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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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mark sein sollte, welches die von England vorgeschlagene Grundlage verwürfe.
Theils für solche Verhandlung, theils aus allgemeineren Gründen, wünschte man
jetzt eine Verlängerung des Waffenstillstands über das Frühjahr hinaus. Däne¬
mark aber konnte, sowie der Winter zu Ende ging, nach dem gesammten
Stande der Dinge aus einer Erneuerung des Krieges fast nur Gutes für sich hoffen;
bei einer längeren Fortdauer des Waffenstillstands dagegen -- so fürchtete es
-- möchten die Gewohnheiten und Verhältnisse, die aus dem ungestörten
Zusammenleben der beiden Herzogthümer unter einer besonderen Regierung ent¬
sprängen, eine seinen Absichten gefährliche Festigkeit erlangen. So knüpfte es
denn seine Zustimmung zu einer Erstreckung des Stillstandes an ganz un¬
annehmbare Bedingungen. Und für fernere Friedensverhandlungen trat es zu¬
gleich (Febr. 1849) unter Berufung auf den Rath Rußlands, mit einer neuen
Forderung auf, durch welche sich schon jetzt die Abneigung der Schleswig-hol-
steinischen Landesvcrsammlung, sich auf die "Selbständigkeit Schleswigs" ein¬
zulassen, rechtfertigte: Dänemark verlangte, bei der Selbständigkeit Schleswigs
müsse doch "die unauflösliche Verbindung" des Herzogthums mit Dänemark
unberührt bleiben. England nahm sich nun zwar (13. März) dieser Verbindung,
wiewohl nur als einer "politischen", d. h. als einer nur nach außen geltenden,
an; dem Willen Dänemarks aber, den Waffenstillstand nach Ablauf der sieben,
zu Malmö ausbedungenen Monate enden zu lassen und die Feindseligkeiten zu
erneuern, widersetzte sich fast alles. Schweden und Frankreich erhoben in
diesem Sinn ihre Stimme und auch Oestreich ließ sich einmal hören; nament¬
lich aber England protestirte heftig gegen den Wiederbeginn des Krieges und
erklärte dem dänischen Ministerium, diejenige Macht, die den Frieden breche
und den Kampf ansehe, werde sich selbst so vollständig ins Unrecht bringen, daß
sie ihrer Sache einen unersetzlichen Schaden zufüge. Unbekümmert um alle
diese Ermahnungen, Warnungen und Drohungen, kündigte Dänemark die
Waffenruhe -- und von keiner jener ermahnenden, warnenden und drohenden
Mächte hat es darum ein Leid zu erfahren gehabt!

Der Eifer des Reichsministeriums und der preußischen Regierung, auf
irgendeinem Wege zum Frieden zu gelangen, sowie das Bewußtsein des
dänischen Cavinets von den Vortheilen, deren es sich erfreute, hatten sich
während des Winters noch in Anderem als in dem bisher Erzählten zu er¬
kennen gegeben. Wiederholt war die gemeinschaftliche Negierung Schleswig-
Holsteins von Frankfurt wie von Berlin her zu einem Versuche einer directen
Verständigung mir dem dänischen Könige aufgefordert worden. Da in Kopen¬
hagen dem Rechtsbestande der gemeinschaftlichen Regierung die Anerkennung
verweigert wurde, hatte jeder derartige Versuch viel Demüthigendes an sich.
In der Hoffnung indeß, das dänische Cabinet werde von seinem Stand¬
punkte abgehn, ließ sich die gemeinschaftliche Regierung endlich, im Februar 1849,


mark sein sollte, welches die von England vorgeschlagene Grundlage verwürfe.
Theils für solche Verhandlung, theils aus allgemeineren Gründen, wünschte man
jetzt eine Verlängerung des Waffenstillstands über das Frühjahr hinaus. Däne¬
mark aber konnte, sowie der Winter zu Ende ging, nach dem gesammten
Stande der Dinge aus einer Erneuerung des Krieges fast nur Gutes für sich hoffen;
bei einer längeren Fortdauer des Waffenstillstands dagegen — so fürchtete es
— möchten die Gewohnheiten und Verhältnisse, die aus dem ungestörten
Zusammenleben der beiden Herzogthümer unter einer besonderen Regierung ent¬
sprängen, eine seinen Absichten gefährliche Festigkeit erlangen. So knüpfte es
denn seine Zustimmung zu einer Erstreckung des Stillstandes an ganz un¬
annehmbare Bedingungen. Und für fernere Friedensverhandlungen trat es zu¬
gleich (Febr. 1849) unter Berufung auf den Rath Rußlands, mit einer neuen
Forderung auf, durch welche sich schon jetzt die Abneigung der Schleswig-hol-
steinischen Landesvcrsammlung, sich auf die „Selbständigkeit Schleswigs" ein¬
zulassen, rechtfertigte: Dänemark verlangte, bei der Selbständigkeit Schleswigs
müsse doch „die unauflösliche Verbindung" des Herzogthums mit Dänemark
unberührt bleiben. England nahm sich nun zwar (13. März) dieser Verbindung,
wiewohl nur als einer „politischen", d. h. als einer nur nach außen geltenden,
an; dem Willen Dänemarks aber, den Waffenstillstand nach Ablauf der sieben,
zu Malmö ausbedungenen Monate enden zu lassen und die Feindseligkeiten zu
erneuern, widersetzte sich fast alles. Schweden und Frankreich erhoben in
diesem Sinn ihre Stimme und auch Oestreich ließ sich einmal hören; nament¬
lich aber England protestirte heftig gegen den Wiederbeginn des Krieges und
erklärte dem dänischen Ministerium, diejenige Macht, die den Frieden breche
und den Kampf ansehe, werde sich selbst so vollständig ins Unrecht bringen, daß
sie ihrer Sache einen unersetzlichen Schaden zufüge. Unbekümmert um alle
diese Ermahnungen, Warnungen und Drohungen, kündigte Dänemark die
Waffenruhe — und von keiner jener ermahnenden, warnenden und drohenden
Mächte hat es darum ein Leid zu erfahren gehabt!

Der Eifer des Reichsministeriums und der preußischen Regierung, auf
irgendeinem Wege zum Frieden zu gelangen, sowie das Bewußtsein des
dänischen Cavinets von den Vortheilen, deren es sich erfreute, hatten sich
während des Winters noch in Anderem als in dem bisher Erzählten zu er¬
kennen gegeben. Wiederholt war die gemeinschaftliche Negierung Schleswig-
Holsteins von Frankfurt wie von Berlin her zu einem Versuche einer directen
Verständigung mir dem dänischen Könige aufgefordert worden. Da in Kopen¬
hagen dem Rechtsbestande der gemeinschaftlichen Regierung die Anerkennung
verweigert wurde, hatte jeder derartige Versuch viel Demüthigendes an sich.
In der Hoffnung indeß, das dänische Cabinet werde von seinem Stand¬
punkte abgehn, ließ sich die gemeinschaftliche Regierung endlich, im Februar 1849,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/232>, abgerufen am 24.07.2024.