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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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Anderem daraus, daß die Statthalterschaft ihre friedliche Gesinnung zuvörderst
durch Herabsetzung der Armee auf 12,000 Mann bekunden müsse, ohne daß des¬
halb Dänemark auch nur in der Vermehrung seiner Armee innehielt. Ein Ent¬
wurf über einen provisorischen Zustand, der in Schleswig und Holstein eintreten
und zur Vereinbarung über die definitiven Anordnungen dienen sollte, wurde von
Berlin aus durch den russischen Gesandten befürwortet, und die Abgesandten
nahmen ihn an. Man begreift, daß der Entwurf nicht eben übermäßige Gunst
gegen Schleswig-Holstein übte. Die Dänen aber, denen er nicht genügte, ver¬
langten nähere Bestimmungen desselben, forderten z. B. als Departementschefs
des besonderen, schleswigschen Ministerium, das während des Provisorium be-
stehn sollte, zwei allgemein verhaßte Persönlichkeiten; endlich erklärten sie das
Project überhaupt für unannehmbar und nach einigen Tagen weiterer, vergeb¬
licher Anknüpfungsversuche ward dem Grafen Reventlow-Farve geradezu die
Andeutung gegeben, er habe sich aus Kopenhagen zu entfernen.

Alles verrieth: die dänische Regierung befand sich im vollen Besitze des
Geheimnisses der preußischen Politik; sie wußte, daß Preußen sich zu einem ernsten
Krieg nicht entschließe, durch die bisherige Art der Kriegführung aber und durch
die Ungewißheit der Verhältnisse sich weit mehr belästigt und beängstct fühle
als Dänemark selbst. Bei diesem starken Begehren Preußens nach einem Frieden,
bei der Unmöglichkeit, ohne ferneren Krieg die Dänen zur Herabstimmung ihrer
überschwänglichen Ansprüche zu bewegen, bei den geringen Erfolgen der bis¬
herigen Verfechtung der Schleswig-holsteinischen Sache durch Preußen, bei der
Unlust endlich, womit man sich in den Herzogthümern durch Preußen von einer
Erneuerung des Krieges zurückhalten ließ, war es nun natürlich, daß ein Ge¬
danke sowohl auf preußischer wie auf Schleswig-holsteinischer Seite allmälig
Eingang gewann, der Gedanke, sich in irgend einer Weise voneinander zu
trennen. Die preußische Regierung selbst mochte glauben, nachdem sie durch ihre
bisherige Unterstützung den Herzogthümern Zeit verschasit, sich zur Selbstver¬
theidigung tüchtig zu machen, werde sie nun durch Abtreten vom Kampfplatz
auch die Schleswig-holsteinische Sache von allerhand Feindseligkeiten und Ver¬
wickelungen befreien, die nur durch Preußens Betheiligung an derselben ihr zu¬
gezogen worden seien. Am 17. April machte sie dem dänischen Gesandten den
Vorschlag eines Friedens zwischen Deutschland und Dänemark, in welchem nichts
über die beiderseitigen Rechte entschieden werden, sondern jeder Theil sich seine
Rechte vorbehalten sollte. Aber Dänemark wollte sich damit nicht begnügen;
es wollte sich nicht damit begnügen, die Versuche Deutschlands zur bewaffneten
Unterstützung Schleswig-Holsteins zurückgeschlagen zu haben; es verlangte, daß
in dem Frieden die Verpflichtung einer unbedingten Unterwerfung der Herzog¬
tümer ausgesprochen würde. Schwerlich war der Gedanke, dies zu erreichen,
ernstlich gemeint. Aber etwas Anderes zu erlangen glückte wirklich.


Anderem daraus, daß die Statthalterschaft ihre friedliche Gesinnung zuvörderst
durch Herabsetzung der Armee auf 12,000 Mann bekunden müsse, ohne daß des¬
halb Dänemark auch nur in der Vermehrung seiner Armee innehielt. Ein Ent¬
wurf über einen provisorischen Zustand, der in Schleswig und Holstein eintreten
und zur Vereinbarung über die definitiven Anordnungen dienen sollte, wurde von
Berlin aus durch den russischen Gesandten befürwortet, und die Abgesandten
nahmen ihn an. Man begreift, daß der Entwurf nicht eben übermäßige Gunst
gegen Schleswig-Holstein übte. Die Dänen aber, denen er nicht genügte, ver¬
langten nähere Bestimmungen desselben, forderten z. B. als Departementschefs
des besonderen, schleswigschen Ministerium, das während des Provisorium be-
stehn sollte, zwei allgemein verhaßte Persönlichkeiten; endlich erklärten sie das
Project überhaupt für unannehmbar und nach einigen Tagen weiterer, vergeb¬
licher Anknüpfungsversuche ward dem Grafen Reventlow-Farve geradezu die
Andeutung gegeben, er habe sich aus Kopenhagen zu entfernen.

Alles verrieth: die dänische Regierung befand sich im vollen Besitze des
Geheimnisses der preußischen Politik; sie wußte, daß Preußen sich zu einem ernsten
Krieg nicht entschließe, durch die bisherige Art der Kriegführung aber und durch
die Ungewißheit der Verhältnisse sich weit mehr belästigt und beängstct fühle
als Dänemark selbst. Bei diesem starken Begehren Preußens nach einem Frieden,
bei der Unmöglichkeit, ohne ferneren Krieg die Dänen zur Herabstimmung ihrer
überschwänglichen Ansprüche zu bewegen, bei den geringen Erfolgen der bis¬
herigen Verfechtung der Schleswig-holsteinischen Sache durch Preußen, bei der
Unlust endlich, womit man sich in den Herzogthümern durch Preußen von einer
Erneuerung des Krieges zurückhalten ließ, war es nun natürlich, daß ein Ge¬
danke sowohl auf preußischer wie auf Schleswig-holsteinischer Seite allmälig
Eingang gewann, der Gedanke, sich in irgend einer Weise voneinander zu
trennen. Die preußische Regierung selbst mochte glauben, nachdem sie durch ihre
bisherige Unterstützung den Herzogthümern Zeit verschasit, sich zur Selbstver¬
theidigung tüchtig zu machen, werde sie nun durch Abtreten vom Kampfplatz
auch die Schleswig-holsteinische Sache von allerhand Feindseligkeiten und Ver¬
wickelungen befreien, die nur durch Preußens Betheiligung an derselben ihr zu¬
gezogen worden seien. Am 17. April machte sie dem dänischen Gesandten den
Vorschlag eines Friedens zwischen Deutschland und Dänemark, in welchem nichts
über die beiderseitigen Rechte entschieden werden, sondern jeder Theil sich seine
Rechte vorbehalten sollte. Aber Dänemark wollte sich damit nicht begnügen;
es wollte sich nicht damit begnügen, die Versuche Deutschlands zur bewaffneten
Unterstützung Schleswig-Holsteins zurückgeschlagen zu haben; es verlangte, daß
in dem Frieden die Verpflichtung einer unbedingten Unterwerfung der Herzog¬
tümer ausgesprochen würde. Schwerlich war der Gedanke, dies zu erreichen,
ernstlich gemeint. Aber etwas Anderes zu erlangen glückte wirklich.


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[0275] Anderem daraus, daß die Statthalterschaft ihre friedliche Gesinnung zuvörderst durch Herabsetzung der Armee auf 12,000 Mann bekunden müsse, ohne daß des¬ halb Dänemark auch nur in der Vermehrung seiner Armee innehielt. Ein Ent¬ wurf über einen provisorischen Zustand, der in Schleswig und Holstein eintreten und zur Vereinbarung über die definitiven Anordnungen dienen sollte, wurde von Berlin aus durch den russischen Gesandten befürwortet, und die Abgesandten nahmen ihn an. Man begreift, daß der Entwurf nicht eben übermäßige Gunst gegen Schleswig-Holstein übte. Die Dänen aber, denen er nicht genügte, ver¬ langten nähere Bestimmungen desselben, forderten z. B. als Departementschefs des besonderen, schleswigschen Ministerium, das während des Provisorium be- stehn sollte, zwei allgemein verhaßte Persönlichkeiten; endlich erklärten sie das Project überhaupt für unannehmbar und nach einigen Tagen weiterer, vergeb¬ licher Anknüpfungsversuche ward dem Grafen Reventlow-Farve geradezu die Andeutung gegeben, er habe sich aus Kopenhagen zu entfernen. Alles verrieth: die dänische Regierung befand sich im vollen Besitze des Geheimnisses der preußischen Politik; sie wußte, daß Preußen sich zu einem ernsten Krieg nicht entschließe, durch die bisherige Art der Kriegführung aber und durch die Ungewißheit der Verhältnisse sich weit mehr belästigt und beängstct fühle als Dänemark selbst. Bei diesem starken Begehren Preußens nach einem Frieden, bei der Unmöglichkeit, ohne ferneren Krieg die Dänen zur Herabstimmung ihrer überschwänglichen Ansprüche zu bewegen, bei den geringen Erfolgen der bis¬ herigen Verfechtung der Schleswig-holsteinischen Sache durch Preußen, bei der Unlust endlich, womit man sich in den Herzogthümern durch Preußen von einer Erneuerung des Krieges zurückhalten ließ, war es nun natürlich, daß ein Ge¬ danke sowohl auf preußischer wie auf Schleswig-holsteinischer Seite allmälig Eingang gewann, der Gedanke, sich in irgend einer Weise voneinander zu trennen. Die preußische Regierung selbst mochte glauben, nachdem sie durch ihre bisherige Unterstützung den Herzogthümern Zeit verschasit, sich zur Selbstver¬ theidigung tüchtig zu machen, werde sie nun durch Abtreten vom Kampfplatz auch die Schleswig-holsteinische Sache von allerhand Feindseligkeiten und Ver¬ wickelungen befreien, die nur durch Preußens Betheiligung an derselben ihr zu¬ gezogen worden seien. Am 17. April machte sie dem dänischen Gesandten den Vorschlag eines Friedens zwischen Deutschland und Dänemark, in welchem nichts über die beiderseitigen Rechte entschieden werden, sondern jeder Theil sich seine Rechte vorbehalten sollte. Aber Dänemark wollte sich damit nicht begnügen; es wollte sich nicht damit begnügen, die Versuche Deutschlands zur bewaffneten Unterstützung Schleswig-Holsteins zurückgeschlagen zu haben; es verlangte, daß in dem Frieden die Verpflichtung einer unbedingten Unterwerfung der Herzog¬ tümer ausgesprochen würde. Schwerlich war der Gedanke, dies zu erreichen, ernstlich gemeint. Aber etwas Anderes zu erlangen glückte wirklich.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/275>, abgerufen am 24.07.2024.