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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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Wenig bedeutend ist eine Anzahl von Tänzen und Märschen, die letzteren
meist zu verschiedenen Zeiten in Bilden auf Veranlassung des Erzherzogs An¬
ton geschrieben.

Sehr bemerkenswerth aber sind drei Stücke zu einem patriotischen Drama
Leonore Prohaska aus den Zeiten der Freiheitskriege, ein Kriegerchor,
eine Romanze, und ein Melodrama mit Harmonikabegleitung, leider, wie auch
die übrigen Sätze, sehr kurz.

Wenig bedeutend sind dagegen einige Gelegenheitscompositiouen, ein Hoch-
zeitslied für Gianastasi v del Rio vom Januar'1819, und früher eine
sehr heitere italienische Cantate mit Pianofortebegleitung zum Geburtsfest
seines Arztes Malfatti, sowie eine Abschi eoscantate für einen Freund,
den Magistratsrath Tusch er für drei Männerstimmen. Ihre Veröffentlichung
würde nur beweisen, was auch schon so bekannt ist, daß Beethoven in dem
Sinne kein glücklicher Gelegenheitscomponist war, als die äußere Veranlassung
nicht ausreichte, weder ihn zu inspiriren, noch ihm die Arbeit flüssig zu machen.
Es ist bezeichnend, daß er für diese nach Inhalt, Form und Umfang wenig
erheblichen Stücke Entwürfe und Skizzen in Menge niedergeschrieben hat, wie
für große Arbeiten. Und nach der andern Seite hin ist es charakteristisch, daß
der schöne, tief empfundene elegische Gesang (Op. 118), welchen er auf die
"verklärte Gemahlin seines verehrten Freundes Pasqualati" componirte,
um dieselbe Zeit mit jenen Gelegcnhcitscompositionen, im Jahre 1814, ge¬
schrieben ist, von denen er sich so sehr unterscheidet, weil Beethoven hier inner¬
lich betheiligt war.

Einer wenig späteren Zeit gehört auch eine Reihe jedenfalls interessanter
kleiner Compositionen an. Die Wiederaufnahme des Fidelio im Jahre 1814
hatte Beethoven die Neigung Opern zu schreiben wieder lebendig gemacht. Es
ist ein Irrthum, wenn man annimmt, der ungünstige Erfolg der ersten Oper
hätte Beethoven so verstimmt, daß er der dramaiiscben Thätigkeit für immer
entsagt hätte. Vielmehr hat er bald nachher und später wiederholt 'mehr oder
weniger ernstlich gemeinte Pläne für Opern gefaßt und Gegenstand wie Text¬
buch war mehr als einmal schon bestimmt. Nach dem Fidelio sollte es zunächst
Romulus von Treitschke sein, daneben aber kam Beethoven auf den Ge¬
danken, eine italienische Oper zu schreiben. Zur Vorbereitung auf dieselbe wollte
er sich zunächst in Geist und Weise italienischer Poesie und Musik einleben
und für sich eine Schule der Beschränkung auf die harmloseste Einfachheit des
musikalischen Ausdrucks und leichte Sangbarkeit durchmachen. Zu diesem Zweck
lieh er sich am 26. Juli 1814 Metastasios Werke und componirte eine Reihe
seiner anmuthigen Strophen, wie sie ihn bei der Lectüre ansprachen, für zwei,
drei oder vier Stimmen ohne Begleitung, die meisten derselben mehrfach.
Diese kleinen Lieder, in knapper Form, deren eine beträchtliche Anzahl zu


Wenig bedeutend ist eine Anzahl von Tänzen und Märschen, die letzteren
meist zu verschiedenen Zeiten in Bilden auf Veranlassung des Erzherzogs An¬
ton geschrieben.

Sehr bemerkenswerth aber sind drei Stücke zu einem patriotischen Drama
Leonore Prohaska aus den Zeiten der Freiheitskriege, ein Kriegerchor,
eine Romanze, und ein Melodrama mit Harmonikabegleitung, leider, wie auch
die übrigen Sätze, sehr kurz.

Wenig bedeutend sind dagegen einige Gelegenheitscompositiouen, ein Hoch-
zeitslied für Gianastasi v del Rio vom Januar'1819, und früher eine
sehr heitere italienische Cantate mit Pianofortebegleitung zum Geburtsfest
seines Arztes Malfatti, sowie eine Abschi eoscantate für einen Freund,
den Magistratsrath Tusch er für drei Männerstimmen. Ihre Veröffentlichung
würde nur beweisen, was auch schon so bekannt ist, daß Beethoven in dem
Sinne kein glücklicher Gelegenheitscomponist war, als die äußere Veranlassung
nicht ausreichte, weder ihn zu inspiriren, noch ihm die Arbeit flüssig zu machen.
Es ist bezeichnend, daß er für diese nach Inhalt, Form und Umfang wenig
erheblichen Stücke Entwürfe und Skizzen in Menge niedergeschrieben hat, wie
für große Arbeiten. Und nach der andern Seite hin ist es charakteristisch, daß
der schöne, tief empfundene elegische Gesang (Op. 118), welchen er auf die
„verklärte Gemahlin seines verehrten Freundes Pasqualati" componirte,
um dieselbe Zeit mit jenen Gelegcnhcitscompositionen, im Jahre 1814, ge¬
schrieben ist, von denen er sich so sehr unterscheidet, weil Beethoven hier inner¬
lich betheiligt war.

Einer wenig späteren Zeit gehört auch eine Reihe jedenfalls interessanter
kleiner Compositionen an. Die Wiederaufnahme des Fidelio im Jahre 1814
hatte Beethoven die Neigung Opern zu schreiben wieder lebendig gemacht. Es
ist ein Irrthum, wenn man annimmt, der ungünstige Erfolg der ersten Oper
hätte Beethoven so verstimmt, daß er der dramaiiscben Thätigkeit für immer
entsagt hätte. Vielmehr hat er bald nachher und später wiederholt 'mehr oder
weniger ernstlich gemeinte Pläne für Opern gefaßt und Gegenstand wie Text¬
buch war mehr als einmal schon bestimmt. Nach dem Fidelio sollte es zunächst
Romulus von Treitschke sein, daneben aber kam Beethoven auf den Ge¬
danken, eine italienische Oper zu schreiben. Zur Vorbereitung auf dieselbe wollte
er sich zunächst in Geist und Weise italienischer Poesie und Musik einleben
und für sich eine Schule der Beschränkung auf die harmloseste Einfachheit des
musikalischen Ausdrucks und leichte Sangbarkeit durchmachen. Zu diesem Zweck
lieh er sich am 26. Juli 1814 Metastasios Werke und componirte eine Reihe
seiner anmuthigen Strophen, wie sie ihn bei der Lectüre ansprachen, für zwei,
drei oder vier Stimmen ohne Begleitung, die meisten derselben mehrfach.
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[0315] Wenig bedeutend ist eine Anzahl von Tänzen und Märschen, die letzteren meist zu verschiedenen Zeiten in Bilden auf Veranlassung des Erzherzogs An¬ ton geschrieben. Sehr bemerkenswerth aber sind drei Stücke zu einem patriotischen Drama Leonore Prohaska aus den Zeiten der Freiheitskriege, ein Kriegerchor, eine Romanze, und ein Melodrama mit Harmonikabegleitung, leider, wie auch die übrigen Sätze, sehr kurz. Wenig bedeutend sind dagegen einige Gelegenheitscompositiouen, ein Hoch- zeitslied für Gianastasi v del Rio vom Januar'1819, und früher eine sehr heitere italienische Cantate mit Pianofortebegleitung zum Geburtsfest seines Arztes Malfatti, sowie eine Abschi eoscantate für einen Freund, den Magistratsrath Tusch er für drei Männerstimmen. Ihre Veröffentlichung würde nur beweisen, was auch schon so bekannt ist, daß Beethoven in dem Sinne kein glücklicher Gelegenheitscomponist war, als die äußere Veranlassung nicht ausreichte, weder ihn zu inspiriren, noch ihm die Arbeit flüssig zu machen. Es ist bezeichnend, daß er für diese nach Inhalt, Form und Umfang wenig erheblichen Stücke Entwürfe und Skizzen in Menge niedergeschrieben hat, wie für große Arbeiten. Und nach der andern Seite hin ist es charakteristisch, daß der schöne, tief empfundene elegische Gesang (Op. 118), welchen er auf die „verklärte Gemahlin seines verehrten Freundes Pasqualati" componirte, um dieselbe Zeit mit jenen Gelegcnhcitscompositionen, im Jahre 1814, ge¬ schrieben ist, von denen er sich so sehr unterscheidet, weil Beethoven hier inner¬ lich betheiligt war. Einer wenig späteren Zeit gehört auch eine Reihe jedenfalls interessanter kleiner Compositionen an. Die Wiederaufnahme des Fidelio im Jahre 1814 hatte Beethoven die Neigung Opern zu schreiben wieder lebendig gemacht. Es ist ein Irrthum, wenn man annimmt, der ungünstige Erfolg der ersten Oper hätte Beethoven so verstimmt, daß er der dramaiiscben Thätigkeit für immer entsagt hätte. Vielmehr hat er bald nachher und später wiederholt 'mehr oder weniger ernstlich gemeinte Pläne für Opern gefaßt und Gegenstand wie Text¬ buch war mehr als einmal schon bestimmt. Nach dem Fidelio sollte es zunächst Romulus von Treitschke sein, daneben aber kam Beethoven auf den Ge¬ danken, eine italienische Oper zu schreiben. Zur Vorbereitung auf dieselbe wollte er sich zunächst in Geist und Weise italienischer Poesie und Musik einleben und für sich eine Schule der Beschränkung auf die harmloseste Einfachheit des musikalischen Ausdrucks und leichte Sangbarkeit durchmachen. Zu diesem Zweck lieh er sich am 26. Juli 1814 Metastasios Werke und componirte eine Reihe seiner anmuthigen Strophen, wie sie ihn bei der Lectüre ansprachen, für zwei, drei oder vier Stimmen ohne Begleitung, die meisten derselben mehrfach. Diese kleinen Lieder, in knapper Form, deren eine beträchtliche Anzahl zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/315>, abgerufen am 24.07.2024.