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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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sich seit den Erfahrungen der letzten fünfzehn Jahre zu einem erbitterten Haß
gegen Dänemark gesteigert. Der empörende Druck, der auf beiden Herzog--
thümeru, namentlich aber auf Schleswig lastete, ist bekannt. Die Rohheit,
mit der jedes edlere Gefühl von den dänischen Gewalthabern unterdrückt und
mißhandelt wurde, trägt jetzt ihre Früchte. Wer sich während der letzten Jahre
als Werkzeug des herrschenden Systems hat gebrauchen lassen, ist der allgemeinen
Verachtung verfallen. Dazu kommen die Ereignisse der neuesten Zeit seit dem
Tode Friedrichs des Siebenten. Es ist völlig undenkbar, wie nach solchen
Vorgängen.beide Volksstämme wieder unter demselben Fürsten friedlich neben
einander sollen leben können. Die Wiederherstellung des Friedens unter ihnen
ist nur dadurch möglich, daß sie sich vollständig von einander trennen.

Wie die Schleswig-Holsteiner von Dänemark sich abgestoßen fühlen, so
fühlen sie sich zu Deutschland hingezogen.

Das gesammte geistige Leben der Herzogtümer hat seine Wurzeln in
Deutschland. Nicht allein die Sprache, auch die gesammte Bildung ist deutsch.
Unter den deutschen Universitäten hat Kiel stets einen geachteten Namen be¬
hauptet und die deutsche Wissenschaft nennt uns unter ihren Größen mehr
als einen Eingebornen der Herzogthümer -- wir brauchen keine Namen zu
nennen.

Die dänische Cultur, die in allen ihren wesentlichen Richtungen sich an
deutsche Vorbilder anlehnt, steht unbedingt tiefer als die deutsche und wird nie¬
mals im Stande sein, die höhere deutsche Bildung in den Herzogthümern zu
beherrschen oder zu unterdrücken.

Aehnlich ist es mit den materiellen Interessen. Auch diese weisen die
Herzogthümer nach dem Süden. Hamburg ist der Mittelpunkt ihres Verkehrs,
nicht Kopenhagen.

Dazu kommt in neuerer Zeit die Annäherung an Deutschland, die durch
die politischen Ereignisse veranlaßt ist. Je lebhaftere Unterstützung und Theil¬
nahme die Schleswig-Holsteiner in Deutschland finden, desto mehr wachsen sie
mit demselben zusammen. Jedes Votum in den deutschen Kammern knüpft das
Band enger; die Mehrzahl der deutschen Regierungen steht bereits auf demselben
Boden und wenn jetzt deutsche Heere von Neuem für die Rechte der Herzog¬
thümer kämpfen sollen, so kann dies unmöglich geschehen, um diese deutschen
Lande von Neuem in irgend einer Form unter dänische Herrschaft zu bringen.
Wie man auch in einer wiederhergestellten Personalunion die Rechte und Frei¬
heiten der Herzogthümer vcrclausuliren mag, es ist ganz unmöglich, die nöthigen
Garantien dafür zu schaffen, daß diese Bedingungen gehalten werden. Die
Ereignisse der letzten zwölf Jahre sind in dieser Beziehung sehr lehrreich. Selbst
wenn es gelingen sollte, Rendsburg zu einer deutschen Bundesfestung zu machen,
so ist doch nicht abzusehen, welche Garantie eine deutsche Besatzung in Reuth-


sich seit den Erfahrungen der letzten fünfzehn Jahre zu einem erbitterten Haß
gegen Dänemark gesteigert. Der empörende Druck, der auf beiden Herzog--
thümeru, namentlich aber auf Schleswig lastete, ist bekannt. Die Rohheit,
mit der jedes edlere Gefühl von den dänischen Gewalthabern unterdrückt und
mißhandelt wurde, trägt jetzt ihre Früchte. Wer sich während der letzten Jahre
als Werkzeug des herrschenden Systems hat gebrauchen lassen, ist der allgemeinen
Verachtung verfallen. Dazu kommen die Ereignisse der neuesten Zeit seit dem
Tode Friedrichs des Siebenten. Es ist völlig undenkbar, wie nach solchen
Vorgängen.beide Volksstämme wieder unter demselben Fürsten friedlich neben
einander sollen leben können. Die Wiederherstellung des Friedens unter ihnen
ist nur dadurch möglich, daß sie sich vollständig von einander trennen.

Wie die Schleswig-Holsteiner von Dänemark sich abgestoßen fühlen, so
fühlen sie sich zu Deutschland hingezogen.

Das gesammte geistige Leben der Herzogtümer hat seine Wurzeln in
Deutschland. Nicht allein die Sprache, auch die gesammte Bildung ist deutsch.
Unter den deutschen Universitäten hat Kiel stets einen geachteten Namen be¬
hauptet und die deutsche Wissenschaft nennt uns unter ihren Größen mehr
als einen Eingebornen der Herzogthümer — wir brauchen keine Namen zu
nennen.

Die dänische Cultur, die in allen ihren wesentlichen Richtungen sich an
deutsche Vorbilder anlehnt, steht unbedingt tiefer als die deutsche und wird nie¬
mals im Stande sein, die höhere deutsche Bildung in den Herzogthümern zu
beherrschen oder zu unterdrücken.

Aehnlich ist es mit den materiellen Interessen. Auch diese weisen die
Herzogthümer nach dem Süden. Hamburg ist der Mittelpunkt ihres Verkehrs,
nicht Kopenhagen.

Dazu kommt in neuerer Zeit die Annäherung an Deutschland, die durch
die politischen Ereignisse veranlaßt ist. Je lebhaftere Unterstützung und Theil¬
nahme die Schleswig-Holsteiner in Deutschland finden, desto mehr wachsen sie
mit demselben zusammen. Jedes Votum in den deutschen Kammern knüpft das
Band enger; die Mehrzahl der deutschen Regierungen steht bereits auf demselben
Boden und wenn jetzt deutsche Heere von Neuem für die Rechte der Herzog¬
thümer kämpfen sollen, so kann dies unmöglich geschehen, um diese deutschen
Lande von Neuem in irgend einer Form unter dänische Herrschaft zu bringen.
Wie man auch in einer wiederhergestellten Personalunion die Rechte und Frei¬
heiten der Herzogthümer vcrclausuliren mag, es ist ganz unmöglich, die nöthigen
Garantien dafür zu schaffen, daß diese Bedingungen gehalten werden. Die
Ereignisse der letzten zwölf Jahre sind in dieser Beziehung sehr lehrreich. Selbst
wenn es gelingen sollte, Rendsburg zu einer deutschen Bundesfestung zu machen,
so ist doch nicht abzusehen, welche Garantie eine deutsche Besatzung in Reuth-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/325>, abgerufen am 04.07.2024.