und mir wollte scheinen, als ob sich unter dem kleinen blonden
Schnurrbärtchen eher so etwas wie ein unwillkürliches Lächeln, als der Ausdruck
blutdürstiger Energie herumbewcge. Urkomisch kam mir daber unsre Situation
vor. als wir zwischen den gepanzerten Reitern auf der Chaussee weitermarschirten.
Tausend Schritt von der Stelle, wo General Dormns uns so kurz und
bündig abgefertigt, bog der Lieutenant von der Straße nach dem Dörfchen Holm
ab. Wir hinterher, die Pistolen der beiden Kürassiere im Rücken. Bei einem
der ersten Häuser wurde Halt gemacht. Der Lieutenant stieg ab, führte uns
über die mit Stroh bestreute Tenne in die Doms des Hofbesitzers und stellte
uns eine Wache an die Thür, welche auf ihr Pistol ein Zündhütchen aufsetzen
mußte. Einer der Herrn versuchte mit dem Offizier zu Parlamentiren, natürlich
ohne Erfolg. Doch erlangten wir von dem letzteren die Zusage, er werde ohne
Verzug zu seinem Commandeur Oberstlieutenant v. Schmidt nach Kösel reiten
und uns bei demselben melden. Vielleicht gäbe derselbe uns frei. Einen Augen¬
blick waren wir sogar nahe daran, aus der dumpfigen, ärmlichen und ziemlich
schmutzigen Bauernstube in die Wohnung des benachbarten Müllers umquartiert
zu werden. Einer unsrer Gefährten, ein Herr Roß, Bruder des Philologen
und früher hier als Gutsbesitzer angesessen, berief sich auf den Müller, derselbe
wurde geholt und erkannte ihn sofort als ehemaligen Nachbar, und der Lieute¬
nant schien nicht abgeneigt, uns zu Herrn Risum (so hieß der Besitzer des
Mühlenguts) übersiedeln zu lassen. Indeß zerschlug sich das Project, ich weiß
nicht, woran, der Offizier ritt weg, und als er wieder-kam, hatte er zwar unser
Befreiungsdecret nicht mitgebracht, wohl aber eine Hiobspost, die um so übler
klang, als sie erst wie die Erfüllung unseres zuletzt erwähnten Begehrens lautete.
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