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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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die unglückliche Reise des Grafen v. Brandenburg nach Warschau, die Ent¬
lassung des Herrn v. Nadowitz aus dem preußischen Cabinet (3. Nov.), die
Uebernahme des auswärtigen Ministeriums durch den Herrn v, Manteuffel zu
bedeuten hatte; -- es war die Entscheidung Rußlands zu Gunsten Oestreichs,
es war, von Seiten Preußens, der Verzicht aus die politische Stellung, die es
seit anderthalb Jahren, allerdings in immer bescheideneren Grenzen und mit
immer geringeren Aussichten. gegen Oestreich zu behaupten gesucht hatte. So¬
bald Herr v. Manteuffel Minister des Auswärtigen geworden, erklärte er sich
bereit, den Widerstand in Bezug auf Schleswig-Holstein aufzugeben. Noch war
nicht alles klar. Es zeigte sich und hat sich auch später gezeigt, daß mehre
sowohl von Oestreichs, wie von Preußens Bundesgenossen sehr abgeneigt waren,
in der Schleswig-holsteinischen Sacke ganz die Wege der führenden Großmächte
zu wandeln. Aber die Zusammenkunft des Herrn v. Manteuffel mit dem Fürsten
v. Ichwarzenberg zu Olmütz (25. Nov.), die Preußens diplomatischer Nieder¬
lage den vollsten Ausdruck gab, brachte auch für Schleswig-Holstein die Ent¬
scheidung. Abschickung beiderseitiger Commissäre an die Statthalterschaft un¬
gefähr mit den nämlichen Forderungen, welche früher die östreichische Partei
als Bundesversammlung halte abgehn lassen, für den Fall aber, daß die Statt¬
halterschaft die Annahme verweigerte, gemeinschaftliche Execution -- das war
es, worüber man übereinkam.

Das Ende nahte heran. Eine entscheidende Operation auf dem Kriegsschau¬
platze wurde eben in dieser Zeit durch das Wetter, das die Wege grundlos
machte, unmöglich. Einen immer peinlicheren Charakter nahmen inzwischen die
Verhältnisse zwischen der Statthalterschaft und dem Oberbefehlshaber an; am
7. Dec. reichte dieser seine Entlassung ein. Als sein Nachfolger, der General
v. Horst, die Truppen in einer kräftigen Ansprache begrüßte, als er die ge¬
lockerten Zügel der Disciplin straffer zusammennähen, ging noch einmal ein
Schimmer von Hoffnung vor manchem Auge auf. Aber der ersehnte Frost,
ohne welchen man keine Artillerie vorwärtsbringen konnte, blieb aus. So
trat man ins neue Jahr über. Am 6. Januar 1851 erschienen der östreichische
und der preußische Eomnnssar, Herr v. Mcnsdorf-Pouilly und Herr v. Thumm;
aus den Fall daß man sich nicht füge, stellten sie eine Execution durch
50,000 Oestreicher und Preußen, für den Fall ruhiger Unterwerfung die Wieder¬
herstellung des Zustandes, der vor dem Krieg geherrscht, in Aussicht. Was
das letztere jetzt zu bedeuten habe, konnte man sich denken; eben der Streit über
die Frage, welcher Zustand als der gesetzliche zu gelten habe, hatte ja 1848
zum Ausbruche des Krieges geführt. Die Statthalterschaft ließ einen Kriegs¬
rath zusammentreten, damit er ein Gutachten über die Möglichkeit des Wider¬
standes abgäbe. Der Ausspruch verneinte eine solche Möglichkeit fast gänzlich.
In der Statthalterschaft war jetzt Graf Reventlow für unbedingte Unterwerfung,


die unglückliche Reise des Grafen v. Brandenburg nach Warschau, die Ent¬
lassung des Herrn v. Nadowitz aus dem preußischen Cabinet (3. Nov.), die
Uebernahme des auswärtigen Ministeriums durch den Herrn v, Manteuffel zu
bedeuten hatte; — es war die Entscheidung Rußlands zu Gunsten Oestreichs,
es war, von Seiten Preußens, der Verzicht aus die politische Stellung, die es
seit anderthalb Jahren, allerdings in immer bescheideneren Grenzen und mit
immer geringeren Aussichten. gegen Oestreich zu behaupten gesucht hatte. So¬
bald Herr v. Manteuffel Minister des Auswärtigen geworden, erklärte er sich
bereit, den Widerstand in Bezug auf Schleswig-Holstein aufzugeben. Noch war
nicht alles klar. Es zeigte sich und hat sich auch später gezeigt, daß mehre
sowohl von Oestreichs, wie von Preußens Bundesgenossen sehr abgeneigt waren,
in der Schleswig-holsteinischen Sacke ganz die Wege der führenden Großmächte
zu wandeln. Aber die Zusammenkunft des Herrn v. Manteuffel mit dem Fürsten
v. Ichwarzenberg zu Olmütz (25. Nov.), die Preußens diplomatischer Nieder¬
lage den vollsten Ausdruck gab, brachte auch für Schleswig-Holstein die Ent¬
scheidung. Abschickung beiderseitiger Commissäre an die Statthalterschaft un¬
gefähr mit den nämlichen Forderungen, welche früher die östreichische Partei
als Bundesversammlung halte abgehn lassen, für den Fall aber, daß die Statt¬
halterschaft die Annahme verweigerte, gemeinschaftliche Execution — das war
es, worüber man übereinkam.

Das Ende nahte heran. Eine entscheidende Operation auf dem Kriegsschau¬
platze wurde eben in dieser Zeit durch das Wetter, das die Wege grundlos
machte, unmöglich. Einen immer peinlicheren Charakter nahmen inzwischen die
Verhältnisse zwischen der Statthalterschaft und dem Oberbefehlshaber an; am
7. Dec. reichte dieser seine Entlassung ein. Als sein Nachfolger, der General
v. Horst, die Truppen in einer kräftigen Ansprache begrüßte, als er die ge¬
lockerten Zügel der Disciplin straffer zusammennähen, ging noch einmal ein
Schimmer von Hoffnung vor manchem Auge auf. Aber der ersehnte Frost,
ohne welchen man keine Artillerie vorwärtsbringen konnte, blieb aus. So
trat man ins neue Jahr über. Am 6. Januar 1851 erschienen der östreichische
und der preußische Eomnnssar, Herr v. Mcnsdorf-Pouilly und Herr v. Thumm;
aus den Fall daß man sich nicht füge, stellten sie eine Execution durch
50,000 Oestreicher und Preußen, für den Fall ruhiger Unterwerfung die Wieder¬
herstellung des Zustandes, der vor dem Krieg geherrscht, in Aussicht. Was
das letztere jetzt zu bedeuten habe, konnte man sich denken; eben der Streit über
die Frage, welcher Zustand als der gesetzliche zu gelten habe, hatte ja 1848
zum Ausbruche des Krieges geführt. Die Statthalterschaft ließ einen Kriegs¬
rath zusammentreten, damit er ein Gutachten über die Möglichkeit des Wider¬
standes abgäbe. Der Ausspruch verneinte eine solche Möglichkeit fast gänzlich.
In der Statthalterschaft war jetzt Graf Reventlow für unbedingte Unterwerfung,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/298>, abgerufen am 24.07.2024.