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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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Punkten den Entwurf auch jetzt noch als zu günstig behandelt und wurde dadurch
vollends aus den Grenzen, die durch die Vollmacht des Reichsverwesers gesteckt
waren, hinausgedrängt. Daß in der Schleswig-holsteinischen Armee, die nach
Abzug der Bundestruppen allein die Herzogthümer besetzt halten sollte, eine
Trennung der Schleswiger von den Holsteinern, eine Verweisung jeder Ab¬
theilung in ihr Geburtsland stattzufinden hätte -- auf diese bittere, in den
malmöer Artikeln enthaltene Kränkung des Schleswig-holsteinischen Gefühls
wollten die Dänen auch jetzt nicht verzichten. Fast das Allerwichtigste jedoch
und dasjenige, wodurch wohl hauptsächlich die Dänen sich hatten bewegen lassen,
jetzt auf manchen Punkt des früher zurückgewiesenen Entwurfs von Bellevue
einzugehen, war eine Bestimmung über die Dauer der Waffenruhe. Während
man nämlich bisher immer nur einen Stillstand von drei Monaten im Auge ge¬
habt, wurde er jetzt auf sieben Monate angesetzt, sollte demnach die Dänen für den
ganzen Winter, sollte sie also gerade für die Zeit, in welch^die Ueberlegen-
heit zur See fast alle Bedeutung verlor und in welcher die Deutschen wohl
gar, über die Belle hinweg, die dänischen Inseln heimsuchen zu können mein¬
ten, in Sicherheit bringen. Endlich, um für alle Fälle Preußens gewiß zu
sein, verlangte man von ihm Abschluß des Stillstandes nicht blos in Deutsch¬
lands, sondern auch in seinem eigenen Namen, band es also auch für den Fall,
daß Centralgewalt und Nationalversammlung den Waffenstillstand doch noch
verwürfen; von dieser Centralgewalt selbst aber wurde auch jetzt in der Urkunde
keine Notiz genommen, sondern wiederum nur von einem deutschen Bunde ge¬
sprochen, in dessen Namen Preußen unterhandle.

Wohl möglich, daß die preußische Negierung sich wirklich nur die Wahl
gegeben glaubte, entweder durch Zurückweisung dieser Forderungen aus einem
ohnehin schon lästigen Kriege gegen Dänemark in Feindseligkeiten mit dem
halben Europa zu gerathen, oder durch Nachgiebigkeit "ach dieser Seite hin
sich Frieden zu erkaufen auf die Gefahr hin, mit der Eentralgewalt und der
Nationalversammlung zu zerfallen. Der Termin des 29. August, an welchem
in Kopenhagen auf den Fall, daß kein Waffenstillstand einträte, die aufgebrachten
deutschen Schiffe versteigert werden sollten, stand in drohender Nähe. Da wurde
denn, am 26. August, zu Malmö von dem preußischen General v. Below und
den dänischen Kammerherren v. Bille und v. Reedtz der Waffenstillstandsvertrag
unterzeichnet und England aufgefordert die Garantie zu übernehmen. Noch ist
Vielen von uns die gewaltige Erregung i" frischem Gedächtniß, die in Deutsch¬
land durch das wenn auch unvollständige Bekanntwerden der geschilderten Vorgänge,
sowie durch die Waffenstillstandsbedingungen selbst hervorgebracht wurde -- durch
solche Waffenstillstandsbedingungcn zwischen Deutschland und einer Macht, die
an Umfang wie an Bevölkerungszahl hinter mehren der deutschen Mittelstaaten
um vieles zurücksteht. Und zugleich, welcher Schlag für die soeben erst ge-


Punkten den Entwurf auch jetzt noch als zu günstig behandelt und wurde dadurch
vollends aus den Grenzen, die durch die Vollmacht des Reichsverwesers gesteckt
waren, hinausgedrängt. Daß in der Schleswig-holsteinischen Armee, die nach
Abzug der Bundestruppen allein die Herzogthümer besetzt halten sollte, eine
Trennung der Schleswiger von den Holsteinern, eine Verweisung jeder Ab¬
theilung in ihr Geburtsland stattzufinden hätte — auf diese bittere, in den
malmöer Artikeln enthaltene Kränkung des Schleswig-holsteinischen Gefühls
wollten die Dänen auch jetzt nicht verzichten. Fast das Allerwichtigste jedoch
und dasjenige, wodurch wohl hauptsächlich die Dänen sich hatten bewegen lassen,
jetzt auf manchen Punkt des früher zurückgewiesenen Entwurfs von Bellevue
einzugehen, war eine Bestimmung über die Dauer der Waffenruhe. Während
man nämlich bisher immer nur einen Stillstand von drei Monaten im Auge ge¬
habt, wurde er jetzt auf sieben Monate angesetzt, sollte demnach die Dänen für den
ganzen Winter, sollte sie also gerade für die Zeit, in welch^die Ueberlegen-
heit zur See fast alle Bedeutung verlor und in welcher die Deutschen wohl
gar, über die Belle hinweg, die dänischen Inseln heimsuchen zu können mein¬
ten, in Sicherheit bringen. Endlich, um für alle Fälle Preußens gewiß zu
sein, verlangte man von ihm Abschluß des Stillstandes nicht blos in Deutsch¬
lands, sondern auch in seinem eigenen Namen, band es also auch für den Fall,
daß Centralgewalt und Nationalversammlung den Waffenstillstand doch noch
verwürfen; von dieser Centralgewalt selbst aber wurde auch jetzt in der Urkunde
keine Notiz genommen, sondern wiederum nur von einem deutschen Bunde ge¬
sprochen, in dessen Namen Preußen unterhandle.

Wohl möglich, daß die preußische Negierung sich wirklich nur die Wahl
gegeben glaubte, entweder durch Zurückweisung dieser Forderungen aus einem
ohnehin schon lästigen Kriege gegen Dänemark in Feindseligkeiten mit dem
halben Europa zu gerathen, oder durch Nachgiebigkeit »ach dieser Seite hin
sich Frieden zu erkaufen auf die Gefahr hin, mit der Eentralgewalt und der
Nationalversammlung zu zerfallen. Der Termin des 29. August, an welchem
in Kopenhagen auf den Fall, daß kein Waffenstillstand einträte, die aufgebrachten
deutschen Schiffe versteigert werden sollten, stand in drohender Nähe. Da wurde
denn, am 26. August, zu Malmö von dem preußischen General v. Below und
den dänischen Kammerherren v. Bille und v. Reedtz der Waffenstillstandsvertrag
unterzeichnet und England aufgefordert die Garantie zu übernehmen. Noch ist
Vielen von uns die gewaltige Erregung i» frischem Gedächtniß, die in Deutsch¬
land durch das wenn auch unvollständige Bekanntwerden der geschilderten Vorgänge,
sowie durch die Waffenstillstandsbedingungen selbst hervorgebracht wurde — durch
solche Waffenstillstandsbedingungcn zwischen Deutschland und einer Macht, die
an Umfang wie an Bevölkerungszahl hinter mehren der deutschen Mittelstaaten
um vieles zurücksteht. Und zugleich, welcher Schlag für die soeben erst ge-


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[0224] Punkten den Entwurf auch jetzt noch als zu günstig behandelt und wurde dadurch vollends aus den Grenzen, die durch die Vollmacht des Reichsverwesers gesteckt waren, hinausgedrängt. Daß in der Schleswig-holsteinischen Armee, die nach Abzug der Bundestruppen allein die Herzogthümer besetzt halten sollte, eine Trennung der Schleswiger von den Holsteinern, eine Verweisung jeder Ab¬ theilung in ihr Geburtsland stattzufinden hätte — auf diese bittere, in den malmöer Artikeln enthaltene Kränkung des Schleswig-holsteinischen Gefühls wollten die Dänen auch jetzt nicht verzichten. Fast das Allerwichtigste jedoch und dasjenige, wodurch wohl hauptsächlich die Dänen sich hatten bewegen lassen, jetzt auf manchen Punkt des früher zurückgewiesenen Entwurfs von Bellevue einzugehen, war eine Bestimmung über die Dauer der Waffenruhe. Während man nämlich bisher immer nur einen Stillstand von drei Monaten im Auge ge¬ habt, wurde er jetzt auf sieben Monate angesetzt, sollte demnach die Dänen für den ganzen Winter, sollte sie also gerade für die Zeit, in welch^die Ueberlegen- heit zur See fast alle Bedeutung verlor und in welcher die Deutschen wohl gar, über die Belle hinweg, die dänischen Inseln heimsuchen zu können mein¬ ten, in Sicherheit bringen. Endlich, um für alle Fälle Preußens gewiß zu sein, verlangte man von ihm Abschluß des Stillstandes nicht blos in Deutsch¬ lands, sondern auch in seinem eigenen Namen, band es also auch für den Fall, daß Centralgewalt und Nationalversammlung den Waffenstillstand doch noch verwürfen; von dieser Centralgewalt selbst aber wurde auch jetzt in der Urkunde keine Notiz genommen, sondern wiederum nur von einem deutschen Bunde ge¬ sprochen, in dessen Namen Preußen unterhandle. Wohl möglich, daß die preußische Negierung sich wirklich nur die Wahl gegeben glaubte, entweder durch Zurückweisung dieser Forderungen aus einem ohnehin schon lästigen Kriege gegen Dänemark in Feindseligkeiten mit dem halben Europa zu gerathen, oder durch Nachgiebigkeit »ach dieser Seite hin sich Frieden zu erkaufen auf die Gefahr hin, mit der Eentralgewalt und der Nationalversammlung zu zerfallen. Der Termin des 29. August, an welchem in Kopenhagen auf den Fall, daß kein Waffenstillstand einträte, die aufgebrachten deutschen Schiffe versteigert werden sollten, stand in drohender Nähe. Da wurde denn, am 26. August, zu Malmö von dem preußischen General v. Below und den dänischen Kammerherren v. Bille und v. Reedtz der Waffenstillstandsvertrag unterzeichnet und England aufgefordert die Garantie zu übernehmen. Noch ist Vielen von uns die gewaltige Erregung i» frischem Gedächtniß, die in Deutsch¬ land durch das wenn auch unvollständige Bekanntwerden der geschilderten Vorgänge, sowie durch die Waffenstillstandsbedingungen selbst hervorgebracht wurde — durch solche Waffenstillstandsbedingungcn zwischen Deutschland und einer Macht, die an Umfang wie an Bevölkerungszahl hinter mehren der deutschen Mittelstaaten um vieles zurücksteht. Und zugleich, welcher Schlag für die soeben erst ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/224>, abgerufen am 24.07.2024.