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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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Jahres entrichtet wurden; denn während des Juli. August. September und
October waren Ferien. Doch kamen dazu noch Geschenke an gewissen Festtagen,
namentlich an den Huinczuatrus (19. März), an den Saturnalien. am Neujahrs¬
tage sowie am Feste der es,iA cognMo (22. Februar). Auch konnte man mit
dem Lehrer einen Contract auf jährliches Gehalt, zahlbar am Schlüsse des alt-
römischen Jahres, d. h. im März, abschließen, oder der litterawr konnte das
jährliche Honorar der Freigebigkeit der Eltern überlassen.

Die "Grammatiker", welche höhern Unterricht ertheilten, und die Rhetoren
standen sich in späterer Zeit bisweilen sehr gut. doch drückte auch bei ihnen
die Concurrenz im Allgemeinen den Preis. Die Einkünfte der Elementarlehrer
aber waren immer dürftig.

Die Gegenstände des Elementarunterrichts waren nur Lesen, Schreiben
und Rechnen. Das Auswendiglernen der zwölf Tafelgesetze mag in Verbindung
mit dem Lesen stattgefunden haben, da ein anderer Lesestoff aus alter Zeit
wenigstens uns nicht bekannt ist. und solche Stellen, wie die von Cicero
!<ZF, II, 8, 9 angeführten beim Schulunterrichte ebenso gebraucht werden
konnten, wie bei uns der Katechismus. Das Schreiben begann damit, daß
das Kind die auf eine Holztafel eingeschnittenen Buchstaben mit einem Griffel
nachzog, wobei ihm der Lehrer die Hand führte. Dann schrieb es nach Vor¬
schriften und zuletzt nach Dictaten des Lehrers.

Das schwierigste und nach römischer Ansicht zugleich das wichtigste Object
der Schule war das Rechnen, für welches die bereits erwachsenen Knaben in
späterer Zeit noch einen eigenen Rechenmeister (oaleulatoi-) besuchten, dessen
Unterricht für vornehmer als der des UtwlAtor galt und deshalb auch besser,
unter Diocletian mit 73 Denaren (nach unserm Gelde 2 Thlr. 3 gr.) monat¬
lich, bezahlt wurde.

Das römische Zahlensystem, welches nicht nur einfache, sondern auch zu¬
sammengesetzte Zahlzeichen hat (II, III, IV, VI. VII. VIII, VIIII) und
zur Bezeichnung zweier Zahlstellen einmal zwei Zeichen (XI), ein andermal de¬
ren neun bedarf (I.XXXVIIII), welches ferner unsrer Null entbehrt, die bei¬
läufig auch die Griechen nicht kannten, und welches endlich die Zahlstellen
überhaupt nicht consequent unterscheidet, ist für die Methode unseres Ziffer¬
rechnens vollkommen ungeeignet und macht selbst für einfache Operationen be¬
sondere Hilfsmittel nöthig. Diese Hilfsmittel waren die Finger der Hand und
der sogenannte Avacus.

Das Fingerrechnen, welches wie im Orient und in Griechenland so auch
in Italien allgemein üblich und bis in das Mittelalter in Gebrauch war, hat
seinen Namen davon, daß man durch achtzehn Figuren der linken'Hand, die
durch ein besondres Legen oder Halten der Finger gebildet wurden, die neun
Einer und die neun Zehner, durch ebensoviel! Lagen der rechten Hand aber


Jahres entrichtet wurden; denn während des Juli. August. September und
October waren Ferien. Doch kamen dazu noch Geschenke an gewissen Festtagen,
namentlich an den Huinczuatrus (19. März), an den Saturnalien. am Neujahrs¬
tage sowie am Feste der es,iA cognMo (22. Februar). Auch konnte man mit
dem Lehrer einen Contract auf jährliches Gehalt, zahlbar am Schlüsse des alt-
römischen Jahres, d. h. im März, abschließen, oder der litterawr konnte das
jährliche Honorar der Freigebigkeit der Eltern überlassen.

Die „Grammatiker", welche höhern Unterricht ertheilten, und die Rhetoren
standen sich in späterer Zeit bisweilen sehr gut. doch drückte auch bei ihnen
die Concurrenz im Allgemeinen den Preis. Die Einkünfte der Elementarlehrer
aber waren immer dürftig.

Die Gegenstände des Elementarunterrichts waren nur Lesen, Schreiben
und Rechnen. Das Auswendiglernen der zwölf Tafelgesetze mag in Verbindung
mit dem Lesen stattgefunden haben, da ein anderer Lesestoff aus alter Zeit
wenigstens uns nicht bekannt ist. und solche Stellen, wie die von Cicero
!<ZF, II, 8, 9 angeführten beim Schulunterrichte ebenso gebraucht werden
konnten, wie bei uns der Katechismus. Das Schreiben begann damit, daß
das Kind die auf eine Holztafel eingeschnittenen Buchstaben mit einem Griffel
nachzog, wobei ihm der Lehrer die Hand führte. Dann schrieb es nach Vor¬
schriften und zuletzt nach Dictaten des Lehrers.

Das schwierigste und nach römischer Ansicht zugleich das wichtigste Object
der Schule war das Rechnen, für welches die bereits erwachsenen Knaben in
späterer Zeit noch einen eigenen Rechenmeister (oaleulatoi-) besuchten, dessen
Unterricht für vornehmer als der des UtwlAtor galt und deshalb auch besser,
unter Diocletian mit 73 Denaren (nach unserm Gelde 2 Thlr. 3 gr.) monat¬
lich, bezahlt wurde.

Das römische Zahlensystem, welches nicht nur einfache, sondern auch zu¬
sammengesetzte Zahlzeichen hat (II, III, IV, VI. VII. VIII, VIIII) und
zur Bezeichnung zweier Zahlstellen einmal zwei Zeichen (XI), ein andermal de¬
ren neun bedarf (I.XXXVIIII), welches ferner unsrer Null entbehrt, die bei¬
läufig auch die Griechen nicht kannten, und welches endlich die Zahlstellen
überhaupt nicht consequent unterscheidet, ist für die Methode unseres Ziffer¬
rechnens vollkommen ungeeignet und macht selbst für einfache Operationen be¬
sondere Hilfsmittel nöthig. Diese Hilfsmittel waren die Finger der Hand und
der sogenannte Avacus.

Das Fingerrechnen, welches wie im Orient und in Griechenland so auch
in Italien allgemein üblich und bis in das Mittelalter in Gebrauch war, hat
seinen Namen davon, daß man durch achtzehn Figuren der linken'Hand, die
durch ein besondres Legen oder Halten der Finger gebildet wurden, die neun
Einer und die neun Zehner, durch ebensoviel! Lagen der rechten Hand aber


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[0160] Jahres entrichtet wurden; denn während des Juli. August. September und October waren Ferien. Doch kamen dazu noch Geschenke an gewissen Festtagen, namentlich an den Huinczuatrus (19. März), an den Saturnalien. am Neujahrs¬ tage sowie am Feste der es,iA cognMo (22. Februar). Auch konnte man mit dem Lehrer einen Contract auf jährliches Gehalt, zahlbar am Schlüsse des alt- römischen Jahres, d. h. im März, abschließen, oder der litterawr konnte das jährliche Honorar der Freigebigkeit der Eltern überlassen. Die „Grammatiker", welche höhern Unterricht ertheilten, und die Rhetoren standen sich in späterer Zeit bisweilen sehr gut. doch drückte auch bei ihnen die Concurrenz im Allgemeinen den Preis. Die Einkünfte der Elementarlehrer aber waren immer dürftig. Die Gegenstände des Elementarunterrichts waren nur Lesen, Schreiben und Rechnen. Das Auswendiglernen der zwölf Tafelgesetze mag in Verbindung mit dem Lesen stattgefunden haben, da ein anderer Lesestoff aus alter Zeit wenigstens uns nicht bekannt ist. und solche Stellen, wie die von Cicero !<ZF, II, 8, 9 angeführten beim Schulunterrichte ebenso gebraucht werden konnten, wie bei uns der Katechismus. Das Schreiben begann damit, daß das Kind die auf eine Holztafel eingeschnittenen Buchstaben mit einem Griffel nachzog, wobei ihm der Lehrer die Hand führte. Dann schrieb es nach Vor¬ schriften und zuletzt nach Dictaten des Lehrers. Das schwierigste und nach römischer Ansicht zugleich das wichtigste Object der Schule war das Rechnen, für welches die bereits erwachsenen Knaben in späterer Zeit noch einen eigenen Rechenmeister (oaleulatoi-) besuchten, dessen Unterricht für vornehmer als der des UtwlAtor galt und deshalb auch besser, unter Diocletian mit 73 Denaren (nach unserm Gelde 2 Thlr. 3 gr.) monat¬ lich, bezahlt wurde. Das römische Zahlensystem, welches nicht nur einfache, sondern auch zu¬ sammengesetzte Zahlzeichen hat (II, III, IV, VI. VII. VIII, VIIII) und zur Bezeichnung zweier Zahlstellen einmal zwei Zeichen (XI), ein andermal de¬ ren neun bedarf (I.XXXVIIII), welches ferner unsrer Null entbehrt, die bei¬ läufig auch die Griechen nicht kannten, und welches endlich die Zahlstellen überhaupt nicht consequent unterscheidet, ist für die Methode unseres Ziffer¬ rechnens vollkommen ungeeignet und macht selbst für einfache Operationen be¬ sondere Hilfsmittel nöthig. Diese Hilfsmittel waren die Finger der Hand und der sogenannte Avacus. Das Fingerrechnen, welches wie im Orient und in Griechenland so auch in Italien allgemein üblich und bis in das Mittelalter in Gebrauch war, hat seinen Namen davon, daß man durch achtzehn Figuren der linken'Hand, die durch ein besondres Legen oder Halten der Finger gebildet wurden, die neun Einer und die neun Zehner, durch ebensoviel! Lagen der rechten Hand aber

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/160>, abgerufen am 24.07.2024.