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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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von dänischer Seite her und trotzdem, daß die gemeinschaftliche Regierung selbst
durch den dänischen König nicht mehr als zu Recht bestehend anerkannt wurde,
fühlte sich diese Negierung durch ihre Eigenschaft als Waffenstillstandsregierung
gefesselt. Durch einen Artikel des Waffcnstillstandvertrags, der eine Vermehrung
der Schleswig-holsteinischen Truppen nährend des Stillstandes erschweren sollte,
durch einen anderen, der von anzuknüpfenden Friedensverhandlungen sprach,
ließ sie sich Rücksichten auflegen und sah sich verhindert, im Hinblick auf einen
neuen Kampf die Widerstandsfähigkeit des Landes auf die möglichste Höhe zu
bringen. Was in letzterer Beziehung geschah, war vorzüglich das Verdienst
zweier Preußen. An General Bonin hatte man einen tüchtigen Befehlshaber
für die Schleswig-holsteinischen Truppen erlangt. Daß er persönlich Theilnahme
gewonnen für die Sache, der er diente, dafür waren Beweise vorhanden. Dieser
Mann und sein Stabschef, der geniale Hauptmann Delius, arbeiteten aufs
rüstigste an der Organisation der Schleswig-holsteinischen Armee. Während des
Krieges auf 14,000 Mann gestiegen, entbehrte diese Armee in ihren neueren
Theilen noch vielfach des festen Zusammenhaltes und der gehörigen Durch¬
bildung; jetzt wurde sie an Zahl nur etwa um 1000 Mann verstärkt; an innerer
Tüchtigkeit aber trat sie bald den besten Armeen von Europa an die Seite,
und auch dafür, daß man sich zur See den Dänen wenigstens nicht ganz wehr¬
los gegenüberbefinde, ward Einiges veranstaltet.

Darüber mußte man denn Manches verschmerzen, was allerdings mit diesen
schätzenswerthen Vortheilen in engem Zusammenhange stand. War es nämlich
schon früher hauptsächlich Preußen gewesen, wo die Herzogthümer Abhilfe für
ihren Mangel an geschulten Offizieren gesucht hatten, so fand dies jetzt, unter
der Vollgewalt, mit welcher ein preußischer General die militärischen Angelegen¬
heiten des Landes bestimmte, in noch erhöhtem Maße statt. Die kriegerische
Tüchtigkeit dieser preußischen Offiziere hat allgemeine Anerkennung gefunden.
Daß aber zwischen denjenigen Anschauungen über die Stellung des Soldaten,
über unbedingte Subordinativnspflicht u. dergl., als deren vorzügliche Heimat
das preußische Heer gilt, und dem erregten Geiste von Mannschaften, die in
Folge einer Volkserhebung zu Soldaten geworden waren, nicht immer ein
voller Einklang obwaltete, läßt sich denken. Zumal da ja gerade Preußen,
um der malmöer Verhandlungen willen, argen Vorwürfen von Seiten der
Herzogthümer ausgesetzt war. Als nun gar, im November 1848, im preu¬
ßischen Staate selbst das Militär gegen die dortige Volksvertretung, als es zur
Sprengung der constituirenden Nationalversammlung verwendet wurde, blieben
starke Mißtöne nicht aus. Das Aergste geschah, als ein Schleswig-holsteinisches
Bataillon durch eine förmliche Adresse das preußische Heer aufforderte, nicht
gegen das Volk zu dienen, und als darauf ein scharfer Armeebefehl Benins
sowie die Aussicht aus strengste Bestrafung, die durch eine eingeleitete Unter--


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von dänischer Seite her und trotzdem, daß die gemeinschaftliche Regierung selbst
durch den dänischen König nicht mehr als zu Recht bestehend anerkannt wurde,
fühlte sich diese Negierung durch ihre Eigenschaft als Waffenstillstandsregierung
gefesselt. Durch einen Artikel des Waffcnstillstandvertrags, der eine Vermehrung
der Schleswig-holsteinischen Truppen nährend des Stillstandes erschweren sollte,
durch einen anderen, der von anzuknüpfenden Friedensverhandlungen sprach,
ließ sie sich Rücksichten auflegen und sah sich verhindert, im Hinblick auf einen
neuen Kampf die Widerstandsfähigkeit des Landes auf die möglichste Höhe zu
bringen. Was in letzterer Beziehung geschah, war vorzüglich das Verdienst
zweier Preußen. An General Bonin hatte man einen tüchtigen Befehlshaber
für die Schleswig-holsteinischen Truppen erlangt. Daß er persönlich Theilnahme
gewonnen für die Sache, der er diente, dafür waren Beweise vorhanden. Dieser
Mann und sein Stabschef, der geniale Hauptmann Delius, arbeiteten aufs
rüstigste an der Organisation der Schleswig-holsteinischen Armee. Während des
Krieges auf 14,000 Mann gestiegen, entbehrte diese Armee in ihren neueren
Theilen noch vielfach des festen Zusammenhaltes und der gehörigen Durch¬
bildung; jetzt wurde sie an Zahl nur etwa um 1000 Mann verstärkt; an innerer
Tüchtigkeit aber trat sie bald den besten Armeen von Europa an die Seite,
und auch dafür, daß man sich zur See den Dänen wenigstens nicht ganz wehr¬
los gegenüberbefinde, ward Einiges veranstaltet.

Darüber mußte man denn Manches verschmerzen, was allerdings mit diesen
schätzenswerthen Vortheilen in engem Zusammenhange stand. War es nämlich
schon früher hauptsächlich Preußen gewesen, wo die Herzogthümer Abhilfe für
ihren Mangel an geschulten Offizieren gesucht hatten, so fand dies jetzt, unter
der Vollgewalt, mit welcher ein preußischer General die militärischen Angelegen¬
heiten des Landes bestimmte, in noch erhöhtem Maße statt. Die kriegerische
Tüchtigkeit dieser preußischen Offiziere hat allgemeine Anerkennung gefunden.
Daß aber zwischen denjenigen Anschauungen über die Stellung des Soldaten,
über unbedingte Subordinativnspflicht u. dergl., als deren vorzügliche Heimat
das preußische Heer gilt, und dem erregten Geiste von Mannschaften, die in
Folge einer Volkserhebung zu Soldaten geworden waren, nicht immer ein
voller Einklang obwaltete, läßt sich denken. Zumal da ja gerade Preußen,
um der malmöer Verhandlungen willen, argen Vorwürfen von Seiten der
Herzogthümer ausgesetzt war. Als nun gar, im November 1848, im preu¬
ßischen Staate selbst das Militär gegen die dortige Volksvertretung, als es zur
Sprengung der constituirenden Nationalversammlung verwendet wurde, blieben
starke Mißtöne nicht aus. Das Aergste geschah, als ein Schleswig-holsteinisches
Bataillon durch eine förmliche Adresse das preußische Heer aufforderte, nicht
gegen das Volk zu dienen, und als darauf ein scharfer Armeebefehl Benins
sowie die Aussicht aus strengste Bestrafung, die durch eine eingeleitete Unter--


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/229>, abgerufen am 24.07.2024.