Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

mit sehr ungleichen Kräften ein. Wohl wurde mit jubelnder Begeisterung die
provisorische Negierung im Lande begrüßt; die Behörden erkannten sie freudig
an; das Militär trat ihr zu; ein keckes Wagnis; brachte ohne Mühe die Lawdes-
festung Rendsburg in die Hände des Prinzen Friedrich von Noer; eifrig suchte
man durch Volksbewaffnung die Kräfte des Landes zu erhöhen, und die Opfer-
bereitwilligkeit zeigte sich allenthalben in herrlichster Art. Im Augenblick aber
verfügte man nur über 6000 Mann geübter Truppe", von denen etwa 3000.
durch das Ausscheiden der dänischen Offiziere, führerlos geworden. Die Dä¬
nen, die nicht minder ihre ganze Kraft anspannten, hatten dazu die Regicrungs-
mittel, hatten weit überlegne Streitkräfte an stehendem Militär und hatten eine
Flotte; sie besaßen ferner in dem Kriegsminister, dem Capitän Tscherning.
einen höchst begabten und umsichtigen Leiter der kriegerischen Dinge. Mit rich¬
tigem Blicke erkannte derselbe gleich von Anfang die Bedeutung der Insel Al-
sen, welche, an der Ostküste Schleswigs gelegen und nur durch einen schmalen
Sund vom Lande getrennt, die Möglichkeit bot, aus ziemlich sicherer Stellung
heraus jedem gegen Norden vorrückenden Feinde die mannigfachsten Verlegen¬
heiten zu bereiten. Während man diese Insel besetzte, während ferner, zur
Erhöhung des kriegerischen Eifers, der König selbst von Kopenhagen herbeikam,
rückte eine Armee von 11.000 Mann in Schleswig vor. Die provisorische Re-
gierung der Herzogthümer wollte dies Land nicht ohne Gegenwehr aufgeben.
Der General Krohn aber, dem der Prinz von Noer in diesem schwierigen Zeit¬
punkt die Führung der Schleswig-holsteinischen Truppen übertragen hatte, war am
wenigsten der Aufgabe gewachsen, einer zwei- bis dreifachen Uebermacht zu wider¬
stehn. Die schwachen Streitkräfte wurden, durch Verzettelung um den flensburger
Meerbusen herum, in höchst ausgesetzten Stellungen, vollends jedem Nachtheil preis¬
gegeben.' Die Dänen warfen sich bei Bau auf die Jäger aus Kiel, denen das
Freicorps der kieler Studenten und Turner beigegeben war. Mit äußerster Tapfer¬
keit vertheidigten sich diese; als sie weichen mußten, war ihr Rücken, den ihnen
besonders der tüchtige Graf Otto v. Baudissin durch entschlossenste Behandlung
des Dorfes Clues freizuhalten gesucht, schon bedroht. Auf dem Rückzüge ließ
sich der Befehlshaber der Studenten und Turner, Major Michelsen, in neuen
Kampf ein; von allen Seiten umringt, in einer flensburger Vorstadt selbst
durch dänisch gesinnte Bürger von den Fenstern aus beschossen, leistet die
kleine Truppe Unglaubliches; nach zehnstündiger Blutarbeit, nach schwersten
Verlusten und nachdem der heldenmüthige Michelsen tödtlich verwundet ist.
sind die Kräfte erschöpft. Die Jäger und etwa 100 Studenten und Turner
mußten die Waffen strecken. Empörende Mißhandlungen von vornehmen und nie¬
derem Pöbel und eine harte Gefangenschaft auf ein paar BIvckschiffen warteten
ihrer in Kopenhagen.

Das war ein schwerer Verlust; schwer vorzüglich, weil in der provisori-


mit sehr ungleichen Kräften ein. Wohl wurde mit jubelnder Begeisterung die
provisorische Negierung im Lande begrüßt; die Behörden erkannten sie freudig
an; das Militär trat ihr zu; ein keckes Wagnis; brachte ohne Mühe die Lawdes-
festung Rendsburg in die Hände des Prinzen Friedrich von Noer; eifrig suchte
man durch Volksbewaffnung die Kräfte des Landes zu erhöhen, und die Opfer-
bereitwilligkeit zeigte sich allenthalben in herrlichster Art. Im Augenblick aber
verfügte man nur über 6000 Mann geübter Truppe», von denen etwa 3000.
durch das Ausscheiden der dänischen Offiziere, führerlos geworden. Die Dä¬
nen, die nicht minder ihre ganze Kraft anspannten, hatten dazu die Regicrungs-
mittel, hatten weit überlegne Streitkräfte an stehendem Militär und hatten eine
Flotte; sie besaßen ferner in dem Kriegsminister, dem Capitän Tscherning.
einen höchst begabten und umsichtigen Leiter der kriegerischen Dinge. Mit rich¬
tigem Blicke erkannte derselbe gleich von Anfang die Bedeutung der Insel Al-
sen, welche, an der Ostküste Schleswigs gelegen und nur durch einen schmalen
Sund vom Lande getrennt, die Möglichkeit bot, aus ziemlich sicherer Stellung
heraus jedem gegen Norden vorrückenden Feinde die mannigfachsten Verlegen¬
heiten zu bereiten. Während man diese Insel besetzte, während ferner, zur
Erhöhung des kriegerischen Eifers, der König selbst von Kopenhagen herbeikam,
rückte eine Armee von 11.000 Mann in Schleswig vor. Die provisorische Re-
gierung der Herzogthümer wollte dies Land nicht ohne Gegenwehr aufgeben.
Der General Krohn aber, dem der Prinz von Noer in diesem schwierigen Zeit¬
punkt die Führung der Schleswig-holsteinischen Truppen übertragen hatte, war am
wenigsten der Aufgabe gewachsen, einer zwei- bis dreifachen Uebermacht zu wider¬
stehn. Die schwachen Streitkräfte wurden, durch Verzettelung um den flensburger
Meerbusen herum, in höchst ausgesetzten Stellungen, vollends jedem Nachtheil preis¬
gegeben.' Die Dänen warfen sich bei Bau auf die Jäger aus Kiel, denen das
Freicorps der kieler Studenten und Turner beigegeben war. Mit äußerster Tapfer¬
keit vertheidigten sich diese; als sie weichen mußten, war ihr Rücken, den ihnen
besonders der tüchtige Graf Otto v. Baudissin durch entschlossenste Behandlung
des Dorfes Clues freizuhalten gesucht, schon bedroht. Auf dem Rückzüge ließ
sich der Befehlshaber der Studenten und Turner, Major Michelsen, in neuen
Kampf ein; von allen Seiten umringt, in einer flensburger Vorstadt selbst
durch dänisch gesinnte Bürger von den Fenstern aus beschossen, leistet die
kleine Truppe Unglaubliches; nach zehnstündiger Blutarbeit, nach schwersten
Verlusten und nachdem der heldenmüthige Michelsen tödtlich verwundet ist.
sind die Kräfte erschöpft. Die Jäger und etwa 100 Studenten und Turner
mußten die Waffen strecken. Empörende Mißhandlungen von vornehmen und nie¬
derem Pöbel und eine harte Gefangenschaft auf ein paar BIvckschiffen warteten
ihrer in Kopenhagen.

Das war ein schwerer Verlust; schwer vorzüglich, weil in der provisori-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0178" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116644"/>
          <p xml:id="ID_507" prev="#ID_506"> mit sehr ungleichen Kräften ein.  Wohl wurde mit jubelnder Begeisterung die<lb/>
provisorische Negierung im Lande begrüßt; die Behörden erkannten sie freudig<lb/>
an; das Militär trat ihr zu; ein keckes Wagnis; brachte ohne Mühe die Lawdes-<lb/>
festung Rendsburg in die Hände des Prinzen Friedrich von Noer; eifrig suchte<lb/>
man durch Volksbewaffnung die Kräfte des Landes zu erhöhen, und die Opfer-<lb/>
bereitwilligkeit zeigte sich allenthalben in herrlichster Art.  Im Augenblick aber<lb/>
verfügte man nur über 6000 Mann geübter Truppe», von denen etwa 3000.<lb/>
durch das Ausscheiden der dänischen Offiziere, führerlos geworden.  Die Dä¬<lb/>
nen, die nicht minder ihre ganze Kraft anspannten, hatten dazu die Regicrungs-<lb/>
mittel, hatten weit überlegne Streitkräfte an stehendem Militär und hatten eine<lb/>
Flotte; sie besaßen ferner in dem Kriegsminister, dem Capitän Tscherning.<lb/>
einen höchst begabten und umsichtigen Leiter der kriegerischen Dinge.  Mit rich¬<lb/>
tigem Blicke erkannte derselbe gleich von Anfang die Bedeutung der Insel Al-<lb/>
sen, welche, an der Ostküste Schleswigs gelegen und nur durch einen schmalen<lb/>
Sund vom Lande getrennt, die Möglichkeit bot, aus ziemlich sicherer Stellung<lb/>
heraus jedem gegen Norden vorrückenden Feinde die mannigfachsten Verlegen¬<lb/>
heiten zu bereiten.  Während man diese Insel besetzte, während ferner, zur<lb/>
Erhöhung des kriegerischen Eifers, der König selbst von Kopenhagen herbeikam,<lb/>
rückte eine Armee von 11.000 Mann in Schleswig vor. Die provisorische Re-<lb/>
gierung der Herzogthümer wollte dies Land nicht ohne Gegenwehr aufgeben.<lb/>
Der General Krohn aber, dem der Prinz von Noer in diesem schwierigen Zeit¬<lb/>
punkt die Führung der Schleswig-holsteinischen Truppen übertragen hatte, war am<lb/>
wenigsten der Aufgabe gewachsen, einer zwei- bis dreifachen Uebermacht zu wider¬<lb/>
stehn. Die schwachen Streitkräfte wurden, durch Verzettelung um den flensburger<lb/>
Meerbusen herum, in höchst ausgesetzten Stellungen, vollends jedem Nachtheil preis¬<lb/>
gegeben.' Die Dänen warfen sich bei Bau auf die Jäger aus Kiel, denen das<lb/>
Freicorps der kieler Studenten und Turner beigegeben war. Mit äußerster Tapfer¬<lb/>
keit vertheidigten sich diese; als sie weichen mußten, war ihr Rücken, den ihnen<lb/>
besonders der tüchtige Graf Otto v. Baudissin durch entschlossenste Behandlung<lb/>
des Dorfes Clues freizuhalten gesucht, schon bedroht.  Auf dem Rückzüge ließ<lb/>
sich der Befehlshaber der Studenten und Turner, Major Michelsen, in neuen<lb/>
Kampf ein; von allen Seiten umringt, in einer flensburger Vorstadt selbst<lb/>
durch dänisch gesinnte Bürger von den Fenstern aus beschossen, leistet die<lb/>
kleine Truppe Unglaubliches; nach zehnstündiger Blutarbeit, nach schwersten<lb/>
Verlusten und nachdem der heldenmüthige Michelsen tödtlich verwundet ist.<lb/>
sind die Kräfte erschöpft.  Die Jäger und etwa 100 Studenten und Turner<lb/>
mußten die Waffen strecken. Empörende Mißhandlungen von vornehmen und nie¬<lb/>
derem Pöbel und eine harte Gefangenschaft auf ein paar BIvckschiffen warteten<lb/>
ihrer in Kopenhagen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_508" next="#ID_509"> Das war ein schwerer Verlust; schwer vorzüglich, weil in der provisori-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0178] mit sehr ungleichen Kräften ein. Wohl wurde mit jubelnder Begeisterung die provisorische Negierung im Lande begrüßt; die Behörden erkannten sie freudig an; das Militär trat ihr zu; ein keckes Wagnis; brachte ohne Mühe die Lawdes- festung Rendsburg in die Hände des Prinzen Friedrich von Noer; eifrig suchte man durch Volksbewaffnung die Kräfte des Landes zu erhöhen, und die Opfer- bereitwilligkeit zeigte sich allenthalben in herrlichster Art. Im Augenblick aber verfügte man nur über 6000 Mann geübter Truppe», von denen etwa 3000. durch das Ausscheiden der dänischen Offiziere, führerlos geworden. Die Dä¬ nen, die nicht minder ihre ganze Kraft anspannten, hatten dazu die Regicrungs- mittel, hatten weit überlegne Streitkräfte an stehendem Militär und hatten eine Flotte; sie besaßen ferner in dem Kriegsminister, dem Capitän Tscherning. einen höchst begabten und umsichtigen Leiter der kriegerischen Dinge. Mit rich¬ tigem Blicke erkannte derselbe gleich von Anfang die Bedeutung der Insel Al- sen, welche, an der Ostküste Schleswigs gelegen und nur durch einen schmalen Sund vom Lande getrennt, die Möglichkeit bot, aus ziemlich sicherer Stellung heraus jedem gegen Norden vorrückenden Feinde die mannigfachsten Verlegen¬ heiten zu bereiten. Während man diese Insel besetzte, während ferner, zur Erhöhung des kriegerischen Eifers, der König selbst von Kopenhagen herbeikam, rückte eine Armee von 11.000 Mann in Schleswig vor. Die provisorische Re- gierung der Herzogthümer wollte dies Land nicht ohne Gegenwehr aufgeben. Der General Krohn aber, dem der Prinz von Noer in diesem schwierigen Zeit¬ punkt die Führung der Schleswig-holsteinischen Truppen übertragen hatte, war am wenigsten der Aufgabe gewachsen, einer zwei- bis dreifachen Uebermacht zu wider¬ stehn. Die schwachen Streitkräfte wurden, durch Verzettelung um den flensburger Meerbusen herum, in höchst ausgesetzten Stellungen, vollends jedem Nachtheil preis¬ gegeben.' Die Dänen warfen sich bei Bau auf die Jäger aus Kiel, denen das Freicorps der kieler Studenten und Turner beigegeben war. Mit äußerster Tapfer¬ keit vertheidigten sich diese; als sie weichen mußten, war ihr Rücken, den ihnen besonders der tüchtige Graf Otto v. Baudissin durch entschlossenste Behandlung des Dorfes Clues freizuhalten gesucht, schon bedroht. Auf dem Rückzüge ließ sich der Befehlshaber der Studenten und Turner, Major Michelsen, in neuen Kampf ein; von allen Seiten umringt, in einer flensburger Vorstadt selbst durch dänisch gesinnte Bürger von den Fenstern aus beschossen, leistet die kleine Truppe Unglaubliches; nach zehnstündiger Blutarbeit, nach schwersten Verlusten und nachdem der heldenmüthige Michelsen tödtlich verwundet ist. sind die Kräfte erschöpft. Die Jäger und etwa 100 Studenten und Turner mußten die Waffen strecken. Empörende Mißhandlungen von vornehmen und nie¬ derem Pöbel und eine harte Gefangenschaft auf ein paar BIvckschiffen warteten ihrer in Kopenhagen. Das war ein schwerer Verlust; schwer vorzüglich, weil in der provisori-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/178
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/178>, abgerufen am 24.07.2024.