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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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hier gebotenen Barren auszumünzen, durch Einzelausgaben, Clavierauszüge,
Arrangements, Stimmendrucke dem besonderen Bedürfniß zu genügen, und im
Einzelnen zu verbreiten und einzuführen, was im Ganzen nicht leicht zu be¬
wältigen ist, kann man getrost dem künstlerischen Eifer und der geschäftlichen
Betriebsamkeit überlassen, und bereits ist nicht Weniges in dieser Hinsicht ge¬
schehen. Es ist ein Königsbau, den die Bach- und Händelgesellschaft unter¬
nommen, die Kärrner werden vollauf zu thun haben.

Eine ganz andere Bedeutung hat es demnach, wenn die Breitkopf und
Härtelsche Handlung eine Ausgabe der sämmtlichen Werke Beethovens als
ein Berlagsunternehmen ankündigt, das sich, ohne jede außerordentliche Unter¬
stützung und Begünstigung, angesichts einer ungeheuren Concurrenz. lediglich an
das Bedürfniß und Interesse des großen musikalischen Publicums wendet, welchem
es eine würdige Befriedigung verspricht. Man vergegenwärtige sich nur, daß
Beethovens Werke in den Händen des Publicums sind -- was noch ungedruckt
ist, legt kein bedeutendes Gewicht mehr in die Wagschale -- daß diejenigen Com-
positionen, welche die Masse beschäftigen, in zahlreichen Ausgaben, welche bil¬
lige und unbillige Ansprüche befriedigen, überall verbreitet werden: und jetzt
erscheint eine Gesammtausgabe, welche alles vereinigt, grqße und kleine Werke,
beliebte und verschollene, dankbare und undankbare, nach den strengsten An¬
forderungen wissenschaftlicher Kritik redigirt, äußerlich glänzend ausgestattet,
unter Bedingungen, welche eine weitgreifende Betheiligung des musikalischen
Publicums voraussetzen und möglich machen. Eine Thatsache wird dadurch zu¬
nächst festgestellt, daß gegenwärtig Beethoven weit vor allen übrigen Com-
ponisten die Theilnahme des gesammten musikalischen Publicums in Anspruch
nimmt und deshalb auch den musikalischen Markt beherrscht. Es mag
schwer sein über Vertrieb und Verbreitung der musikalischen Productionen
genaue und zuverlässige statistische Nachrichten zu erlangen; das steht über
allem Zweifel fest, daß kein Komponist, weder ein classischer noch ein modischer,
auch nur von Weitem mit Beethoven in Vergleich gestellt werden kann, wenn
es sich um die fortwährend massenhaft gesteigerte Verbreitung der Werke han¬
delt. Ja, es wird versichert, daß, wenn man der Gesammtheit der beethovenschen
Compositionen, welche in einem Jahr durch den Musikhandel vertrieben werden,
alle übrigen Musikalien, welche im selben Jahr verkauft werden, zusammen¬
gefaßt gegenüberstellen wollte, die Wage vielleicht schwanken, der einzige
Beethoven aber allen übrigen jedenfalls des Gegengewicht halten würde.
Begreiflicherweise sind es die Compositionen und Arrangements für Clavier,
welche hierbei den Ausschlag geben, von denen einzelne in unglaublicher An¬
zahl verbreitet werden; daß aber diese souveräne Herrschaft über das musi¬
kalische Publicum aller Schichten und Bekenntnisse nicht eine vorübergehende
Modelaune des Dilettantismus, sondern ein erfreulicher Beweis dafür ist, wie


hier gebotenen Barren auszumünzen, durch Einzelausgaben, Clavierauszüge,
Arrangements, Stimmendrucke dem besonderen Bedürfniß zu genügen, und im
Einzelnen zu verbreiten und einzuführen, was im Ganzen nicht leicht zu be¬
wältigen ist, kann man getrost dem künstlerischen Eifer und der geschäftlichen
Betriebsamkeit überlassen, und bereits ist nicht Weniges in dieser Hinsicht ge¬
schehen. Es ist ein Königsbau, den die Bach- und Händelgesellschaft unter¬
nommen, die Kärrner werden vollauf zu thun haben.

Eine ganz andere Bedeutung hat es demnach, wenn die Breitkopf und
Härtelsche Handlung eine Ausgabe der sämmtlichen Werke Beethovens als
ein Berlagsunternehmen ankündigt, das sich, ohne jede außerordentliche Unter¬
stützung und Begünstigung, angesichts einer ungeheuren Concurrenz. lediglich an
das Bedürfniß und Interesse des großen musikalischen Publicums wendet, welchem
es eine würdige Befriedigung verspricht. Man vergegenwärtige sich nur, daß
Beethovens Werke in den Händen des Publicums sind — was noch ungedruckt
ist, legt kein bedeutendes Gewicht mehr in die Wagschale — daß diejenigen Com-
positionen, welche die Masse beschäftigen, in zahlreichen Ausgaben, welche bil¬
lige und unbillige Ansprüche befriedigen, überall verbreitet werden: und jetzt
erscheint eine Gesammtausgabe, welche alles vereinigt, grqße und kleine Werke,
beliebte und verschollene, dankbare und undankbare, nach den strengsten An¬
forderungen wissenschaftlicher Kritik redigirt, äußerlich glänzend ausgestattet,
unter Bedingungen, welche eine weitgreifende Betheiligung des musikalischen
Publicums voraussetzen und möglich machen. Eine Thatsache wird dadurch zu¬
nächst festgestellt, daß gegenwärtig Beethoven weit vor allen übrigen Com-
ponisten die Theilnahme des gesammten musikalischen Publicums in Anspruch
nimmt und deshalb auch den musikalischen Markt beherrscht. Es mag
schwer sein über Vertrieb und Verbreitung der musikalischen Productionen
genaue und zuverlässige statistische Nachrichten zu erlangen; das steht über
allem Zweifel fest, daß kein Komponist, weder ein classischer noch ein modischer,
auch nur von Weitem mit Beethoven in Vergleich gestellt werden kann, wenn
es sich um die fortwährend massenhaft gesteigerte Verbreitung der Werke han¬
delt. Ja, es wird versichert, daß, wenn man der Gesammtheit der beethovenschen
Compositionen, welche in einem Jahr durch den Musikhandel vertrieben werden,
alle übrigen Musikalien, welche im selben Jahr verkauft werden, zusammen¬
gefaßt gegenüberstellen wollte, die Wage vielleicht schwanken, der einzige
Beethoven aber allen übrigen jedenfalls des Gegengewicht halten würde.
Begreiflicherweise sind es die Compositionen und Arrangements für Clavier,
welche hierbei den Ausschlag geben, von denen einzelne in unglaublicher An¬
zahl verbreitet werden; daß aber diese souveräne Herrschaft über das musi¬
kalische Publicum aller Schichten und Bekenntnisse nicht eine vorübergehende
Modelaune des Dilettantismus, sondern ein erfreulicher Beweis dafür ist, wie


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/290>, abgerufen am 24.07.2024.