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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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willigen. Wrangel begnügte sich denn auch mit dem kleinen Strich von Jüt¬
land, den er von Anfang an besetzt hatte. Nur einzelne Trupps der Preußen
streiften, um Lieferungen einzutreiben, tiefer ins Land; ehe er jedoch ganz nach
Schleswig zurückginge, verlangte der General Herausgabe der aufgebrachten
Schiffe und der schleswigschen Insel Alsen von Seiten der Dänen.

Aber gerade jetzt sollte sich der Werth dieser Insel in einer für die deutsche
Sache verhängnißvollen Weise an den Tag legen. Als Herren der See konn¬
ten die Dänen je nach Belieben ihre ganze Heereskraft auf Alsen oder auf dem
festen Lande zusammenziehen und so mit gesammelter Macht immer nur den
einen Theil der deutschen Streitkräfte, entweder die Preußen und Schleswig-
Holsteiner in Jütland, oder im Sundewitt die Truppen des 10. Bundes-
armeccorps bedrohen. Wrangel glaubte, wenn er nach beiden Seiten in
gehöriger Macht dastehn sollte, um so dringender einer Verstärkung zu bedürfen,
als er nicht blos auf die Dänen Rücksicht nahm, sondern zugleich auf ein
mögliches Eingreifen der Schweden gefaßt sein zu müssen meinte. Einstweilen,
wohl um die Dänen von Alsen, wo sie dem 10. Bundesarmeecorps gegenüber sich
in immer wachsender Anzahl sammelten, einigermaßen nach Jütland abzuziehen,
schrieb er über dies^Land eine Contribution aus, angeblich als Entgelt für die Ver¬
luste, die der deutsche Handel durch Aufbringung von Schiffen und durch Blokade
erlitten. In der That sendeten darauf die Jütländer eine Deputation nach Kopen¬
hagen mit der Drohung, für den Fall, daß sie noch länger ohne Schutz gelassen
würden, ihre Sache von der Sache der Jnseldänen zu trennen. Da kam ihnen
Rettung und alle erwünschte Sicherheit aus dem traurigen Stande der deut¬
schen Sache. Das große Deutschland mit seinen Hunderttausenden von wohl¬
gerüsteten Kriegern zeigte sich jetzt unfähig, nur die 30,000 zusammenzubringen,
deren man als Nachschub für die Betreibung der volkstümlichsten Sache bedürfte.
Bon den Staaten des 10. Bundesarmeecorps waren die Verstärkungen, die man von
ihnen nachsuchte, nicht zu erlangen. Darauf und auf noch Anderes wies die preu¬
ßische Regierung hin; sie fühlte sich verletzt darüber, daß die provisorische Regierung
selbst, auf Grund eines Bundesbcschlusscs, der dies gestattete, von den dänischen
Schiffen in den Schleswig-holsteinischen Häfen das über sie verhängte Embargo
hinweggenommen hatte; und dieses Versälle" der Mittelstaaten sowie diese
Maßregel der Schleswig-Holsteiner diente hinwider dem preußischen Cabinet als
Rechtfertigungsgrund, auf welchen hin es nicht blos seinerseits dem General
Wrangel die gewünschten Verstärkungen ebenfalls verweigerte, sondern ihm auch,
zur Vermeidung politischer Verwickelungen, den Rückzug aus Jütland anbefahl.

Dieser Rückzug aber war von Wrangel schon beschlossen, ehe der Befehl
dazu bei ihm eintraf; und was dabei das Aergste war -- er ging noch viel
weiter, als ihn die Weisungen der berliner Regierung bestimmten. Nicht blos
Jütland, sondern auch der Norden von Schleswig bis in die Gegend von


willigen. Wrangel begnügte sich denn auch mit dem kleinen Strich von Jüt¬
land, den er von Anfang an besetzt hatte. Nur einzelne Trupps der Preußen
streiften, um Lieferungen einzutreiben, tiefer ins Land; ehe er jedoch ganz nach
Schleswig zurückginge, verlangte der General Herausgabe der aufgebrachten
Schiffe und der schleswigschen Insel Alsen von Seiten der Dänen.

Aber gerade jetzt sollte sich der Werth dieser Insel in einer für die deutsche
Sache verhängnißvollen Weise an den Tag legen. Als Herren der See konn¬
ten die Dänen je nach Belieben ihre ganze Heereskraft auf Alsen oder auf dem
festen Lande zusammenziehen und so mit gesammelter Macht immer nur den
einen Theil der deutschen Streitkräfte, entweder die Preußen und Schleswig-
Holsteiner in Jütland, oder im Sundewitt die Truppen des 10. Bundes-
armeccorps bedrohen. Wrangel glaubte, wenn er nach beiden Seiten in
gehöriger Macht dastehn sollte, um so dringender einer Verstärkung zu bedürfen,
als er nicht blos auf die Dänen Rücksicht nahm, sondern zugleich auf ein
mögliches Eingreifen der Schweden gefaßt sein zu müssen meinte. Einstweilen,
wohl um die Dänen von Alsen, wo sie dem 10. Bundesarmeecorps gegenüber sich
in immer wachsender Anzahl sammelten, einigermaßen nach Jütland abzuziehen,
schrieb er über dies^Land eine Contribution aus, angeblich als Entgelt für die Ver¬
luste, die der deutsche Handel durch Aufbringung von Schiffen und durch Blokade
erlitten. In der That sendeten darauf die Jütländer eine Deputation nach Kopen¬
hagen mit der Drohung, für den Fall, daß sie noch länger ohne Schutz gelassen
würden, ihre Sache von der Sache der Jnseldänen zu trennen. Da kam ihnen
Rettung und alle erwünschte Sicherheit aus dem traurigen Stande der deut¬
schen Sache. Das große Deutschland mit seinen Hunderttausenden von wohl¬
gerüsteten Kriegern zeigte sich jetzt unfähig, nur die 30,000 zusammenzubringen,
deren man als Nachschub für die Betreibung der volkstümlichsten Sache bedürfte.
Bon den Staaten des 10. Bundesarmeecorps waren die Verstärkungen, die man von
ihnen nachsuchte, nicht zu erlangen. Darauf und auf noch Anderes wies die preu¬
ßische Regierung hin; sie fühlte sich verletzt darüber, daß die provisorische Regierung
selbst, auf Grund eines Bundesbcschlusscs, der dies gestattete, von den dänischen
Schiffen in den Schleswig-holsteinischen Häfen das über sie verhängte Embargo
hinweggenommen hatte; und dieses Versälle» der Mittelstaaten sowie diese
Maßregel der Schleswig-Holsteiner diente hinwider dem preußischen Cabinet als
Rechtfertigungsgrund, auf welchen hin es nicht blos seinerseits dem General
Wrangel die gewünschten Verstärkungen ebenfalls verweigerte, sondern ihm auch,
zur Vermeidung politischer Verwickelungen, den Rückzug aus Jütland anbefahl.

Dieser Rückzug aber war von Wrangel schon beschlossen, ehe der Befehl
dazu bei ihm eintraf; und was dabei das Aergste war — er ging noch viel
weiter, als ihn die Weisungen der berliner Regierung bestimmten. Nicht blos
Jütland, sondern auch der Norden von Schleswig bis in die Gegend von


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/184>, abgerufen am 24.07.2024.