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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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Aenderungen in der Organisation der Armee hatte er kurz vorher die gewohnten
Ordnungen in der Armee gelöst, ohne daß Zeit gewesen wäre, die neuen den
Soldaten zur Gewohnheit zu machen, und wie nun sowohl infolge dieses
Umstandes, als infolge des Abgangs so vieler Offiziere und des Eintritts der
neuen Mannschaften, durch welche zum Theil jene Aenderungen veranlaßt worden
waren, das Heer sich nicht sogleich bei Eröffnung der Feindseligkeiten so kriegs¬
fertig zeigte, als es der General beanspruchte, verlor dieser bald das rechte
Vertrauen in die Armee und in das Gelingen eines kräftigen, activen Vor¬
gehens. Uebrigens wird man sowohl aus dem bisherigen Gange der Dinge,
wie aus dem weiter zu Berichtenden sich leicht erklären, wenn auch die Statt¬
halterschaft noch jetzt nicht alle diplomatischen Rücksichten, besonders nicht die
gegen die preußische Regierung, aus den Augen setzen zu dürfen glaubte; und
so mag denn in Erwägung des Eindrucks, den die eine oder andere Maßregel
in Berlin hervorbringen könnte, noch nach dem berliner Frieden Manches unter¬
blieben sein, was die kriegerische Kraft der Herzogthümer in vollem Maße zu
enthalten geeignet gewesen wäre.

Sowie zu Berlin der Friede zwischen Preußen und Dänemark unterzeichnet
War, räumten die preußischen und schwedischen Truppen Schleswig. Da nun
zwischen Dänemark und Schleswig-Holstein der Waffenstillstand, bei der Nicht¬
anerkennung desselben von Seiten der Statthalterschaft, gar nicht vorhanden
war, rückte alsbald die Schleswig-holsteinische Armee von Süden, die dänische
theils von Jütland, theils von der Insel Alsen her in dem Herzogthum ein.
Der erste Gedanke Willisens war, durch einen raschen Vormarsch sich zwischen
die zwei dänischen Abtheilungen zu bringen und sie wo möglich einzeln zu
schlagen. In drückender Julihitze ging die Bewegung, nicht ohne Erschöpfung
vieler Mannschaften, vor sich. Bald glaubte Willisen sie den Strapazen, welche
die Ausführung seines Planes erfordert hätte, nicht gewachsen und beschloß da¬
her, schon in der Stellung bei Jdstedt den Heranmarsch der Dänen zu erwarten,
die nun. nach Vereinigung beider Abtheilungen, 37,000 Mann stark, gegen die
26.000 Schleswig-Holsteiner anrückten. Am 25. Juli kam es zu der verhängniß-
vollen Schlacht. Selten hat ein Heer den Sieg schon in solcher Weise in den
Händen gehabt, um ihn plötzlich in eine Niederlage verwandelt zu sehn, wie
dies hier die Schleswig-Holsteiner erfahren mußten. Die Hauptursache lag da¬
rin, daß der Oberbefehlshaber, eingenommen von den Ereignissen eines Punktes,
an welchem die Dinge übel gingen, und in Ueberschätzung einer feindlichen Be¬
wegung, von der er eine Ueberflügclung befürchtete, den Rückzug anbefahl in
einem Augenblicke, wo die Dänen infolge schwerern Unglücks, das sie an einem
andern Punkte betroffen hatte, ihrerseits nahe daran waren sich zum Rückzüge
anzuschicken.




Aenderungen in der Organisation der Armee hatte er kurz vorher die gewohnten
Ordnungen in der Armee gelöst, ohne daß Zeit gewesen wäre, die neuen den
Soldaten zur Gewohnheit zu machen, und wie nun sowohl infolge dieses
Umstandes, als infolge des Abgangs so vieler Offiziere und des Eintritts der
neuen Mannschaften, durch welche zum Theil jene Aenderungen veranlaßt worden
waren, das Heer sich nicht sogleich bei Eröffnung der Feindseligkeiten so kriegs¬
fertig zeigte, als es der General beanspruchte, verlor dieser bald das rechte
Vertrauen in die Armee und in das Gelingen eines kräftigen, activen Vor¬
gehens. Uebrigens wird man sowohl aus dem bisherigen Gange der Dinge,
wie aus dem weiter zu Berichtenden sich leicht erklären, wenn auch die Statt¬
halterschaft noch jetzt nicht alle diplomatischen Rücksichten, besonders nicht die
gegen die preußische Regierung, aus den Augen setzen zu dürfen glaubte; und
so mag denn in Erwägung des Eindrucks, den die eine oder andere Maßregel
in Berlin hervorbringen könnte, noch nach dem berliner Frieden Manches unter¬
blieben sein, was die kriegerische Kraft der Herzogthümer in vollem Maße zu
enthalten geeignet gewesen wäre.

Sowie zu Berlin der Friede zwischen Preußen und Dänemark unterzeichnet
War, räumten die preußischen und schwedischen Truppen Schleswig. Da nun
zwischen Dänemark und Schleswig-Holstein der Waffenstillstand, bei der Nicht¬
anerkennung desselben von Seiten der Statthalterschaft, gar nicht vorhanden
war, rückte alsbald die Schleswig-holsteinische Armee von Süden, die dänische
theils von Jütland, theils von der Insel Alsen her in dem Herzogthum ein.
Der erste Gedanke Willisens war, durch einen raschen Vormarsch sich zwischen
die zwei dänischen Abtheilungen zu bringen und sie wo möglich einzeln zu
schlagen. In drückender Julihitze ging die Bewegung, nicht ohne Erschöpfung
vieler Mannschaften, vor sich. Bald glaubte Willisen sie den Strapazen, welche
die Ausführung seines Planes erfordert hätte, nicht gewachsen und beschloß da¬
her, schon in der Stellung bei Jdstedt den Heranmarsch der Dänen zu erwarten,
die nun. nach Vereinigung beider Abtheilungen, 37,000 Mann stark, gegen die
26.000 Schleswig-Holsteiner anrückten. Am 25. Juli kam es zu der verhängniß-
vollen Schlacht. Selten hat ein Heer den Sieg schon in solcher Weise in den
Händen gehabt, um ihn plötzlich in eine Niederlage verwandelt zu sehn, wie
dies hier die Schleswig-Holsteiner erfahren mußten. Die Hauptursache lag da¬
rin, daß der Oberbefehlshaber, eingenommen von den Ereignissen eines Punktes,
an welchem die Dinge übel gingen, und in Ueberschätzung einer feindlichen Be¬
wegung, von der er eine Ueberflügclung befürchtete, den Rückzug anbefahl in
einem Augenblicke, wo die Dänen infolge schwerern Unglücks, das sie an einem
andern Punkte betroffen hatte, ihrerseits nahe daran waren sich zum Rückzüge
anzuschicken.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/280>, abgerufen am 24.07.2024.