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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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Zur lanenvurgischen Sneeesfionssrage.
vom historischen Standpunkte aus.

Mit Befremden liest man in officiellen Erklärungen der Minister v. Bis-
marck und Graf Rechberg, daß das Successionsrecht des Königs Christian des
Neunten von Dänemark im Herzogthum Sachsen-Lauenburg ein unzweifelhaftes
sei. Preußen und Oestreich ließen durch ihre Gesandten am Bundestage die
Erklärung abgeben: "Die Succession in Lauenburg steht dem Könige Christian
nach Ansicht beider allerhöchster Regierungen auch dann zu, wenn der londoner
Vertrag hinfällig wird, nachdem der nächstberechtigte Erbe weiland König Frie¬
drichs, der Prinz Friedrich von Hessen, seine Rechte auf König Christian über¬
tragen hat." Eine gleiche Erklärung gab Minister v. Bismarck am 1. Decem¬
ber 1863 im preußischen Abgeordnetenhause ab, und am 4. December 1863
sagte Graf Rechberg im östreichischen Abgeordnetenhause: "Nur in Bezug auf
das Herzogthum Lauenburg will ich bemerken, daß dessen Verbindung mit der
dänischen Krone in keinem Falle in Zweifel gezogen werden kann."

Wenn solche Behauptungen völlig kahl und ohne jede Begründung hin¬
gestellt werden von Männern, welche sich gelegentlich auf ihre ausgezeichnete
politische Kenntniß so viel zu Gute thun, so kann das im ersten Augen¬
blicke dem Hörer oder Leser imponiren, aber jedem denkenden Manne werden
sehr bald entschiedene Zweifel aufsteigen. Daß jene Machtsprüche der Minister¬
präsidenten der beiden deutschen Großstaaten leider dem thatsächlichen Rechte
nicht so entsprechen, wie dieselben meinen, dafür legen ohnehin äußere That¬
sachen ein unverwerfliches Zeugniß ab: nämlich einerseits die verschiedenen
Nechtsverwahrungen, welche wegen des eventuellen Successionsrechtes im Her¬
zogthum Sachsen-Lauenburg beim Bundestage u. s. w. angebracht worden sind;
andrerseits die Proclamation. durch welche der Erbprinz Friedrich von Augusten¬
burg die Succession in Schleswig-Holstein unbedingt, in Lauenburg nur be¬
dingter Weise für sich in Anspruch nahm.

Die köthensche Zeitung meldet aus Dessau vom 21. Nov. 1863, daß der
Herzog von Anhalt das Successtonsrecht des Erbprinzen Friedrich von Augusten-
burg für Schleswig-Holstein anerkenne. Gleichzeitig habe er aber auch beim
Bundestage seine unzweideutig rechtlich vollbegründeten und ausschließlichen
Ansprüche auf das Herzogthum Sachsen-Lauenburg geltend gemacht, und gegen
die etwaige Besitznahme dieses eben genannten Landes von Seiten des jetzigen
Königs Christian des Neunten von Dänemark auf das entschiedenste Verwcch-


Zur lanenvurgischen Sneeesfionssrage.
vom historischen Standpunkte aus.

Mit Befremden liest man in officiellen Erklärungen der Minister v. Bis-
marck und Graf Rechberg, daß das Successionsrecht des Königs Christian des
Neunten von Dänemark im Herzogthum Sachsen-Lauenburg ein unzweifelhaftes
sei. Preußen und Oestreich ließen durch ihre Gesandten am Bundestage die
Erklärung abgeben: „Die Succession in Lauenburg steht dem Könige Christian
nach Ansicht beider allerhöchster Regierungen auch dann zu, wenn der londoner
Vertrag hinfällig wird, nachdem der nächstberechtigte Erbe weiland König Frie¬
drichs, der Prinz Friedrich von Hessen, seine Rechte auf König Christian über¬
tragen hat." Eine gleiche Erklärung gab Minister v. Bismarck am 1. Decem¬
ber 1863 im preußischen Abgeordnetenhause ab, und am 4. December 1863
sagte Graf Rechberg im östreichischen Abgeordnetenhause: „Nur in Bezug auf
das Herzogthum Lauenburg will ich bemerken, daß dessen Verbindung mit der
dänischen Krone in keinem Falle in Zweifel gezogen werden kann."

Wenn solche Behauptungen völlig kahl und ohne jede Begründung hin¬
gestellt werden von Männern, welche sich gelegentlich auf ihre ausgezeichnete
politische Kenntniß so viel zu Gute thun, so kann das im ersten Augen¬
blicke dem Hörer oder Leser imponiren, aber jedem denkenden Manne werden
sehr bald entschiedene Zweifel aufsteigen. Daß jene Machtsprüche der Minister¬
präsidenten der beiden deutschen Großstaaten leider dem thatsächlichen Rechte
nicht so entsprechen, wie dieselben meinen, dafür legen ohnehin äußere That¬
sachen ein unverwerfliches Zeugniß ab: nämlich einerseits die verschiedenen
Nechtsverwahrungen, welche wegen des eventuellen Successionsrechtes im Her¬
zogthum Sachsen-Lauenburg beim Bundestage u. s. w. angebracht worden sind;
andrerseits die Proclamation. durch welche der Erbprinz Friedrich von Augusten¬
burg die Succession in Schleswig-Holstein unbedingt, in Lauenburg nur be¬
dingter Weise für sich in Anspruch nahm.

Die köthensche Zeitung meldet aus Dessau vom 21. Nov. 1863, daß der
Herzog von Anhalt das Successtonsrecht des Erbprinzen Friedrich von Augusten-
burg für Schleswig-Holstein anerkenne. Gleichzeitig habe er aber auch beim
Bundestage seine unzweideutig rechtlich vollbegründeten und ausschließlichen
Ansprüche auf das Herzogthum Sachsen-Lauenburg geltend gemacht, und gegen
die etwaige Besitznahme dieses eben genannten Landes von Seiten des jetzigen
Königs Christian des Neunten von Dänemark auf das entschiedenste Verwcch-


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[0024] Zur lanenvurgischen Sneeesfionssrage. vom historischen Standpunkte aus. Mit Befremden liest man in officiellen Erklärungen der Minister v. Bis- marck und Graf Rechberg, daß das Successionsrecht des Königs Christian des Neunten von Dänemark im Herzogthum Sachsen-Lauenburg ein unzweifelhaftes sei. Preußen und Oestreich ließen durch ihre Gesandten am Bundestage die Erklärung abgeben: „Die Succession in Lauenburg steht dem Könige Christian nach Ansicht beider allerhöchster Regierungen auch dann zu, wenn der londoner Vertrag hinfällig wird, nachdem der nächstberechtigte Erbe weiland König Frie¬ drichs, der Prinz Friedrich von Hessen, seine Rechte auf König Christian über¬ tragen hat." Eine gleiche Erklärung gab Minister v. Bismarck am 1. Decem¬ ber 1863 im preußischen Abgeordnetenhause ab, und am 4. December 1863 sagte Graf Rechberg im östreichischen Abgeordnetenhause: „Nur in Bezug auf das Herzogthum Lauenburg will ich bemerken, daß dessen Verbindung mit der dänischen Krone in keinem Falle in Zweifel gezogen werden kann." Wenn solche Behauptungen völlig kahl und ohne jede Begründung hin¬ gestellt werden von Männern, welche sich gelegentlich auf ihre ausgezeichnete politische Kenntniß so viel zu Gute thun, so kann das im ersten Augen¬ blicke dem Hörer oder Leser imponiren, aber jedem denkenden Manne werden sehr bald entschiedene Zweifel aufsteigen. Daß jene Machtsprüche der Minister¬ präsidenten der beiden deutschen Großstaaten leider dem thatsächlichen Rechte nicht so entsprechen, wie dieselben meinen, dafür legen ohnehin äußere That¬ sachen ein unverwerfliches Zeugniß ab: nämlich einerseits die verschiedenen Nechtsverwahrungen, welche wegen des eventuellen Successionsrechtes im Her¬ zogthum Sachsen-Lauenburg beim Bundestage u. s. w. angebracht worden sind; andrerseits die Proclamation. durch welche der Erbprinz Friedrich von Augusten¬ burg die Succession in Schleswig-Holstein unbedingt, in Lauenburg nur be¬ dingter Weise für sich in Anspruch nahm. Die köthensche Zeitung meldet aus Dessau vom 21. Nov. 1863, daß der Herzog von Anhalt das Successtonsrecht des Erbprinzen Friedrich von Augusten- burg für Schleswig-Holstein anerkenne. Gleichzeitig habe er aber auch beim Bundestage seine unzweideutig rechtlich vollbegründeten und ausschließlichen Ansprüche auf das Herzogthum Sachsen-Lauenburg geltend gemacht, und gegen die etwaige Besitznahme dieses eben genannten Landes von Seiten des jetzigen Königs Christian des Neunten von Dänemark auf das entschiedenste Verwcch-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/24>, abgerufen am 24.07.2024.