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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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fangenschaft der Dänen gesandt zu haben. Andern Angaben zufolge hatte er
die Stellung der Preußen zwischen Louisenlund und Missunde ausgekundschaftet
und an den Feind verrathen. Jetzt sollte er, so hieß es, den Lohn für solchen
Späherdienst erhalten, und das Gerücht hiervon hatte Massen von Soldaten
und Volk um die Koppel versammelt, wo die Hinrichtung stattfinden sollte
Indeß blieb es bei dem Gerücht, und allmälig verlief sich die Menge. Da
gegen vernahm man von zwölf bis gegen drei Uhr eine lebhaft Kanonade
von der Gegend Schleswigs her, bei welcher sehr schwere Geschütze engagirt
sein mußten. Es war, wie man später hörte, der Artilleriekampf zwischen den
Oestreichern und den Dänen am westlichen Ende der Schlei, durch welchen die
Batterien der letzteren auf dem Mövenberg und der Freiheit bei Schleswig
stumm gemacht wurden.

Nach Tische wurde ein Versuch unternommen, die anderthalb Stunden ent¬
fernte äußerste Postenkette der Preußen bei Kösel und Ornum zu besuchen und
einen Ueberblick über die dänischen Schanzen bei Missunde und über den Schau¬
platz des letzten hier stattgehabten Gefechts zu gewinnen. Vergeblich, schon auf
der Hälfte des Wegs erfuhr ich, daß die Wachen Civilisten nur in das Dorf
Kösel, aber nicht mehr auf den hochgelegenen Kirchhof desselben ließen, und
bei Ornum mein Heil zu versuchen, erschien noch weit bedenklicher, nachdem
mir ein Eckernförder, dessen Bekanntschaft ich zwischen Altona und Kiel gemacht,
und dem ich jetzt zu meiner Freude wieder begegnete, die kaum glaublichen, hier
vorläufig nicht untheilbaren Abenteuer erzählt hatte, welche er in der Macht¬
sphäre des Majors v. Krohn erlebt.

Nach Eckernförde zurückgekehrt, hörte ich auf dem Kirchhof die letzten Worte
der Rede, mit welcher der Feldpater eines westphälischen Regiments einen Kanonier
der reitenden Artillerie, welcher in dem Treffen bei Missunde gefallen, ins Grab
legte. Der Todte -- es war der erste, den ich in diesem Feldzug sah -- lag
in seinem Soldatenmantel auf einem Bret, eine Stückkugel hatte ihm die ganze
rechte Brust eingeschlagen, so daß die Lunge zu sehen war. Offiziere, Unteroffiziere
und Gemeine standen um die offne Grube. Ich hörte die Worte des Geistlichen:
"Du, unser Bruder, liegst nicht in fremder Erde, sondern in deutschem Boden
und du bist für die Befreiung deutschen Landes gefallen." Ein Unteroffizier
sah sich nach mir um und sagte, Thränen in den Augen: "Hörten Sie das?
Ist das nicht eine schöne Rede?" Ich nickte und nahm seine Hand. "Ja,"
sagte er, als wir dem Todten seine drei Würfe Erde mitgegeben, "diesmal
wird's anders, das mögen Sie glauben. Unsre Prinzen werden sich nicht mi߬
brauchen lassen, und auch unser König ist der guten Sache gewogner, als die
Holsteiner meinen."

Abends waren wir im großen Saal der "Stadt Hamurg", wo ein fröh¬
liches Treiben herrschte. Allerlei preußische Uniformen, jüngere und ältere Offiziere


fangenschaft der Dänen gesandt zu haben. Andern Angaben zufolge hatte er
die Stellung der Preußen zwischen Louisenlund und Missunde ausgekundschaftet
und an den Feind verrathen. Jetzt sollte er, so hieß es, den Lohn für solchen
Späherdienst erhalten, und das Gerücht hiervon hatte Massen von Soldaten
und Volk um die Koppel versammelt, wo die Hinrichtung stattfinden sollte
Indeß blieb es bei dem Gerücht, und allmälig verlief sich die Menge. Da
gegen vernahm man von zwölf bis gegen drei Uhr eine lebhaft Kanonade
von der Gegend Schleswigs her, bei welcher sehr schwere Geschütze engagirt
sein mußten. Es war, wie man später hörte, der Artilleriekampf zwischen den
Oestreichern und den Dänen am westlichen Ende der Schlei, durch welchen die
Batterien der letzteren auf dem Mövenberg und der Freiheit bei Schleswig
stumm gemacht wurden.

Nach Tische wurde ein Versuch unternommen, die anderthalb Stunden ent¬
fernte äußerste Postenkette der Preußen bei Kösel und Ornum zu besuchen und
einen Ueberblick über die dänischen Schanzen bei Missunde und über den Schau¬
platz des letzten hier stattgehabten Gefechts zu gewinnen. Vergeblich, schon auf
der Hälfte des Wegs erfuhr ich, daß die Wachen Civilisten nur in das Dorf
Kösel, aber nicht mehr auf den hochgelegenen Kirchhof desselben ließen, und
bei Ornum mein Heil zu versuchen, erschien noch weit bedenklicher, nachdem
mir ein Eckernförder, dessen Bekanntschaft ich zwischen Altona und Kiel gemacht,
und dem ich jetzt zu meiner Freude wieder begegnete, die kaum glaublichen, hier
vorläufig nicht untheilbaren Abenteuer erzählt hatte, welche er in der Macht¬
sphäre des Majors v. Krohn erlebt.

Nach Eckernförde zurückgekehrt, hörte ich auf dem Kirchhof die letzten Worte
der Rede, mit welcher der Feldpater eines westphälischen Regiments einen Kanonier
der reitenden Artillerie, welcher in dem Treffen bei Missunde gefallen, ins Grab
legte. Der Todte — es war der erste, den ich in diesem Feldzug sah — lag
in seinem Soldatenmantel auf einem Bret, eine Stückkugel hatte ihm die ganze
rechte Brust eingeschlagen, so daß die Lunge zu sehen war. Offiziere, Unteroffiziere
und Gemeine standen um die offne Grube. Ich hörte die Worte des Geistlichen:
„Du, unser Bruder, liegst nicht in fremder Erde, sondern in deutschem Boden
und du bist für die Befreiung deutschen Landes gefallen." Ein Unteroffizier
sah sich nach mir um und sagte, Thränen in den Augen: „Hörten Sie das?
Ist das nicht eine schöne Rede?" Ich nickte und nahm seine Hand. „Ja,"
sagte er, als wir dem Todten seine drei Würfe Erde mitgegeben, „diesmal
wird's anders, das mögen Sie glauben. Unsre Prinzen werden sich nicht mi߬
brauchen lassen, und auch unser König ist der guten Sache gewogner, als die
Holsteiner meinen."

Abends waren wir im großen Saal der „Stadt Hamurg", wo ein fröh¬
liches Treiben herrschte. Allerlei preußische Uniformen, jüngere und ältere Offiziere


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/341>, abgerufen am 24.07.2024.