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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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men. Dienstbeinkleider. Mützen. Ueberröcke und alles ganz dienstmäßig. Ich
meinestheils besorgte mir zunächst bei einem Schneider ein paar neue Beinkleider,
und da mein Ueberrock noch gut und nur durch den Transport in der Gefangen-
schaft etwas unscheinbar geworden war. beschloß ich ihn wenden zu lassen.
Vorher kaufte ich mir einen Säbel mit Porte6p6e und Kuppel; wir Füsiliere
trugen damals Säbel mit polirter Stahlscheide und schwarzlackirter Kuppel über
dem Ueberrock. Eine neue Uniform war mir zu theuer, dagegen wurde eine
neue Dienstmütze angeschafft. Dann begab ich mich zu dem Schneider zurück
und fragte, in wie viel Zeit er mir den Nock wohl wenden könne? Er er¬
widerte: "In fünf Stunden." -- "Gut, aber was soll ich während der Zeit
machen? Ich kann doch hier nicht sitzen bleiben?" -- Er wußte Rath und er¬
bot sich, mir einen passenden neuen Civilüberrock aus seinen Vorräthen zu
leihen, ich könne dann umher gehen und das Palais royal ansehen, wobei mir
die Zeit nicht lang werden würde. Das nahm ich gern an, zumal er nur
eine Kleinigkeit für das Leiden forderte. Im Palais royal war so viel zu se¬
hen, daß die fünf Stunden vergangen waren, ehe ich es inne wurde. Die
Forderung des Schneiders war nicht unbillig, ich glaube, ich zahlte nicht mehr
als acht Franken für das Wenden des Rocks und für neue Tressen auf den
Achselklappen; die Epaulettes haben wir, glaube ich, erst im Jahr 1815 er¬
halten.

Mein Geld war durch den Ankauf um die Hälfte geschmolzen, unser
Quartierbillet war in zwei Tagen abgelaufen, und es war vorauszusehen, daß
mir der Commandant keine Verlängerung gewähren würde, und ich wäre doch
gar zu gern noch einige Zeit in Paris geblieben. Wie das anfangen? ich
mußte noch Geld haben, aber woher? --- Da siel mir ein, daß der Graf Lot-
tum ja auch in Paris sein müßte, da er Minister war und die Chatoulle des
Königs unter sich hatte, aus welcher er mir damals das Geld für mich und
meine Kameraden in Troyes gezahlt. Ich erfragte bald sein Quartier und
ging des andern Tages gleich zu ihm. Er empfing mich ausnehmend freund¬
lich, fragte mich über mein ferneres Ergehen bis jetzt genau aus, ich erzählte
ihm alles, er hörte mir mit sichtlicher Theilnahme zu und lud mich zum Früh¬
stück ein. Aber als ich mit meinem Anliegen herausrücken wollte, wurde plötz¬
lich -- o wehe! -- der Staatsrath v. Ribbentrvp gemeldet. Jetzt, dachte ich,
ist dein Plan in den Born gefallen, da er dir gestern erst 50 Thlr. gezahlt
hat. Aber die Sache gestaltete sich doch besser. Der Staatsrath trat ein, er
begrüßte mich auch, ich dankte so verbindlich, als es mir in meiner Betrübniß
möglich war. Er blieb auch zum Frühstück, und während desselben fand sich
eine Gelegenheit, wo Herr v. Nibbentrop an mich herantreten und mir zuflüstern
konnte: "Sie wollen gewiß Geld vom Minister haben? Sagen Sie nichts, son¬
dern kommen Sie morgen zu mir, ich kann Ihnen jetzt so viel geben, wie Sie


men. Dienstbeinkleider. Mützen. Ueberröcke und alles ganz dienstmäßig. Ich
meinestheils besorgte mir zunächst bei einem Schneider ein paar neue Beinkleider,
und da mein Ueberrock noch gut und nur durch den Transport in der Gefangen-
schaft etwas unscheinbar geworden war. beschloß ich ihn wenden zu lassen.
Vorher kaufte ich mir einen Säbel mit Porte6p6e und Kuppel; wir Füsiliere
trugen damals Säbel mit polirter Stahlscheide und schwarzlackirter Kuppel über
dem Ueberrock. Eine neue Uniform war mir zu theuer, dagegen wurde eine
neue Dienstmütze angeschafft. Dann begab ich mich zu dem Schneider zurück
und fragte, in wie viel Zeit er mir den Nock wohl wenden könne? Er er¬
widerte: „In fünf Stunden." — „Gut, aber was soll ich während der Zeit
machen? Ich kann doch hier nicht sitzen bleiben?" — Er wußte Rath und er¬
bot sich, mir einen passenden neuen Civilüberrock aus seinen Vorräthen zu
leihen, ich könne dann umher gehen und das Palais royal ansehen, wobei mir
die Zeit nicht lang werden würde. Das nahm ich gern an, zumal er nur
eine Kleinigkeit für das Leiden forderte. Im Palais royal war so viel zu se¬
hen, daß die fünf Stunden vergangen waren, ehe ich es inne wurde. Die
Forderung des Schneiders war nicht unbillig, ich glaube, ich zahlte nicht mehr
als acht Franken für das Wenden des Rocks und für neue Tressen auf den
Achselklappen; die Epaulettes haben wir, glaube ich, erst im Jahr 1815 er¬
halten.

Mein Geld war durch den Ankauf um die Hälfte geschmolzen, unser
Quartierbillet war in zwei Tagen abgelaufen, und es war vorauszusehen, daß
mir der Commandant keine Verlängerung gewähren würde, und ich wäre doch
gar zu gern noch einige Zeit in Paris geblieben. Wie das anfangen? ich
mußte noch Geld haben, aber woher? —- Da siel mir ein, daß der Graf Lot-
tum ja auch in Paris sein müßte, da er Minister war und die Chatoulle des
Königs unter sich hatte, aus welcher er mir damals das Geld für mich und
meine Kameraden in Troyes gezahlt. Ich erfragte bald sein Quartier und
ging des andern Tages gleich zu ihm. Er empfing mich ausnehmend freund¬
lich, fragte mich über mein ferneres Ergehen bis jetzt genau aus, ich erzählte
ihm alles, er hörte mir mit sichtlicher Theilnahme zu und lud mich zum Früh¬
stück ein. Aber als ich mit meinem Anliegen herausrücken wollte, wurde plötz¬
lich — o wehe! — der Staatsrath v. Ribbentrvp gemeldet. Jetzt, dachte ich,
ist dein Plan in den Born gefallen, da er dir gestern erst 50 Thlr. gezahlt
hat. Aber die Sache gestaltete sich doch besser. Der Staatsrath trat ein, er
begrüßte mich auch, ich dankte so verbindlich, als es mir in meiner Betrübniß
möglich war. Er blieb auch zum Frühstück, und während desselben fand sich
eine Gelegenheit, wo Herr v. Nibbentrop an mich herantreten und mir zuflüstern
konnte: „Sie wollen gewiß Geld vom Minister haben? Sagen Sie nichts, son¬
dern kommen Sie morgen zu mir, ich kann Ihnen jetzt so viel geben, wie Sie


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/201>, abgerufen am 24.07.2024.