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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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schweiften unsere entzückten Blicke über die schöne Landschaft, die uns mächtig
an die heimathlichen Gebirgsthäler erinnerte.

Unsere Lastthiere waren auf einem weiteren, aber ebenen Wege voraus¬
geeilt; nur das treue, unentbehrliche Wasserkameel war uns den steilen Berg
entlang gefolgt, und wir nahmen wieder einen stärkenden Trunk aus den
Schläuchen, die es nachtrug. Der Stieg hinab ins Thal war ziemlich rauh
und schlecht, wir ließen unser Kameel vor uns hinabsteigen und erreichten selbst
nach einer halben Stunde das schöne grüne Thal, in welchem große Viehheerden
weideten. -- Der Schwiegersohn des Raid von Arkiko, Aehya, ein freund¬
licher Mann, der das schützende Geleite gab, erwartete uns dort und labte
uns mit frisch gemolkener Milch, die von den Hirten in braunen Lederschalen
gereicht wurde. Auf diese Weise gestärkt, eilten wir unserm heutigen Ziele
Usus zu, welches wir gegen 9 Uhr erreichten.

Das Thal von Usus ist wohl eine Stunde breit und reich an üppiger
Vegetation und an fetter Weide für die Heerden. Man sieht dort allerliebste
Mimosenbäumchen mit schneeweißen Blüthen, deren Duft mir weit feiner als
der gelben zu sein schien; dann Shora-Bäume, Tamarisken und Tamarinden,
und prachtvolle Sykomoren oder wilde Feigenbäume, deren Früchte wohl genie߬
bar, aber saftlos und ohne Wohlgeschmack sind. Schöne, cactusartige Schma¬
rotzerpflanzen überwuchern einen Theil der Bäume so sehr, daß manche wie in
einem Netz von hellgrünen Schlinggewächsen eingeschlossen sind. Auch zierliche
Lianen der verschiedensten Gattungen winden sich um die dicken knorrigen Wur¬
zeln und Aeste und vermischen ihre Blätter und Ranken mit dem Laub der
Bäume, auf denen gar liebliche Colibris in goldschimmernden Gefieder und
eine Menge bunter Vögel ihren Morgen- und Abendgesang erschallen lassen.
Gar oft findet man Nestchen, die völlig rund und überdacht, nur mit einer
kleinen Oeffnung versehen, an einem langen bindfadenartigen Zweige in dem
dichten Laube hängen. -- Hätte die Vorsehung diesen Gegenden frische Quellen
gegeben, so wären sie ein paradiesischer Ausenthalt für Naturfreunde.

Unter einer schönen breiten Sykomore wurde unser großes Zelt ausgeschlagen
und wir faßten den Entschluß, hier mehre Tage zu verweilen; jedes richtete
sich in einem Winkel des Zeltes häuslich ein. So poetisch aber auch unsre
Seelen gestimmt waren, so regte sich doch nach langer Wanderung ein unab-
weisliches Verlangen nach etwas Nahrung und erfrischendem Getränk! Damit
aber war es nicht zum Besten bestellt. Denn als die Proviantkörbe geöffnet
und durchgesehen wurden, ergab sich, daß bei dem nächtlichen Aufladen mehr
als die Hälfte zurückgeblieben war, daß wir kaum aus zwei Tage versehen
waren, und daß namentlich die Tropfen Wein fehlten, welche das schlechte
Wasser genießbar machen sollten. Wir wurden nicht muthlos, rechneten auf
das Jagdglück der Herren und auf die Einsicht der zurückgebliebenen Diener,


Grenzen? I, 1864, 33

schweiften unsere entzückten Blicke über die schöne Landschaft, die uns mächtig
an die heimathlichen Gebirgsthäler erinnerte.

Unsere Lastthiere waren auf einem weiteren, aber ebenen Wege voraus¬
geeilt; nur das treue, unentbehrliche Wasserkameel war uns den steilen Berg
entlang gefolgt, und wir nahmen wieder einen stärkenden Trunk aus den
Schläuchen, die es nachtrug. Der Stieg hinab ins Thal war ziemlich rauh
und schlecht, wir ließen unser Kameel vor uns hinabsteigen und erreichten selbst
nach einer halben Stunde das schöne grüne Thal, in welchem große Viehheerden
weideten. — Der Schwiegersohn des Raid von Arkiko, Aehya, ein freund¬
licher Mann, der das schützende Geleite gab, erwartete uns dort und labte
uns mit frisch gemolkener Milch, die von den Hirten in braunen Lederschalen
gereicht wurde. Auf diese Weise gestärkt, eilten wir unserm heutigen Ziele
Usus zu, welches wir gegen 9 Uhr erreichten.

Das Thal von Usus ist wohl eine Stunde breit und reich an üppiger
Vegetation und an fetter Weide für die Heerden. Man sieht dort allerliebste
Mimosenbäumchen mit schneeweißen Blüthen, deren Duft mir weit feiner als
der gelben zu sein schien; dann Shora-Bäume, Tamarisken und Tamarinden,
und prachtvolle Sykomoren oder wilde Feigenbäume, deren Früchte wohl genie߬
bar, aber saftlos und ohne Wohlgeschmack sind. Schöne, cactusartige Schma¬
rotzerpflanzen überwuchern einen Theil der Bäume so sehr, daß manche wie in
einem Netz von hellgrünen Schlinggewächsen eingeschlossen sind. Auch zierliche
Lianen der verschiedensten Gattungen winden sich um die dicken knorrigen Wur¬
zeln und Aeste und vermischen ihre Blätter und Ranken mit dem Laub der
Bäume, auf denen gar liebliche Colibris in goldschimmernden Gefieder und
eine Menge bunter Vögel ihren Morgen- und Abendgesang erschallen lassen.
Gar oft findet man Nestchen, die völlig rund und überdacht, nur mit einer
kleinen Oeffnung versehen, an einem langen bindfadenartigen Zweige in dem
dichten Laube hängen. — Hätte die Vorsehung diesen Gegenden frische Quellen
gegeben, so wären sie ein paradiesischer Ausenthalt für Naturfreunde.

Unter einer schönen breiten Sykomore wurde unser großes Zelt ausgeschlagen
und wir faßten den Entschluß, hier mehre Tage zu verweilen; jedes richtete
sich in einem Winkel des Zeltes häuslich ein. So poetisch aber auch unsre
Seelen gestimmt waren, so regte sich doch nach langer Wanderung ein unab-
weisliches Verlangen nach etwas Nahrung und erfrischendem Getränk! Damit
aber war es nicht zum Besten bestellt. Denn als die Proviantkörbe geöffnet
und durchgesehen wurden, ergab sich, daß bei dem nächtlichen Aufladen mehr
als die Hälfte zurückgeblieben war, daß wir kaum aus zwei Tage versehen
waren, und daß namentlich die Tropfen Wein fehlten, welche das schlechte
Wasser genießbar machen sollten. Wir wurden nicht muthlos, rechneten auf
das Jagdglück der Herren und auf die Einsicht der zurückgebliebenen Diener,


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[0263] schweiften unsere entzückten Blicke über die schöne Landschaft, die uns mächtig an die heimathlichen Gebirgsthäler erinnerte. Unsere Lastthiere waren auf einem weiteren, aber ebenen Wege voraus¬ geeilt; nur das treue, unentbehrliche Wasserkameel war uns den steilen Berg entlang gefolgt, und wir nahmen wieder einen stärkenden Trunk aus den Schläuchen, die es nachtrug. Der Stieg hinab ins Thal war ziemlich rauh und schlecht, wir ließen unser Kameel vor uns hinabsteigen und erreichten selbst nach einer halben Stunde das schöne grüne Thal, in welchem große Viehheerden weideten. — Der Schwiegersohn des Raid von Arkiko, Aehya, ein freund¬ licher Mann, der das schützende Geleite gab, erwartete uns dort und labte uns mit frisch gemolkener Milch, die von den Hirten in braunen Lederschalen gereicht wurde. Auf diese Weise gestärkt, eilten wir unserm heutigen Ziele Usus zu, welches wir gegen 9 Uhr erreichten. Das Thal von Usus ist wohl eine Stunde breit und reich an üppiger Vegetation und an fetter Weide für die Heerden. Man sieht dort allerliebste Mimosenbäumchen mit schneeweißen Blüthen, deren Duft mir weit feiner als der gelben zu sein schien; dann Shora-Bäume, Tamarisken und Tamarinden, und prachtvolle Sykomoren oder wilde Feigenbäume, deren Früchte wohl genie߬ bar, aber saftlos und ohne Wohlgeschmack sind. Schöne, cactusartige Schma¬ rotzerpflanzen überwuchern einen Theil der Bäume so sehr, daß manche wie in einem Netz von hellgrünen Schlinggewächsen eingeschlossen sind. Auch zierliche Lianen der verschiedensten Gattungen winden sich um die dicken knorrigen Wur¬ zeln und Aeste und vermischen ihre Blätter und Ranken mit dem Laub der Bäume, auf denen gar liebliche Colibris in goldschimmernden Gefieder und eine Menge bunter Vögel ihren Morgen- und Abendgesang erschallen lassen. Gar oft findet man Nestchen, die völlig rund und überdacht, nur mit einer kleinen Oeffnung versehen, an einem langen bindfadenartigen Zweige in dem dichten Laube hängen. — Hätte die Vorsehung diesen Gegenden frische Quellen gegeben, so wären sie ein paradiesischer Ausenthalt für Naturfreunde. Unter einer schönen breiten Sykomore wurde unser großes Zelt ausgeschlagen und wir faßten den Entschluß, hier mehre Tage zu verweilen; jedes richtete sich in einem Winkel des Zeltes häuslich ein. So poetisch aber auch unsre Seelen gestimmt waren, so regte sich doch nach langer Wanderung ein unab- weisliches Verlangen nach etwas Nahrung und erfrischendem Getränk! Damit aber war es nicht zum Besten bestellt. Denn als die Proviantkörbe geöffnet und durchgesehen wurden, ergab sich, daß bei dem nächtlichen Aufladen mehr als die Hälfte zurückgeblieben war, daß wir kaum aus zwei Tage versehen waren, und daß namentlich die Tropfen Wein fehlten, welche das schlechte Wasser genießbar machen sollten. Wir wurden nicht muthlos, rechneten auf das Jagdglück der Herren und auf die Einsicht der zurückgebliebenen Diener, Grenzen? I, 1864, 33

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/263>, abgerufen am 24.07.2024.