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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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gesetzbuch und uhn- die Bildung von Handelsgerichten, mehre Wochen lang kam
sie nicht mehr auf Schleswig-Holstein zurück, als ob das Gefühl des Gegensatzes,
in welchem die hochtönenden Worte vom N). Jan. mit der Wirklichkeit standen,
ihr Schweigen auferlegte, erst am 13, Febr. wagte sich wieder die erste Jnter¬
pellation hervor. Doch war inzwischen der Finanzcvmmissivn Gelegenheit ge¬
geben, den Gegenstand von einer in ihr Bereich fallenden Seite näher zu
prüfe". Am 3. Febr. hatte nämlich das Finanzministerium die Kammer mit
einer Vorlage überrascht, worin ihr die Bewilligung von anderthalb Millionen
zur Bestreitung außerordentlicher Ausgaben sür das Departement des Aeußern
und das Kriegsministerium angesonnen wurde. Ein Theil davon betraf die
Matricularumlagc für die Bundesexecution, der größere Theil aber Anschaf¬
fungen zur Vorbereitung einer etwaigen Mobilmachung. Verwundert rieben
sich die Abgeordneten die Augen. Soeben hatten sie selbst die Mobilmachung
beantragt, und darauf waren sie belehrt worden, daß dies eine bloße Demon¬
stration wäre. Rasch nahmen die Ereignisse eine Wendung, welche die Mittel¬
staaten thatsächlich bei Seite schob, und nun kam die Regierung selbst und stellte
die Eventualität einer Mobilisirung? Wie reimte sich daS? Waren die Mittel¬
städten also doch nicht gesonnen, sich schweigend dem Verfahren der Großmächte
zu beugen, hatten sie doch Pläne, zu deren Ausführung das Aufgebot ihrer
militärischen Kräfte in Aussicht genommen werden mußte? Allerdings lautete
die Auskunft, welche die Regierung auf die Anfragen der Commission ertheilte,
dahin, daß Verabredungen über eine gemeinsame Haltung zwischen den mittleren
Staaten schweben. Aber diese Verabredungen stießen offenbar auf beträchtliche
Schwierigkeiten, auf große Eile schien es keinen Falls abgesehen, und am
wenigsten waren die Verschleppungen der Erbfolgefrage, auf deren Lösung durch
die Mehrheitsstaaten man immer vertröstet hatte, geeignet, für eine Geldver-
willigung zu voraussichtlich demonstrativen Zwecken günstig zu stimmen. Die
Ministerconferenzen, welche nun endlich in dieser Woche zusammentreten sollen,
werden erst über die Absichten der Mittelstciatcn einiges Licht verbreiten, von
ihrem Ergebniß wird auch das Schicksal jener Exigenz abhängen, welche bis
jetzt nur geringe Aussicht hat im Plenum durchzudringen.

Mitten in die Ernüchterung, welche unter diesen Umständen unvermeidlich
war. sielen einige hartnäckige Wahlkämpfe, welche nach anderer Seite das öffent¬
liche Interesse in Anspruch nahmen. Vier Sitze in der Abgeordnetenkammer,
darunter der für die Residenzstadt, waren nachträglich neu zu besetzen. In allen
vier Bezirken siegte die Fortschritspartei, so daß diese Seite des Hauses eine
bei den jetzigen Stimmverhältnissen nicht unwesentliche Verstärkung erhält. Am
bedeutendsten war der Erfolg in der Residenzstadt, wo der Wahlkampf eine
ungewöhnlich tiefgehende Bewegung hervorgerufen hatte. Der Gewählte ist
Finanzrath Zeller, Bruder des bekannten Theologen, ein durch seine gediegenen


gesetzbuch und uhn- die Bildung von Handelsgerichten, mehre Wochen lang kam
sie nicht mehr auf Schleswig-Holstein zurück, als ob das Gefühl des Gegensatzes,
in welchem die hochtönenden Worte vom N). Jan. mit der Wirklichkeit standen,
ihr Schweigen auferlegte, erst am 13, Febr. wagte sich wieder die erste Jnter¬
pellation hervor. Doch war inzwischen der Finanzcvmmissivn Gelegenheit ge¬
geben, den Gegenstand von einer in ihr Bereich fallenden Seite näher zu
prüfe». Am 3. Febr. hatte nämlich das Finanzministerium die Kammer mit
einer Vorlage überrascht, worin ihr die Bewilligung von anderthalb Millionen
zur Bestreitung außerordentlicher Ausgaben sür das Departement des Aeußern
und das Kriegsministerium angesonnen wurde. Ein Theil davon betraf die
Matricularumlagc für die Bundesexecution, der größere Theil aber Anschaf¬
fungen zur Vorbereitung einer etwaigen Mobilmachung. Verwundert rieben
sich die Abgeordneten die Augen. Soeben hatten sie selbst die Mobilmachung
beantragt, und darauf waren sie belehrt worden, daß dies eine bloße Demon¬
stration wäre. Rasch nahmen die Ereignisse eine Wendung, welche die Mittel¬
staaten thatsächlich bei Seite schob, und nun kam die Regierung selbst und stellte
die Eventualität einer Mobilisirung? Wie reimte sich daS? Waren die Mittel¬
städten also doch nicht gesonnen, sich schweigend dem Verfahren der Großmächte
zu beugen, hatten sie doch Pläne, zu deren Ausführung das Aufgebot ihrer
militärischen Kräfte in Aussicht genommen werden mußte? Allerdings lautete
die Auskunft, welche die Regierung auf die Anfragen der Commission ertheilte,
dahin, daß Verabredungen über eine gemeinsame Haltung zwischen den mittleren
Staaten schweben. Aber diese Verabredungen stießen offenbar auf beträchtliche
Schwierigkeiten, auf große Eile schien es keinen Falls abgesehen, und am
wenigsten waren die Verschleppungen der Erbfolgefrage, auf deren Lösung durch
die Mehrheitsstaaten man immer vertröstet hatte, geeignet, für eine Geldver-
willigung zu voraussichtlich demonstrativen Zwecken günstig zu stimmen. Die
Ministerconferenzen, welche nun endlich in dieser Woche zusammentreten sollen,
werden erst über die Absichten der Mittelstciatcn einiges Licht verbreiten, von
ihrem Ergebniß wird auch das Schicksal jener Exigenz abhängen, welche bis
jetzt nur geringe Aussicht hat im Plenum durchzudringen.

Mitten in die Ernüchterung, welche unter diesen Umständen unvermeidlich
war. sielen einige hartnäckige Wahlkämpfe, welche nach anderer Seite das öffent¬
liche Interesse in Anspruch nahmen. Vier Sitze in der Abgeordnetenkammer,
darunter der für die Residenzstadt, waren nachträglich neu zu besetzen. In allen
vier Bezirken siegte die Fortschritspartei, so daß diese Seite des Hauses eine
bei den jetzigen Stimmverhältnissen nicht unwesentliche Verstärkung erhält. Am
bedeutendsten war der Erfolg in der Residenzstadt, wo der Wahlkampf eine
ungewöhnlich tiefgehende Bewegung hervorgerufen hatte. Der Gewählte ist
Finanzrath Zeller, Bruder des bekannten Theologen, ein durch seine gediegenen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/331>, abgerufen am 24.07.2024.