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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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Apenrade wurde geräumt. Der Feind holte nämlich jetzt fast seine ganze Armee
auf Athen beisammen und bedrohte von dort, etwa 14,000 Mann stark, weit im Rücken
des General Wrangel, die 9000 Mann des 10. Bundesarmeecorps unter Ge¬
neral Halkett. Ohne Verstärkungen sowohl für diesen letzteren, wie für sich selbst ge¬
lassen, glaubte jetzt Wrangel durchaus sich selbst in die Nähe Halketts ziehen
zu müssen, um sowohl diesen als sich gegen eine Niederlage zu sichern"). Wie
aber dann, trotz der Eilfertigkeit des Rückzuges, dem General Halkett die
nöthige Unterstützung Wrangcls nicht zeitig genug kam, um ihn vor bedeutenden
Verlusten, die ihn in einem Gefechte am 28. Mai bei Düppel trafen, zu be¬
wahren, das gehört wieder zu den mancherlei Unbegreiflichsten dieses Krieges;
und auch ein Versuch des General Wrangel (3. Juni), den Dänen im Sunde-
witt ihren Rückweg nach der Insel Alsen abzuschneiden, wollte nicht glücken.

Der Jubel der Dänen über die glücklichen Gefechte im Sundewitt und
über den wrangelschen Rückzug aus Jütland war nicht ohne Grund; ja er war,
wie die Zukunft lehrte, noch berechtigter als die Jubelnden selbst ahnen konn¬
ten. Denn dieser Rückzug aus Jütland ist in der That epochemachend gewor¬
den in der Geschichte des Krieges. Zunächst, welche tiefe Demüthigung für
das große Deutschland, Nordschleswig den Dänen preiszugeben, die alsbald,
von Fünen und später auch von Alsen, Streitkräfte hinübersetzten und ähnlich,
wie sie schon nach dem Treffen bei Bau gethan, durch Hinwegführung an¬
gesehener Einwohner und sonstige Mißhandlungen die Sympathien bestraften,
die während ihrer Abwesenheit für die deutsche Sache bekundet worden waren.
Daß der Obrist v. d. Tann mit seinen L00 Mann einem dänischen Corps von
S000 Mann bei Hoptrup so trefflich zu imponiren verstand, daß dasselbe eiligst
gegen die jütländische Grenze entfloh, brachte nur für wenige Tage eine Erleich¬
terung. Eine Menge patriotisch gesinnter Bürger entwich nach dem Süden
und schickte flehentliche Hilferufe an die deutsche Nationalversammlung, die seit dem
18. Mai in Frankfurt tagte. Die Verhandlungen dieser Versammlung bewiesen,
daß bei allem eifrigen Willen auch sie nicht die Stellung und die Mittel hatte,
um selbständig den fehlenden Nachdruck in die Betreibung des Krieges zu bringen.
Und wie sich nun inmitten der nationalen Erneuerung, deren sich Deutschland
rühmte, die Einzelregierungen doch wieder so uneinig und unentschlossen gezeigt
in der Behandlung der gemeinsamen Angelegenheit, wie namentlich Preußen in
seinem Verdrusse einen sehr entschiednen Willen, Frieden zu schließen, an den



') In dieser Erklärung des vielbksprochenen Rückzugs -- entgegengesetzt der Erklärung
aus einer russischen Drohnote oder aus dein Stande der londoner Waffenstillstandsverhand-
lungen, stimmen die Actenstücke zur Schleswig-holsteinischen Geschichte mit W, Beselcrs An¬
deutungen überein, und eine genaue Vergleichung der Thatsachen nöthigt entschieden, ihr den
Porzug zu geben.

Apenrade wurde geräumt. Der Feind holte nämlich jetzt fast seine ganze Armee
auf Athen beisammen und bedrohte von dort, etwa 14,000 Mann stark, weit im Rücken
des General Wrangel, die 9000 Mann des 10. Bundesarmeecorps unter Ge¬
neral Halkett. Ohne Verstärkungen sowohl für diesen letzteren, wie für sich selbst ge¬
lassen, glaubte jetzt Wrangel durchaus sich selbst in die Nähe Halketts ziehen
zu müssen, um sowohl diesen als sich gegen eine Niederlage zu sichern"). Wie
aber dann, trotz der Eilfertigkeit des Rückzuges, dem General Halkett die
nöthige Unterstützung Wrangcls nicht zeitig genug kam, um ihn vor bedeutenden
Verlusten, die ihn in einem Gefechte am 28. Mai bei Düppel trafen, zu be¬
wahren, das gehört wieder zu den mancherlei Unbegreiflichsten dieses Krieges;
und auch ein Versuch des General Wrangel (3. Juni), den Dänen im Sunde-
witt ihren Rückweg nach der Insel Alsen abzuschneiden, wollte nicht glücken.

Der Jubel der Dänen über die glücklichen Gefechte im Sundewitt und
über den wrangelschen Rückzug aus Jütland war nicht ohne Grund; ja er war,
wie die Zukunft lehrte, noch berechtigter als die Jubelnden selbst ahnen konn¬
ten. Denn dieser Rückzug aus Jütland ist in der That epochemachend gewor¬
den in der Geschichte des Krieges. Zunächst, welche tiefe Demüthigung für
das große Deutschland, Nordschleswig den Dänen preiszugeben, die alsbald,
von Fünen und später auch von Alsen, Streitkräfte hinübersetzten und ähnlich,
wie sie schon nach dem Treffen bei Bau gethan, durch Hinwegführung an¬
gesehener Einwohner und sonstige Mißhandlungen die Sympathien bestraften,
die während ihrer Abwesenheit für die deutsche Sache bekundet worden waren.
Daß der Obrist v. d. Tann mit seinen L00 Mann einem dänischen Corps von
S000 Mann bei Hoptrup so trefflich zu imponiren verstand, daß dasselbe eiligst
gegen die jütländische Grenze entfloh, brachte nur für wenige Tage eine Erleich¬
terung. Eine Menge patriotisch gesinnter Bürger entwich nach dem Süden
und schickte flehentliche Hilferufe an die deutsche Nationalversammlung, die seit dem
18. Mai in Frankfurt tagte. Die Verhandlungen dieser Versammlung bewiesen,
daß bei allem eifrigen Willen auch sie nicht die Stellung und die Mittel hatte,
um selbständig den fehlenden Nachdruck in die Betreibung des Krieges zu bringen.
Und wie sich nun inmitten der nationalen Erneuerung, deren sich Deutschland
rühmte, die Einzelregierungen doch wieder so uneinig und unentschlossen gezeigt
in der Behandlung der gemeinsamen Angelegenheit, wie namentlich Preußen in
seinem Verdrusse einen sehr entschiednen Willen, Frieden zu schließen, an den



') In dieser Erklärung des vielbksprochenen Rückzugs — entgegengesetzt der Erklärung
aus einer russischen Drohnote oder aus dein Stande der londoner Waffenstillstandsverhand-
lungen, stimmen die Actenstücke zur Schleswig-holsteinischen Geschichte mit W, Beselcrs An¬
deutungen überein, und eine genaue Vergleichung der Thatsachen nöthigt entschieden, ihr den
Porzug zu geben.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/185>, abgerufen am 24.07.2024.