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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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schen Regierung der erwachende Zweifel an der Hinlänglichkeit der eigenen
Landeskraft auch die Neigung förderte, die Sache des Landes von den Helfern,
die von außen kamen, ganz abhängig zu machen und denselben mehr als
verdiente Rücksichten zu schenken. Aber diese Helfer erschienen ja auch so stark
und so zuverlässig! Nicht blos, daß die öffentliche Stimme in Deutschland
sich laut zu Gunsten der Herzogtümer erhob; nicht blos, daß Freiwillige in
Menge herbeikamen und sich in Freicorps zusammenthaten, unter deren Füh¬
rern sich besonders der bayrische Major v. d. Tann durch manchen kecken Streich
einen Namen machte. Auch an den Höfen von Oldenburg, von Braunschweig,
von Hannover, vor allem aber in Berlin und beim Bundestage in Frankfurt
hatten die Hilferufe der provisorischen Regierung die vielverheißendste Ausnahme
gefunden. Nach Berlin hatte sich der Herzog von Augustenburg schon kurz
nach der rendsburger Versammlung auf den Weg begeben. Friedrich Wilhelm der
Vierte, soeben in feierlicher Verkündigung sich zum Schützer jedes guten Rechtes in
Deutschland aufwerfend, erklärte in einer Zuschrift an den Herzog die Unabhängig¬
keit Schleswigs und Holsteins von Dänemark, die Verbindung der beiden ersteren
untereinander und die Geltung der männlichen Erbfolge als die drei Landesrechte
der Herzogtümer, welche zu verfechten er bereit sei. Als bei Bau gekämpft
wurde, standen bereits preußische Truppen in Rendsburg --hauptsächlich Gar¬
den, welche die Verwendung in der volkstümlichen Sache aus der gedrückten
Lage und aus der UnPopularität ziehen sollte, in der sie sich seitdem berliner
Straßenkampfe vom 18. März befanden. Der Bundestag in Frankfurt aber,
damals in liberalem Sinne neu besetzt und von den beigegebenen Vertrauens¬
männern beeinflußt, ertheilte den 4. April an Preußen den Auftrag, sich im
Verein mit den Staaten des zehnten Bundesarmeecorps der bedrohten Rechte
des Bundeslandes Holstein anzunehmen; als ein solches Recht wurde die Ver¬
bindung mit Schleswig besonders hervorgehoben, und in einem zweiten Be¬
schluß vom 12. April erfolgte dann die Aufforderung, zur Sicherung dieser Ver¬
bindung Schleswig zu besetzen, auch bei den Verhandlungen mit Dänemark auf
den Eintritt des letzteren Landes in den deutschen Bund hinzuwirken. Von dem
Vorparlamente, das in den letzten Märztagen zu Frankfurt zusammengetreten, war
über diesen Eintritt schon förmlich Beschluß gefaßt worden; dem revolutionären
Gebahren der Eidcrdänen hatte diese revolutionäre Versammlung die Erklärung
entgegengesetzt, daß Schleswig in den deutschen Bund aufzunehmen, und daß
auch dies Land zu den Wahlen für die bevorstehende deutsche Nationalversamm¬
lung beizuziehen sei. Was endlich die provisorische Regierung Schleswig-
Holsteins anbelangt, so erhielt die Anerkennung derselben, die bereits am
12. April ausgesprochen worden, am 21. April noch einen bestimmteren Ausdruck:
ein Abgeordneter dieser Negierung, Professor Madai aus Kiel, durftet der Bundes¬
versammlung selbst, als Gesandter für Holstein, Sitz und Stimme einnehmen.


Grenzboten I. 18ö4. 22

schen Regierung der erwachende Zweifel an der Hinlänglichkeit der eigenen
Landeskraft auch die Neigung förderte, die Sache des Landes von den Helfern,
die von außen kamen, ganz abhängig zu machen und denselben mehr als
verdiente Rücksichten zu schenken. Aber diese Helfer erschienen ja auch so stark
und so zuverlässig! Nicht blos, daß die öffentliche Stimme in Deutschland
sich laut zu Gunsten der Herzogtümer erhob; nicht blos, daß Freiwillige in
Menge herbeikamen und sich in Freicorps zusammenthaten, unter deren Füh¬
rern sich besonders der bayrische Major v. d. Tann durch manchen kecken Streich
einen Namen machte. Auch an den Höfen von Oldenburg, von Braunschweig,
von Hannover, vor allem aber in Berlin und beim Bundestage in Frankfurt
hatten die Hilferufe der provisorischen Regierung die vielverheißendste Ausnahme
gefunden. Nach Berlin hatte sich der Herzog von Augustenburg schon kurz
nach der rendsburger Versammlung auf den Weg begeben. Friedrich Wilhelm der
Vierte, soeben in feierlicher Verkündigung sich zum Schützer jedes guten Rechtes in
Deutschland aufwerfend, erklärte in einer Zuschrift an den Herzog die Unabhängig¬
keit Schleswigs und Holsteins von Dänemark, die Verbindung der beiden ersteren
untereinander und die Geltung der männlichen Erbfolge als die drei Landesrechte
der Herzogtümer, welche zu verfechten er bereit sei. Als bei Bau gekämpft
wurde, standen bereits preußische Truppen in Rendsburg —hauptsächlich Gar¬
den, welche die Verwendung in der volkstümlichen Sache aus der gedrückten
Lage und aus der UnPopularität ziehen sollte, in der sie sich seitdem berliner
Straßenkampfe vom 18. März befanden. Der Bundestag in Frankfurt aber,
damals in liberalem Sinne neu besetzt und von den beigegebenen Vertrauens¬
männern beeinflußt, ertheilte den 4. April an Preußen den Auftrag, sich im
Verein mit den Staaten des zehnten Bundesarmeecorps der bedrohten Rechte
des Bundeslandes Holstein anzunehmen; als ein solches Recht wurde die Ver¬
bindung mit Schleswig besonders hervorgehoben, und in einem zweiten Be¬
schluß vom 12. April erfolgte dann die Aufforderung, zur Sicherung dieser Ver¬
bindung Schleswig zu besetzen, auch bei den Verhandlungen mit Dänemark auf
den Eintritt des letzteren Landes in den deutschen Bund hinzuwirken. Von dem
Vorparlamente, das in den letzten Märztagen zu Frankfurt zusammengetreten, war
über diesen Eintritt schon förmlich Beschluß gefaßt worden; dem revolutionären
Gebahren der Eidcrdänen hatte diese revolutionäre Versammlung die Erklärung
entgegengesetzt, daß Schleswig in den deutschen Bund aufzunehmen, und daß
auch dies Land zu den Wahlen für die bevorstehende deutsche Nationalversamm¬
lung beizuziehen sei. Was endlich die provisorische Regierung Schleswig-
Holsteins anbelangt, so erhielt die Anerkennung derselben, die bereits am
12. April ausgesprochen worden, am 21. April noch einen bestimmteren Ausdruck:
ein Abgeordneter dieser Negierung, Professor Madai aus Kiel, durftet der Bundes¬
versammlung selbst, als Gesandter für Holstein, Sitz und Stimme einnehmen.


Grenzboten I. 18ö4. 22
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[0179] schen Regierung der erwachende Zweifel an der Hinlänglichkeit der eigenen Landeskraft auch die Neigung förderte, die Sache des Landes von den Helfern, die von außen kamen, ganz abhängig zu machen und denselben mehr als verdiente Rücksichten zu schenken. Aber diese Helfer erschienen ja auch so stark und so zuverlässig! Nicht blos, daß die öffentliche Stimme in Deutschland sich laut zu Gunsten der Herzogtümer erhob; nicht blos, daß Freiwillige in Menge herbeikamen und sich in Freicorps zusammenthaten, unter deren Füh¬ rern sich besonders der bayrische Major v. d. Tann durch manchen kecken Streich einen Namen machte. Auch an den Höfen von Oldenburg, von Braunschweig, von Hannover, vor allem aber in Berlin und beim Bundestage in Frankfurt hatten die Hilferufe der provisorischen Regierung die vielverheißendste Ausnahme gefunden. Nach Berlin hatte sich der Herzog von Augustenburg schon kurz nach der rendsburger Versammlung auf den Weg begeben. Friedrich Wilhelm der Vierte, soeben in feierlicher Verkündigung sich zum Schützer jedes guten Rechtes in Deutschland aufwerfend, erklärte in einer Zuschrift an den Herzog die Unabhängig¬ keit Schleswigs und Holsteins von Dänemark, die Verbindung der beiden ersteren untereinander und die Geltung der männlichen Erbfolge als die drei Landesrechte der Herzogtümer, welche zu verfechten er bereit sei. Als bei Bau gekämpft wurde, standen bereits preußische Truppen in Rendsburg —hauptsächlich Gar¬ den, welche die Verwendung in der volkstümlichen Sache aus der gedrückten Lage und aus der UnPopularität ziehen sollte, in der sie sich seitdem berliner Straßenkampfe vom 18. März befanden. Der Bundestag in Frankfurt aber, damals in liberalem Sinne neu besetzt und von den beigegebenen Vertrauens¬ männern beeinflußt, ertheilte den 4. April an Preußen den Auftrag, sich im Verein mit den Staaten des zehnten Bundesarmeecorps der bedrohten Rechte des Bundeslandes Holstein anzunehmen; als ein solches Recht wurde die Ver¬ bindung mit Schleswig besonders hervorgehoben, und in einem zweiten Be¬ schluß vom 12. April erfolgte dann die Aufforderung, zur Sicherung dieser Ver¬ bindung Schleswig zu besetzen, auch bei den Verhandlungen mit Dänemark auf den Eintritt des letzteren Landes in den deutschen Bund hinzuwirken. Von dem Vorparlamente, das in den letzten Märztagen zu Frankfurt zusammengetreten, war über diesen Eintritt schon förmlich Beschluß gefaßt worden; dem revolutionären Gebahren der Eidcrdänen hatte diese revolutionäre Versammlung die Erklärung entgegengesetzt, daß Schleswig in den deutschen Bund aufzunehmen, und daß auch dies Land zu den Wahlen für die bevorstehende deutsche Nationalversamm¬ lung beizuziehen sei. Was endlich die provisorische Regierung Schleswig- Holsteins anbelangt, so erhielt die Anerkennung derselben, die bereits am 12. April ausgesprochen worden, am 21. April noch einen bestimmteren Ausdruck: ein Abgeordneter dieser Negierung, Professor Madai aus Kiel, durftet der Bundes¬ versammlung selbst, als Gesandter für Holstein, Sitz und Stimme einnehmen. Grenzboten I. 18ö4. 22

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/179>, abgerufen am 24.07.2024.