Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

besonders aber suchte man dadurch sich in einen festen Zustand zu versetzen, daß
man jetzt, in wenigen Tagen, die neue Verfassung durchberieth und beschloß.
Und so entschieden sich hier der Widerwille gegen den Waffenstillstand kundgab, so
groß waren die Verlegenheiten, in welche um die nämliche Zeit preußische und
dänische Diplomaten gleich bei dem ersten Schritt zur Ausführung der Be¬
dingungen geriethen. Der Versuch, um den Grafen K. Moltke herum die im
Waffenstillstande festgesetzte Regierungscommission zu sammeln, zeigte sich sowohl
nach dem Empfange, der dem Grasen ilei seinem ersten Erscheinen aus hol¬
steinischem Boden zu Theil ward, als durch die Weigerung der übrigen, zu Mit¬
gliedern bestimmten Männer, unter dem Präsidium des Grafen in die Commission
einzutreten, als unausführbar. Der preußische Generalmajor v. Bonin, von der
provisorischen Regierung eben damals an der Stelle des abtretenden Prinzen
von Noer zum Führer der Schleswig-holsteinischen Armee ausersehen, empfahl zwar
den Herzogtümern Unterwerfung unter das Unvermeidliche an, that aber doch
das Seinige, um dänische Voreiligkeiten abzuwenden und der Regierung einige
Frist zu schaffen, wie sie ihr namentlich bei dem ungewissen Stande der Dinge
in Frankfurt wünschenswerth schien.

Dort, in Frankfurt, siel denn auch zuletzt die eigentliche Entscheidung.
Auch dort verlebte man, vom S. September an, Tage der äußersten Spannung
Während aber dort die Wahrscheinlichkeit, daß das verhaßte Präsidium Karl
Moltkes in der Regierungocommissivn wegen der Unmöglichkeit des Mannes von
selbst wegfallen werde, die Annahme des Waffenstillstands in einem etwas leid¬
licheren Lichte betrachten ließ -- während ferner Preußen Hoffnung machte, es
würden noch weitere Erleichterungen zu erlangen sei", häuften sich auf der
anderen Seite die Schwierigkeiten einer förmlichen Verwerfung mehr und mehr.
Dahlmann, der seinen Sieg vom 5. September nur mit Hilfe der Linken er¬
fochten hatte, nach seiner ganzen Vergangenheit aber unmöglich mit Männern der
Linken sich zu Einem Ministerium zuscnnmeuthun konnte, mußte nach einigen
Tagen qualvollster Arbeit sich außer Stande erklären, den Auftrag des Reichs-
verwesers zur Zusammensetzung eines neuen Cabinets zu erfüllen. So befand
sich eben jetzt die deutsche Centralgewalt ohne Minister -- zu einer Zeit, wo
auch in Preußen, nach Abtreten des hansemann-auerswaldschen Ministerium,
eine schwierige Krisis statthatte. Um so gefährlicher erschien das Arbeiten der
Demokratie, welche-- zum Theil freilich ohne übergroßes eigenes Interesse an
der Schleswig-holsteinischen Sache, -- sich doch aus derselben jetzt eine treff¬
liche Waffe gegen Preußen und gegen die rechte Seite der Nationalversammlung
geschaffen; um so gewisser schien daher auch der Kampf, welchen die National¬
versammlung mit Verwerfung des Waffenstillstandes herausforderte, diese Ver¬
sammlung ganz in die Gewalt der Demokratie bringen und überhaupt in die
wildesten Strudel der Revolution hineinreißen zu müssen. Drei Tage lang,


besonders aber suchte man dadurch sich in einen festen Zustand zu versetzen, daß
man jetzt, in wenigen Tagen, die neue Verfassung durchberieth und beschloß.
Und so entschieden sich hier der Widerwille gegen den Waffenstillstand kundgab, so
groß waren die Verlegenheiten, in welche um die nämliche Zeit preußische und
dänische Diplomaten gleich bei dem ersten Schritt zur Ausführung der Be¬
dingungen geriethen. Der Versuch, um den Grafen K. Moltke herum die im
Waffenstillstande festgesetzte Regierungscommission zu sammeln, zeigte sich sowohl
nach dem Empfange, der dem Grasen ilei seinem ersten Erscheinen aus hol¬
steinischem Boden zu Theil ward, als durch die Weigerung der übrigen, zu Mit¬
gliedern bestimmten Männer, unter dem Präsidium des Grafen in die Commission
einzutreten, als unausführbar. Der preußische Generalmajor v. Bonin, von der
provisorischen Regierung eben damals an der Stelle des abtretenden Prinzen
von Noer zum Führer der Schleswig-holsteinischen Armee ausersehen, empfahl zwar
den Herzogtümern Unterwerfung unter das Unvermeidliche an, that aber doch
das Seinige, um dänische Voreiligkeiten abzuwenden und der Regierung einige
Frist zu schaffen, wie sie ihr namentlich bei dem ungewissen Stande der Dinge
in Frankfurt wünschenswerth schien.

Dort, in Frankfurt, siel denn auch zuletzt die eigentliche Entscheidung.
Auch dort verlebte man, vom S. September an, Tage der äußersten Spannung
Während aber dort die Wahrscheinlichkeit, daß das verhaßte Präsidium Karl
Moltkes in der Regierungocommissivn wegen der Unmöglichkeit des Mannes von
selbst wegfallen werde, die Annahme des Waffenstillstands in einem etwas leid¬
licheren Lichte betrachten ließ — während ferner Preußen Hoffnung machte, es
würden noch weitere Erleichterungen zu erlangen sei», häuften sich auf der
anderen Seite die Schwierigkeiten einer förmlichen Verwerfung mehr und mehr.
Dahlmann, der seinen Sieg vom 5. September nur mit Hilfe der Linken er¬
fochten hatte, nach seiner ganzen Vergangenheit aber unmöglich mit Männern der
Linken sich zu Einem Ministerium zuscnnmeuthun konnte, mußte nach einigen
Tagen qualvollster Arbeit sich außer Stande erklären, den Auftrag des Reichs-
verwesers zur Zusammensetzung eines neuen Cabinets zu erfüllen. So befand
sich eben jetzt die deutsche Centralgewalt ohne Minister — zu einer Zeit, wo
auch in Preußen, nach Abtreten des hansemann-auerswaldschen Ministerium,
eine schwierige Krisis statthatte. Um so gefährlicher erschien das Arbeiten der
Demokratie, welche— zum Theil freilich ohne übergroßes eigenes Interesse an
der Schleswig-holsteinischen Sache, — sich doch aus derselben jetzt eine treff¬
liche Waffe gegen Preußen und gegen die rechte Seite der Nationalversammlung
geschaffen; um so gewisser schien daher auch der Kampf, welchen die National¬
versammlung mit Verwerfung des Waffenstillstandes herausforderte, diese Ver¬
sammlung ganz in die Gewalt der Demokratie bringen und überhaupt in die
wildesten Strudel der Revolution hineinreißen zu müssen. Drei Tage lang,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0226" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116692"/>
          <p xml:id="ID_640" prev="#ID_639"> besonders aber suchte man dadurch sich in einen festen Zustand zu versetzen, daß<lb/>
man jetzt, in wenigen Tagen, die neue Verfassung durchberieth und beschloß.<lb/>
Und so entschieden sich hier der Widerwille gegen den Waffenstillstand kundgab, so<lb/>
groß waren die Verlegenheiten, in welche um die nämliche Zeit preußische und<lb/>
dänische Diplomaten gleich bei dem ersten Schritt zur Ausführung der Be¬<lb/>
dingungen geriethen. Der Versuch, um den Grafen K. Moltke herum die im<lb/>
Waffenstillstande festgesetzte Regierungscommission zu sammeln, zeigte sich sowohl<lb/>
nach dem Empfange, der dem Grasen ilei seinem ersten Erscheinen aus hol¬<lb/>
steinischem Boden zu Theil ward, als durch die Weigerung der übrigen, zu Mit¬<lb/>
gliedern bestimmten Männer, unter dem Präsidium des Grafen in die Commission<lb/>
einzutreten, als unausführbar. Der preußische Generalmajor v. Bonin, von der<lb/>
provisorischen Regierung eben damals an der Stelle des abtretenden Prinzen<lb/>
von Noer zum Führer der Schleswig-holsteinischen Armee ausersehen, empfahl zwar<lb/>
den Herzogtümern Unterwerfung unter das Unvermeidliche an, that aber doch<lb/>
das Seinige, um dänische Voreiligkeiten abzuwenden und der Regierung einige<lb/>
Frist zu schaffen, wie sie ihr namentlich bei dem ungewissen Stande der Dinge<lb/>
in Frankfurt wünschenswerth schien.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_641" next="#ID_642"> Dort, in Frankfurt, siel denn auch zuletzt die eigentliche Entscheidung.<lb/>
Auch dort verlebte man, vom S. September an, Tage der äußersten Spannung<lb/>
Während aber dort die Wahrscheinlichkeit, daß das verhaßte Präsidium Karl<lb/>
Moltkes in der Regierungocommissivn wegen der Unmöglichkeit des Mannes von<lb/>
selbst wegfallen werde, die Annahme des Waffenstillstands in einem etwas leid¬<lb/>
licheren Lichte betrachten ließ &#x2014; während ferner Preußen Hoffnung machte, es<lb/>
würden noch weitere Erleichterungen zu erlangen sei», häuften sich auf der<lb/>
anderen Seite die Schwierigkeiten einer förmlichen Verwerfung mehr und mehr.<lb/>
Dahlmann, der seinen Sieg vom 5. September nur mit Hilfe der Linken er¬<lb/>
fochten hatte, nach seiner ganzen Vergangenheit aber unmöglich mit Männern der<lb/>
Linken sich zu Einem Ministerium zuscnnmeuthun konnte, mußte nach einigen<lb/>
Tagen qualvollster Arbeit sich außer Stande erklären, den Auftrag des Reichs-<lb/>
verwesers zur Zusammensetzung eines neuen Cabinets zu erfüllen. So befand<lb/>
sich eben jetzt die deutsche Centralgewalt ohne Minister &#x2014; zu einer Zeit, wo<lb/>
auch in Preußen, nach Abtreten des hansemann-auerswaldschen Ministerium,<lb/>
eine schwierige Krisis statthatte. Um so gefährlicher erschien das Arbeiten der<lb/>
Demokratie, welche&#x2014; zum Theil freilich ohne übergroßes eigenes Interesse an<lb/>
der Schleswig-holsteinischen Sache, &#x2014; sich doch aus derselben jetzt eine treff¬<lb/>
liche Waffe gegen Preußen und gegen die rechte Seite der Nationalversammlung<lb/>
geschaffen; um so gewisser schien daher auch der Kampf, welchen die National¬<lb/>
versammlung mit Verwerfung des Waffenstillstandes herausforderte, diese Ver¬<lb/>
sammlung ganz in die Gewalt der Demokratie bringen und überhaupt in die<lb/>
wildesten Strudel der Revolution hineinreißen zu müssen. Drei Tage lang,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0226] besonders aber suchte man dadurch sich in einen festen Zustand zu versetzen, daß man jetzt, in wenigen Tagen, die neue Verfassung durchberieth und beschloß. Und so entschieden sich hier der Widerwille gegen den Waffenstillstand kundgab, so groß waren die Verlegenheiten, in welche um die nämliche Zeit preußische und dänische Diplomaten gleich bei dem ersten Schritt zur Ausführung der Be¬ dingungen geriethen. Der Versuch, um den Grafen K. Moltke herum die im Waffenstillstande festgesetzte Regierungscommission zu sammeln, zeigte sich sowohl nach dem Empfange, der dem Grasen ilei seinem ersten Erscheinen aus hol¬ steinischem Boden zu Theil ward, als durch die Weigerung der übrigen, zu Mit¬ gliedern bestimmten Männer, unter dem Präsidium des Grafen in die Commission einzutreten, als unausführbar. Der preußische Generalmajor v. Bonin, von der provisorischen Regierung eben damals an der Stelle des abtretenden Prinzen von Noer zum Führer der Schleswig-holsteinischen Armee ausersehen, empfahl zwar den Herzogtümern Unterwerfung unter das Unvermeidliche an, that aber doch das Seinige, um dänische Voreiligkeiten abzuwenden und der Regierung einige Frist zu schaffen, wie sie ihr namentlich bei dem ungewissen Stande der Dinge in Frankfurt wünschenswerth schien. Dort, in Frankfurt, siel denn auch zuletzt die eigentliche Entscheidung. Auch dort verlebte man, vom S. September an, Tage der äußersten Spannung Während aber dort die Wahrscheinlichkeit, daß das verhaßte Präsidium Karl Moltkes in der Regierungocommissivn wegen der Unmöglichkeit des Mannes von selbst wegfallen werde, die Annahme des Waffenstillstands in einem etwas leid¬ licheren Lichte betrachten ließ — während ferner Preußen Hoffnung machte, es würden noch weitere Erleichterungen zu erlangen sei», häuften sich auf der anderen Seite die Schwierigkeiten einer förmlichen Verwerfung mehr und mehr. Dahlmann, der seinen Sieg vom 5. September nur mit Hilfe der Linken er¬ fochten hatte, nach seiner ganzen Vergangenheit aber unmöglich mit Männern der Linken sich zu Einem Ministerium zuscnnmeuthun konnte, mußte nach einigen Tagen qualvollster Arbeit sich außer Stande erklären, den Auftrag des Reichs- verwesers zur Zusammensetzung eines neuen Cabinets zu erfüllen. So befand sich eben jetzt die deutsche Centralgewalt ohne Minister — zu einer Zeit, wo auch in Preußen, nach Abtreten des hansemann-auerswaldschen Ministerium, eine schwierige Krisis statthatte. Um so gefährlicher erschien das Arbeiten der Demokratie, welche— zum Theil freilich ohne übergroßes eigenes Interesse an der Schleswig-holsteinischen Sache, — sich doch aus derselben jetzt eine treff¬ liche Waffe gegen Preußen und gegen die rechte Seite der Nationalversammlung geschaffen; um so gewisser schien daher auch der Kampf, welchen die National¬ versammlung mit Verwerfung des Waffenstillstandes herausforderte, diese Ver¬ sammlung ganz in die Gewalt der Demokratie bringen und überhaupt in die wildesten Strudel der Revolution hineinreißen zu müssen. Drei Tage lang,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/226
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/226>, abgerufen am 24.07.2024.