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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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thümer ist ein solches Einlenken sogar wahrscheinlich geworden. Wir dürfen
wenigstens, ohne Herrn von Bismarck Unrecht zu thun behaupten, daß er,
um mit der Last seines Amtes nicht andere Schultern zu beschweren, dem Zwang
der Thatsachen und den Ansichten seines Königs zu Liebe jede Schwenkung
durchzumachen entschlossen ist.

Wird den Preußen und Oestreichern in Schleswig von den Dänen Wider¬
stand geleistet, so bricht mit dem Kriege von selbst eine andere Auffassung der
Frage durch, wie ja Preußen nach der Versicherung des Herrn v. Beust bereits
erklärt hat, daß es sich in diesem Fall nicht mehr an den londoner Vertrag
gebunden erachte. Denn der Fall liegt jetzt keineswegs so, wie in den Jahren
1848 und 49. Ein Veto Rußlands und die Drohung Ostpreußen zu besetzen
haben nickt mehr maßgebende Wirkung, wie damals, und dem preußischen Heere
zum zweiten Mal eine politische Niederlage wie die von 1848 bis 1862 war,
zu bieten, wird jetzt keineswegs als rathsam erscheinen, wo die Stimmung des
Heeres die einzige Macht ist, welcher die Regierung vertrauen kann. Des¬
halb ist, im Fall der Waffenkampf mit Dänemark beginnt, eine Schwenkung der
preußischen Politik nicht sicher, aber wahrscheinlich geworden.

Aber selbst wenn die Dänen sich zurückziehen und die Truppen der Gro߬
mächte kampflos Schleswig besetzen, wird die Anerkennung des Herzogs von
Schleswig-Holstein durch die Majorität des Bundes für Preußen eine Ent¬
scheidung nothwendig machen, bei welcher aus der einen Seite eine Versöhnung
mit dem übrigen Deutschland und ein bequemes Einbiegen in die Bahn preu¬
ßischer Interessen, auf der andern Seite eine gefährliche Verstockung in einer
grotesken und abenteuerlichen Politik und eine kaum zu entwirrende Confusion
zu erwarten sind.

Und wer unbefangen die Haltung der preußischen Regierung gegen Däne¬
mark und gegen die eigenen Kammern betrachtet, die peremtorische Forderung,
das eifrige Vorgehen, die Erwartung des Heeres selbst, der wird die Ansicht
nicht abwehren können, daß schon jetzt die Ansichten über Lösung der holsteinischen
Frage in Berlin der Sache der Herzogthümer günstiger geworden sind. Natür¬
lich wird die Opposition im Volke sich mit solchen Anzeichen nicht beruhigen
und der Widerwille, mit dem man in Deutschland die preußische Politik betrachtet,
wird erst langsam handgreiflichen Beweisen weichen. Und er wird noch lange
durch die Polizeityrannei gegen ausgesteckte Fahnen und andere abgeschmackte
Kleinlichkeiten genährt werden, wenn in der Hauptsache an einem Umschwung
zum Bessern nicht mehr zu zweifeln ist. Unterdeß wird die Stellung des
Herzogs von Holstein zwischen den Bundescommissaren und den Truppen der
Großmächte mit jedem Tage schwieriger. Es versteht sich von selbst, daß er
aushalten muß. Daß ör sich in Holstein festgesetzt, hat ihm vorläufig die besten
Aussichten auf diesen Theil seines Erbes bereitet, das deutsche Schleswig mag


thümer ist ein solches Einlenken sogar wahrscheinlich geworden. Wir dürfen
wenigstens, ohne Herrn von Bismarck Unrecht zu thun behaupten, daß er,
um mit der Last seines Amtes nicht andere Schultern zu beschweren, dem Zwang
der Thatsachen und den Ansichten seines Königs zu Liebe jede Schwenkung
durchzumachen entschlossen ist.

Wird den Preußen und Oestreichern in Schleswig von den Dänen Wider¬
stand geleistet, so bricht mit dem Kriege von selbst eine andere Auffassung der
Frage durch, wie ja Preußen nach der Versicherung des Herrn v. Beust bereits
erklärt hat, daß es sich in diesem Fall nicht mehr an den londoner Vertrag
gebunden erachte. Denn der Fall liegt jetzt keineswegs so, wie in den Jahren
1848 und 49. Ein Veto Rußlands und die Drohung Ostpreußen zu besetzen
haben nickt mehr maßgebende Wirkung, wie damals, und dem preußischen Heere
zum zweiten Mal eine politische Niederlage wie die von 1848 bis 1862 war,
zu bieten, wird jetzt keineswegs als rathsam erscheinen, wo die Stimmung des
Heeres die einzige Macht ist, welcher die Regierung vertrauen kann. Des¬
halb ist, im Fall der Waffenkampf mit Dänemark beginnt, eine Schwenkung der
preußischen Politik nicht sicher, aber wahrscheinlich geworden.

Aber selbst wenn die Dänen sich zurückziehen und die Truppen der Gro߬
mächte kampflos Schleswig besetzen, wird die Anerkennung des Herzogs von
Schleswig-Holstein durch die Majorität des Bundes für Preußen eine Ent¬
scheidung nothwendig machen, bei welcher aus der einen Seite eine Versöhnung
mit dem übrigen Deutschland und ein bequemes Einbiegen in die Bahn preu¬
ßischer Interessen, auf der andern Seite eine gefährliche Verstockung in einer
grotesken und abenteuerlichen Politik und eine kaum zu entwirrende Confusion
zu erwarten sind.

Und wer unbefangen die Haltung der preußischen Regierung gegen Däne¬
mark und gegen die eigenen Kammern betrachtet, die peremtorische Forderung,
das eifrige Vorgehen, die Erwartung des Heeres selbst, der wird die Ansicht
nicht abwehren können, daß schon jetzt die Ansichten über Lösung der holsteinischen
Frage in Berlin der Sache der Herzogthümer günstiger geworden sind. Natür¬
lich wird die Opposition im Volke sich mit solchen Anzeichen nicht beruhigen
und der Widerwille, mit dem man in Deutschland die preußische Politik betrachtet,
wird erst langsam handgreiflichen Beweisen weichen. Und er wird noch lange
durch die Polizeityrannei gegen ausgesteckte Fahnen und andere abgeschmackte
Kleinlichkeiten genährt werden, wenn in der Hauptsache an einem Umschwung
zum Bessern nicht mehr zu zweifeln ist. Unterdeß wird die Stellung des
Herzogs von Holstein zwischen den Bundescommissaren und den Truppen der
Großmächte mit jedem Tage schwieriger. Es versteht sich von selbst, daß er
aushalten muß. Daß ör sich in Holstein festgesetzt, hat ihm vorläufig die besten
Aussichten auf diesen Theil seines Erbes bereitet, das deutsche Schleswig mag


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/207>, abgerufen am 24.07.2024.