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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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wig.Holstein. Während sich anderwärts in jenen wildbewegten Tagen Völker
gegen die Fürsten erHoden, kämpften hier zwei Völkerschaften gegen einander,
und daß die Dänen sich des königlichen Namens gegen die Herzogthümer be¬
dienen konnten, verdankten sie lediglich dem Umstände, daß der König selbst,
in Kopenhagen residirend, sich dem dänischen Andrange nicht so wie dem der
Schleswig-Holsteiner hatte entziehen können. Fragte man, wo das bestehende
Recht verfochten werde gegen willkürliche Neuerung, fragte man, wo überhaupt
mehr conservatives Wesen zu finden sei, so mußte die Antwort entschieden
gegen die radicale Negierung der Eiderdänen, so mußte sie zu Gunsten Schleswig-
Holsteins ausfallen; und welchen Widerstand hat doch nicht in letzterem Lande
bis zum Ende des Kampfes jeder Versuch gefunden, sich von der Anerkennung
des Fürsten, der auf der Seite der Gegner sich befand, förmlich loszusagen
oder gar wirklich republikanischen Strömungen zu überlassen. Trotz alledem
und alledem aber -- daß die Person des Königs bei den Dänen war, das
genügte, um sogar in Deutschland selbst, unter den conservativen Theilen der
Bevölkerung, in den Kreisen des Adels und der Höfe und auch in den Armeen,
die sich tapfer wider die Dänen schlugen, manche Verstimmung gegen die gute
Sache Schleswig-Holsteins hervorzubringen. Nicht eben als beste Vorbedeutung
für diese Sache mochte es doch gelten, daß schon vor Eröffnung der Feind¬
seligkeiten ein Abgesandter Friedrich Wilhelms dem dänischen Könige als einen
Hauptzweck der preußischen Einmischung die Erhaltung der Herzogthümer für
ihren rechtmäßigen Herrn, die Verhütung einer republikanischen Erhebung in
Schleswig-Holstein genannt hatte! Unter den übrigen Mächten Europas aber
gab die Vorstellung, Preußen unterstütze hier eine revolutionäre Bewegung,
jeder dänischen Verdächtigung preußischer Absichten, jeder Hindeutung aus einen
rücksichtslosen Ehrgeiz preußischer Staatsmänner den erwünschtesten Nachdruck.

Nirgends war eine solche Vorstellung größeren Einfluß zu üben geeignet
als bei dem russischen Kaiser Nikolaus dem Ersten, Hatte derselbe doch sofort bei
dem Ausbruche der großen europäischen Bewegung'-sein heiliges Rußland feierlich
gemahnt, auf der Wacht zu sein gegen den "Wahnsinn der Revolution", und darauf
seine Truppenmassen weit vorgeschoben gegen die preußisch-östreichischen Grenzen.
Dänemark in Schutz zu nehmen gegen Preußen, gab es aber für Rußland auch
noch Beweggründe anderer Art. Preußen sollte nicht die gebietende Stelle an den
Pforten der Ostsee gewinnen, welche die Herzogthümer, von ihm erworben oder
wenigstens zu ihm in Abhängigkeit gebracht, ihm nothwendig verschaffen mußte".
Die Wahrscheinlichkeit, daß in einem solchen Falle das geschwächte Dänemark
sich an Schweden anfügen und beide skandinavische Völker vereinigt sich dem
russischen Einflüsse entziehen würden, dem sie vereinzelt kaum widerstreben
konnten, mochte in Rußlands Augen noch eine Ursache mehr sein sich entgegen¬
zusetzen. Aber auch Schweden selbst nahm die Miene an Dänemark zu be-


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wig.Holstein. Während sich anderwärts in jenen wildbewegten Tagen Völker
gegen die Fürsten erHoden, kämpften hier zwei Völkerschaften gegen einander,
und daß die Dänen sich des königlichen Namens gegen die Herzogthümer be¬
dienen konnten, verdankten sie lediglich dem Umstände, daß der König selbst,
in Kopenhagen residirend, sich dem dänischen Andrange nicht so wie dem der
Schleswig-Holsteiner hatte entziehen können. Fragte man, wo das bestehende
Recht verfochten werde gegen willkürliche Neuerung, fragte man, wo überhaupt
mehr conservatives Wesen zu finden sei, so mußte die Antwort entschieden
gegen die radicale Negierung der Eiderdänen, so mußte sie zu Gunsten Schleswig-
Holsteins ausfallen; und welchen Widerstand hat doch nicht in letzterem Lande
bis zum Ende des Kampfes jeder Versuch gefunden, sich von der Anerkennung
des Fürsten, der auf der Seite der Gegner sich befand, förmlich loszusagen
oder gar wirklich republikanischen Strömungen zu überlassen. Trotz alledem
und alledem aber — daß die Person des Königs bei den Dänen war, das
genügte, um sogar in Deutschland selbst, unter den conservativen Theilen der
Bevölkerung, in den Kreisen des Adels und der Höfe und auch in den Armeen,
die sich tapfer wider die Dänen schlugen, manche Verstimmung gegen die gute
Sache Schleswig-Holsteins hervorzubringen. Nicht eben als beste Vorbedeutung
für diese Sache mochte es doch gelten, daß schon vor Eröffnung der Feind¬
seligkeiten ein Abgesandter Friedrich Wilhelms dem dänischen Könige als einen
Hauptzweck der preußischen Einmischung die Erhaltung der Herzogthümer für
ihren rechtmäßigen Herrn, die Verhütung einer republikanischen Erhebung in
Schleswig-Holstein genannt hatte! Unter den übrigen Mächten Europas aber
gab die Vorstellung, Preußen unterstütze hier eine revolutionäre Bewegung,
jeder dänischen Verdächtigung preußischer Absichten, jeder Hindeutung aus einen
rücksichtslosen Ehrgeiz preußischer Staatsmänner den erwünschtesten Nachdruck.

Nirgends war eine solche Vorstellung größeren Einfluß zu üben geeignet
als bei dem russischen Kaiser Nikolaus dem Ersten, Hatte derselbe doch sofort bei
dem Ausbruche der großen europäischen Bewegung'-sein heiliges Rußland feierlich
gemahnt, auf der Wacht zu sein gegen den „Wahnsinn der Revolution", und darauf
seine Truppenmassen weit vorgeschoben gegen die preußisch-östreichischen Grenzen.
Dänemark in Schutz zu nehmen gegen Preußen, gab es aber für Rußland auch
noch Beweggründe anderer Art. Preußen sollte nicht die gebietende Stelle an den
Pforten der Ostsee gewinnen, welche die Herzogthümer, von ihm erworben oder
wenigstens zu ihm in Abhängigkeit gebracht, ihm nothwendig verschaffen mußte».
Die Wahrscheinlichkeit, daß in einem solchen Falle das geschwächte Dänemark
sich an Schweden anfügen und beide skandinavische Völker vereinigt sich dem
russischen Einflüsse entziehen würden, dem sie vereinzelt kaum widerstreben
konnten, mochte in Rußlands Augen noch eine Ursache mehr sein sich entgegen¬
zusetzen. Aber auch Schweden selbst nahm die Miene an Dänemark zu be-


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[0181] wig.Holstein. Während sich anderwärts in jenen wildbewegten Tagen Völker gegen die Fürsten erHoden, kämpften hier zwei Völkerschaften gegen einander, und daß die Dänen sich des königlichen Namens gegen die Herzogthümer be¬ dienen konnten, verdankten sie lediglich dem Umstände, daß der König selbst, in Kopenhagen residirend, sich dem dänischen Andrange nicht so wie dem der Schleswig-Holsteiner hatte entziehen können. Fragte man, wo das bestehende Recht verfochten werde gegen willkürliche Neuerung, fragte man, wo überhaupt mehr conservatives Wesen zu finden sei, so mußte die Antwort entschieden gegen die radicale Negierung der Eiderdänen, so mußte sie zu Gunsten Schleswig- Holsteins ausfallen; und welchen Widerstand hat doch nicht in letzterem Lande bis zum Ende des Kampfes jeder Versuch gefunden, sich von der Anerkennung des Fürsten, der auf der Seite der Gegner sich befand, förmlich loszusagen oder gar wirklich republikanischen Strömungen zu überlassen. Trotz alledem und alledem aber — daß die Person des Königs bei den Dänen war, das genügte, um sogar in Deutschland selbst, unter den conservativen Theilen der Bevölkerung, in den Kreisen des Adels und der Höfe und auch in den Armeen, die sich tapfer wider die Dänen schlugen, manche Verstimmung gegen die gute Sache Schleswig-Holsteins hervorzubringen. Nicht eben als beste Vorbedeutung für diese Sache mochte es doch gelten, daß schon vor Eröffnung der Feind¬ seligkeiten ein Abgesandter Friedrich Wilhelms dem dänischen Könige als einen Hauptzweck der preußischen Einmischung die Erhaltung der Herzogthümer für ihren rechtmäßigen Herrn, die Verhütung einer republikanischen Erhebung in Schleswig-Holstein genannt hatte! Unter den übrigen Mächten Europas aber gab die Vorstellung, Preußen unterstütze hier eine revolutionäre Bewegung, jeder dänischen Verdächtigung preußischer Absichten, jeder Hindeutung aus einen rücksichtslosen Ehrgeiz preußischer Staatsmänner den erwünschtesten Nachdruck. Nirgends war eine solche Vorstellung größeren Einfluß zu üben geeignet als bei dem russischen Kaiser Nikolaus dem Ersten, Hatte derselbe doch sofort bei dem Ausbruche der großen europäischen Bewegung'-sein heiliges Rußland feierlich gemahnt, auf der Wacht zu sein gegen den „Wahnsinn der Revolution", und darauf seine Truppenmassen weit vorgeschoben gegen die preußisch-östreichischen Grenzen. Dänemark in Schutz zu nehmen gegen Preußen, gab es aber für Rußland auch noch Beweggründe anderer Art. Preußen sollte nicht die gebietende Stelle an den Pforten der Ostsee gewinnen, welche die Herzogthümer, von ihm erworben oder wenigstens zu ihm in Abhängigkeit gebracht, ihm nothwendig verschaffen mußte». Die Wahrscheinlichkeit, daß in einem solchen Falle das geschwächte Dänemark sich an Schweden anfügen und beide skandinavische Völker vereinigt sich dem russischen Einflüsse entziehen würden, dem sie vereinzelt kaum widerstreben konnten, mochte in Rußlands Augen noch eine Ursache mehr sein sich entgegen¬ zusetzen. Aber auch Schweden selbst nahm die Miene an Dänemark zu be- 22*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/181>, abgerufen am 24.07.2024.