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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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gewählte, da bisher diejenige, welche die Verfassung beschlossen hatte, beisammen-
geblieben war -- hatte noch im September der Statthalterschaft bedeutende Be¬
willigungen gemacht. Jetzt fingen die Hoffnungen zu sinken an; aus den Kreisen
der Aristokratie erhoben sich Stimmen für Frieden. Dieser Frieden wurde dem
Lande gebracht. Aber wie und durch wen?

Daß die europäischen Mächte im Allgemeinen der mancherlei Beunruhigung,
welche noch immer der Krieg zwischen Schleswig-Holstein und Dänemark brachte,
ein Ende gemacht wünschten, läßt sich denken. Ebenso, daß man noch immer
geneigt war, für die Fortdauer des Krieges einige Verantwortlichkeit auf Preußen
zu werfen; andrerseits, daß in Preußen jeder Staatsmann, der den preußischen
Namen noch einigermaßen aufrechtzuerhalten entschlossen war, aus der ganzen
Vevgangenheit wenigstens dies als die Pflicht Preußens hervorgehn sah: den
Schleswig-Holsteinern den Raum freizuhalten zu ihrem Kampfe gegen Dänemark
und nicht zu dulden, daß sich eine andere Macht zu Gunsten der Dänen ein¬
mische. Nun war der berliner Frieden, den Preußen in seinem und des deutschen
Bundes Namen abgeschlossen, im Oktober ziemlich von allen deutschen Mächten
ratificirt und sonnte demnach als vollendet betrachtet werden. Wir wissen, wie
in dem 4. Artikel dieses Friedens davon die Rede war, daß nach Abschluß
desselben der dänische König sich an den Bund wenden könne, wissen aber auch,
wie der Artikel, nach der preußischen Auffassung, eigentlich dem Bunde hatte
die Möglichkeit wahren sollen ganz aus dem Spiele zu bleiben. Nun aber
ging man in Oestreich in dem Bestreben, aus dem deutsch-dänischen Handel sich
eine Waffe gegen Preußen zu machen, weiter und weiter, wohl wissend, wie
man durch jede Handreichung für Dänemark sich, im Gegensatze zu Preußen,
die Gunst der übrigen Mächte vermehre. So war denn Oestreich schon am
23. August dem londoner Protokoll vom 2. Juni beigetreten, nicht ohne daß
es auch dabei seinen Anspruch, mit dem von ihm versammelten Bundestage
dem deutschen Bund rechtmäßigerweise zu vertreten, durch Hinzufügung eines
Artikels zur Wahrung der Rechte dieses Bundes Ausdruck gab. Und als nun
im Herbste Oestreich und Preußen mit den beiderseitigen Bundesgenossenschaften
einander die Hand am Schwerte gegenüberstanden, als in und um Kurhessen die
Truppen der beiden Parteien nur noch der letzten Befehle harrten, um den Kampf
zu eröffnen, da wurde neben der kurhessischcn Frage die Schleswig-holsteinische zu
einem Hauptgegenstand, an welchem der Gegensatz zwischen den beiden deutschen
Großmächten zum offenen Ausbruche zu kommen drohte. Daß die um Oestreich ge¬
einigten Staaten die Ratificcttion des berliner Friedens in einer Bundestagssitzung
vornahmen -- schon dies war für Preußen, welches diesem Bundestage die recht¬
liche Existenz bestritt, ein Aergerniß. Nun aber knüpfte der vom dänischen
Könige abgeschickte Bundestagsgesandte für Holstein an die Ratification sofort
den Antrag auf Einschreiten des Bundes in diesem Herzogthum. sprach von


gewählte, da bisher diejenige, welche die Verfassung beschlossen hatte, beisammen-
geblieben war — hatte noch im September der Statthalterschaft bedeutende Be¬
willigungen gemacht. Jetzt fingen die Hoffnungen zu sinken an; aus den Kreisen
der Aristokratie erhoben sich Stimmen für Frieden. Dieser Frieden wurde dem
Lande gebracht. Aber wie und durch wen?

Daß die europäischen Mächte im Allgemeinen der mancherlei Beunruhigung,
welche noch immer der Krieg zwischen Schleswig-Holstein und Dänemark brachte,
ein Ende gemacht wünschten, läßt sich denken. Ebenso, daß man noch immer
geneigt war, für die Fortdauer des Krieges einige Verantwortlichkeit auf Preußen
zu werfen; andrerseits, daß in Preußen jeder Staatsmann, der den preußischen
Namen noch einigermaßen aufrechtzuerhalten entschlossen war, aus der ganzen
Vevgangenheit wenigstens dies als die Pflicht Preußens hervorgehn sah: den
Schleswig-Holsteinern den Raum freizuhalten zu ihrem Kampfe gegen Dänemark
und nicht zu dulden, daß sich eine andere Macht zu Gunsten der Dänen ein¬
mische. Nun war der berliner Frieden, den Preußen in seinem und des deutschen
Bundes Namen abgeschlossen, im Oktober ziemlich von allen deutschen Mächten
ratificirt und sonnte demnach als vollendet betrachtet werden. Wir wissen, wie
in dem 4. Artikel dieses Friedens davon die Rede war, daß nach Abschluß
desselben der dänische König sich an den Bund wenden könne, wissen aber auch,
wie der Artikel, nach der preußischen Auffassung, eigentlich dem Bunde hatte
die Möglichkeit wahren sollen ganz aus dem Spiele zu bleiben. Nun aber
ging man in Oestreich in dem Bestreben, aus dem deutsch-dänischen Handel sich
eine Waffe gegen Preußen zu machen, weiter und weiter, wohl wissend, wie
man durch jede Handreichung für Dänemark sich, im Gegensatze zu Preußen,
die Gunst der übrigen Mächte vermehre. So war denn Oestreich schon am
23. August dem londoner Protokoll vom 2. Juni beigetreten, nicht ohne daß
es auch dabei seinen Anspruch, mit dem von ihm versammelten Bundestage
dem deutschen Bund rechtmäßigerweise zu vertreten, durch Hinzufügung eines
Artikels zur Wahrung der Rechte dieses Bundes Ausdruck gab. Und als nun
im Herbste Oestreich und Preußen mit den beiderseitigen Bundesgenossenschaften
einander die Hand am Schwerte gegenüberstanden, als in und um Kurhessen die
Truppen der beiden Parteien nur noch der letzten Befehle harrten, um den Kampf
zu eröffnen, da wurde neben der kurhessischcn Frage die Schleswig-holsteinische zu
einem Hauptgegenstand, an welchem der Gegensatz zwischen den beiden deutschen
Großmächten zum offenen Ausbruche zu kommen drohte. Daß die um Oestreich ge¬
einigten Staaten die Ratificcttion des berliner Friedens in einer Bundestagssitzung
vornahmen — schon dies war für Preußen, welches diesem Bundestage die recht¬
liche Existenz bestritt, ein Aergerniß. Nun aber knüpfte der vom dänischen
Könige abgeschickte Bundestagsgesandte für Holstein an die Ratification sofort
den Antrag auf Einschreiten des Bundes in diesem Herzogthum. sprach von


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[0296] gewählte, da bisher diejenige, welche die Verfassung beschlossen hatte, beisammen- geblieben war — hatte noch im September der Statthalterschaft bedeutende Be¬ willigungen gemacht. Jetzt fingen die Hoffnungen zu sinken an; aus den Kreisen der Aristokratie erhoben sich Stimmen für Frieden. Dieser Frieden wurde dem Lande gebracht. Aber wie und durch wen? Daß die europäischen Mächte im Allgemeinen der mancherlei Beunruhigung, welche noch immer der Krieg zwischen Schleswig-Holstein und Dänemark brachte, ein Ende gemacht wünschten, läßt sich denken. Ebenso, daß man noch immer geneigt war, für die Fortdauer des Krieges einige Verantwortlichkeit auf Preußen zu werfen; andrerseits, daß in Preußen jeder Staatsmann, der den preußischen Namen noch einigermaßen aufrechtzuerhalten entschlossen war, aus der ganzen Vevgangenheit wenigstens dies als die Pflicht Preußens hervorgehn sah: den Schleswig-Holsteinern den Raum freizuhalten zu ihrem Kampfe gegen Dänemark und nicht zu dulden, daß sich eine andere Macht zu Gunsten der Dänen ein¬ mische. Nun war der berliner Frieden, den Preußen in seinem und des deutschen Bundes Namen abgeschlossen, im Oktober ziemlich von allen deutschen Mächten ratificirt und sonnte demnach als vollendet betrachtet werden. Wir wissen, wie in dem 4. Artikel dieses Friedens davon die Rede war, daß nach Abschluß desselben der dänische König sich an den Bund wenden könne, wissen aber auch, wie der Artikel, nach der preußischen Auffassung, eigentlich dem Bunde hatte die Möglichkeit wahren sollen ganz aus dem Spiele zu bleiben. Nun aber ging man in Oestreich in dem Bestreben, aus dem deutsch-dänischen Handel sich eine Waffe gegen Preußen zu machen, weiter und weiter, wohl wissend, wie man durch jede Handreichung für Dänemark sich, im Gegensatze zu Preußen, die Gunst der übrigen Mächte vermehre. So war denn Oestreich schon am 23. August dem londoner Protokoll vom 2. Juni beigetreten, nicht ohne daß es auch dabei seinen Anspruch, mit dem von ihm versammelten Bundestage dem deutschen Bund rechtmäßigerweise zu vertreten, durch Hinzufügung eines Artikels zur Wahrung der Rechte dieses Bundes Ausdruck gab. Und als nun im Herbste Oestreich und Preußen mit den beiderseitigen Bundesgenossenschaften einander die Hand am Schwerte gegenüberstanden, als in und um Kurhessen die Truppen der beiden Parteien nur noch der letzten Befehle harrten, um den Kampf zu eröffnen, da wurde neben der kurhessischcn Frage die Schleswig-holsteinische zu einem Hauptgegenstand, an welchem der Gegensatz zwischen den beiden deutschen Großmächten zum offenen Ausbruche zu kommen drohte. Daß die um Oestreich ge¬ einigten Staaten die Ratificcttion des berliner Friedens in einer Bundestagssitzung vornahmen — schon dies war für Preußen, welches diesem Bundestage die recht¬ liche Existenz bestritt, ein Aergerniß. Nun aber knüpfte der vom dänischen Könige abgeschickte Bundestagsgesandte für Holstein an die Ratification sofort den Antrag auf Einschreiten des Bundes in diesem Herzogthum. sprach von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/296>, abgerufen am 24.07.2024.