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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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die uns das Vergessene wohl nachsenden würden. Das Wasser mußte aus einer
Pfütze geholt werden, welche den zahlreichen Heerden als Trank- und Bade¬
platz diente, und worin bereits unsere Pferde, Maulthiere und Kameele allen
Schlamm aufgewühlt hatten. Unter der Sykomore loderte ein lustiges Feuer¬
chen, einiges Kochgeschirr wurde aufgestellt, ein erkaufter Hammel gesotten und
gebraten, auch ein Frankolinhuhn war geschossen worden, nur Butter und
Wasser ließen zu wünschen übrig. Und bald saß die heitere Gesellschaft um
einen improvisirten Tisch, der aus einigen Körben gebildet wurde, und würzte
das von einem Matrosen und unserm getreuen Mohren nach besten Kräften
bereitete Mahl durch muntere Laune. Aus dem nahen Dorf hatten wir etwas
Brod von Durhamchl bekommen, das aber, wenn auch ganz genießbar, doch
sehr ungesund ist. Unterdeß breitete der Abend seinen dunkeln Mantel um uns
und als der Mond wieder emporstieg, ruhten wir bereits längst, ein Theil
unter, ein Theil neben dem Zelte. Am folgenden Morgen erwachten wir Alle
neuzcstärkt; die Herren begaben sich mit Tagesanbruch auf die Jagd und kehrten
mit einigen Frankolinhühnern und Gazellen als Beute zurück.

Dieser Morgen bleibt mir unvergeßlich; denn er versetzte mich lebhaft in
die Zeiten der alttestamentarischen Hirten zurück. Als ich aus der Oeffnung
unseres Zeltes nach dem Saum des nahen Waldes blickte, sah ich dort die
braunen Hirtengestalten mit ihren langen Stäben der zahlreichen Heerde voran¬
schreiten. Frauen und Kinder folgten ihnen auf Eseln reitend und dahin ging
der lange Zug der alten Patriarchen, um gegen Abend in gleicher Weise heim¬
zukehren. Drei, viertausend Jahre der Geschichte waren um mich verschwunden,
ich sah die Hirten des Laban lebendig vor mir, ich hörte das Gebrüll der
Rinder aus dem Lande Gösen, und mit meiner Hand konnte ich den gekrümm¬
ten Stab der Kinder von sieben erfassen. --

Als aber der Kaffee erschien, der sonst ein sehr willkommener Mvrgen¬
genuß war, vermochten die Wenigsten den Trank über die Lippen zu bringen,
und verzichteten lieber auf das Frühstück, denn er schmeckte allzu kräftig nach dem
Schlauch, der das Wasser dazu hergegeben hatte. So wurde der Wassermangel
schnell ärgerlich. Und wir beschlossen deshalb noch heute aufzubrechen und nach
Allee zu reiten, wo wir frische Quellen wußten. Den Tag über sah unser
kleines Lager hübsch abenteuerlich und malerisch aus. Die Meisten von unsrer
Karavane hatten sich auf den mitgebrachten Teppichen und Kuhhäuten bequem
niedergelassen und pflegten einer angenehmen Ruhe. Einige zeichneten, Andere
ordneten die für ein Blumenalbum gesammelten Pflanzen. Und immer wieder
hafteten die Blicke voll Entzücken an fremden Bäumen und Blüthen, an dem
grünen reichen Thale. der tropischen Landschaft und den aufsteigenden
Bergmassen. Unterdeß schnoberten die Wachhunde, welche uns begleitet hatten,
mit größter Ausdauer an dem brodelnden Fleischtöpfe, oder schlürften behaglich


die uns das Vergessene wohl nachsenden würden. Das Wasser mußte aus einer
Pfütze geholt werden, welche den zahlreichen Heerden als Trank- und Bade¬
platz diente, und worin bereits unsere Pferde, Maulthiere und Kameele allen
Schlamm aufgewühlt hatten. Unter der Sykomore loderte ein lustiges Feuer¬
chen, einiges Kochgeschirr wurde aufgestellt, ein erkaufter Hammel gesotten und
gebraten, auch ein Frankolinhuhn war geschossen worden, nur Butter und
Wasser ließen zu wünschen übrig. Und bald saß die heitere Gesellschaft um
einen improvisirten Tisch, der aus einigen Körben gebildet wurde, und würzte
das von einem Matrosen und unserm getreuen Mohren nach besten Kräften
bereitete Mahl durch muntere Laune. Aus dem nahen Dorf hatten wir etwas
Brod von Durhamchl bekommen, das aber, wenn auch ganz genießbar, doch
sehr ungesund ist. Unterdeß breitete der Abend seinen dunkeln Mantel um uns
und als der Mond wieder emporstieg, ruhten wir bereits längst, ein Theil
unter, ein Theil neben dem Zelte. Am folgenden Morgen erwachten wir Alle
neuzcstärkt; die Herren begaben sich mit Tagesanbruch auf die Jagd und kehrten
mit einigen Frankolinhühnern und Gazellen als Beute zurück.

Dieser Morgen bleibt mir unvergeßlich; denn er versetzte mich lebhaft in
die Zeiten der alttestamentarischen Hirten zurück. Als ich aus der Oeffnung
unseres Zeltes nach dem Saum des nahen Waldes blickte, sah ich dort die
braunen Hirtengestalten mit ihren langen Stäben der zahlreichen Heerde voran¬
schreiten. Frauen und Kinder folgten ihnen auf Eseln reitend und dahin ging
der lange Zug der alten Patriarchen, um gegen Abend in gleicher Weise heim¬
zukehren. Drei, viertausend Jahre der Geschichte waren um mich verschwunden,
ich sah die Hirten des Laban lebendig vor mir, ich hörte das Gebrüll der
Rinder aus dem Lande Gösen, und mit meiner Hand konnte ich den gekrümm¬
ten Stab der Kinder von sieben erfassen. —

Als aber der Kaffee erschien, der sonst ein sehr willkommener Mvrgen¬
genuß war, vermochten die Wenigsten den Trank über die Lippen zu bringen,
und verzichteten lieber auf das Frühstück, denn er schmeckte allzu kräftig nach dem
Schlauch, der das Wasser dazu hergegeben hatte. So wurde der Wassermangel
schnell ärgerlich. Und wir beschlossen deshalb noch heute aufzubrechen und nach
Allee zu reiten, wo wir frische Quellen wußten. Den Tag über sah unser
kleines Lager hübsch abenteuerlich und malerisch aus. Die Meisten von unsrer
Karavane hatten sich auf den mitgebrachten Teppichen und Kuhhäuten bequem
niedergelassen und pflegten einer angenehmen Ruhe. Einige zeichneten, Andere
ordneten die für ein Blumenalbum gesammelten Pflanzen. Und immer wieder
hafteten die Blicke voll Entzücken an fremden Bäumen und Blüthen, an dem
grünen reichen Thale. der tropischen Landschaft und den aufsteigenden
Bergmassen. Unterdeß schnoberten die Wachhunde, welche uns begleitet hatten,
mit größter Ausdauer an dem brodelnden Fleischtöpfe, oder schlürften behaglich


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[0264] die uns das Vergessene wohl nachsenden würden. Das Wasser mußte aus einer Pfütze geholt werden, welche den zahlreichen Heerden als Trank- und Bade¬ platz diente, und worin bereits unsere Pferde, Maulthiere und Kameele allen Schlamm aufgewühlt hatten. Unter der Sykomore loderte ein lustiges Feuer¬ chen, einiges Kochgeschirr wurde aufgestellt, ein erkaufter Hammel gesotten und gebraten, auch ein Frankolinhuhn war geschossen worden, nur Butter und Wasser ließen zu wünschen übrig. Und bald saß die heitere Gesellschaft um einen improvisirten Tisch, der aus einigen Körben gebildet wurde, und würzte das von einem Matrosen und unserm getreuen Mohren nach besten Kräften bereitete Mahl durch muntere Laune. Aus dem nahen Dorf hatten wir etwas Brod von Durhamchl bekommen, das aber, wenn auch ganz genießbar, doch sehr ungesund ist. Unterdeß breitete der Abend seinen dunkeln Mantel um uns und als der Mond wieder emporstieg, ruhten wir bereits längst, ein Theil unter, ein Theil neben dem Zelte. Am folgenden Morgen erwachten wir Alle neuzcstärkt; die Herren begaben sich mit Tagesanbruch auf die Jagd und kehrten mit einigen Frankolinhühnern und Gazellen als Beute zurück. Dieser Morgen bleibt mir unvergeßlich; denn er versetzte mich lebhaft in die Zeiten der alttestamentarischen Hirten zurück. Als ich aus der Oeffnung unseres Zeltes nach dem Saum des nahen Waldes blickte, sah ich dort die braunen Hirtengestalten mit ihren langen Stäben der zahlreichen Heerde voran¬ schreiten. Frauen und Kinder folgten ihnen auf Eseln reitend und dahin ging der lange Zug der alten Patriarchen, um gegen Abend in gleicher Weise heim¬ zukehren. Drei, viertausend Jahre der Geschichte waren um mich verschwunden, ich sah die Hirten des Laban lebendig vor mir, ich hörte das Gebrüll der Rinder aus dem Lande Gösen, und mit meiner Hand konnte ich den gekrümm¬ ten Stab der Kinder von sieben erfassen. — Als aber der Kaffee erschien, der sonst ein sehr willkommener Mvrgen¬ genuß war, vermochten die Wenigsten den Trank über die Lippen zu bringen, und verzichteten lieber auf das Frühstück, denn er schmeckte allzu kräftig nach dem Schlauch, der das Wasser dazu hergegeben hatte. So wurde der Wassermangel schnell ärgerlich. Und wir beschlossen deshalb noch heute aufzubrechen und nach Allee zu reiten, wo wir frische Quellen wußten. Den Tag über sah unser kleines Lager hübsch abenteuerlich und malerisch aus. Die Meisten von unsrer Karavane hatten sich auf den mitgebrachten Teppichen und Kuhhäuten bequem niedergelassen und pflegten einer angenehmen Ruhe. Einige zeichneten, Andere ordneten die für ein Blumenalbum gesammelten Pflanzen. Und immer wieder hafteten die Blicke voll Entzücken an fremden Bäumen und Blüthen, an dem grünen reichen Thale. der tropischen Landschaft und den aufsteigenden Bergmassen. Unterdeß schnoberten die Wachhunde, welche uns begleitet hatten, mit größter Ausdauer an dem brodelnden Fleischtöpfe, oder schlürften behaglich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/264>, abgerufen am 04.07.2024.