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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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haben allenthalben eine Agitation gegen dasselbe hervorgerufen, welche aus ih¬
ren Schild den Wahlspruch schreibt: Ueber dem Eigenthum steht das Gemein¬
wohl! In England hat die Bewegung begonnen, am kräftigsten sich in Deutsch¬
land sortgesetzt. Hier waren es zunächst die Handelskammern, welche die Frage
discutirten; am eingehendsten diejenige von Berlin, deren Gutachten wir später
zu erwähnen haben. Die Ingenieurvereine setzen die Patentgesetzgebung als
stehendes Thema auf ihr Programm; der volkswirthschaftliche Kongreß zu
Dresden (1863) hat sie in glänzender Debatte von allen Seiten beleuchtet.
Aber überall haben ihre Schatten- weitaus ihre Lichtseiten überwogen.

Um zu einem selbständigen Urtheil zu gelangen, ist es nothwendig, den
gegenwärtigen Stand der Patentgesetzgebung näher ins Auge zu fassen. Zweier¬
lei Verfahren sind -- mut^dis mutauäls -- bei der Ertheilung der Er¬
findungspatente von Seiten des Staates üblich: das öffentliche und das ge¬
heime. Das erstere, auch das Anmeldeverfahren genannt, ist zu Hause indem
industriellsten Lande der Welt, in Großbritannien, außerdem in Oestreich,
Frankreich u. s. w. Das geheime oder das Prüsungsverfahren ist das im Zoll¬
verein übliche. In Nordamerika besteht die Patentgesetzgebung in einer glück¬
lichen Combination der beiden, mit vorwaltender Oeffentlichkeit.

Betrachten wir zunächst die Wesenheit des im Zollverein üblichen geheimen
Prüfungsverfahrens der Patentirung*). Der Erfinder hat sich mit seiner Ein¬
gabe, welche genaue Beschreibung und,- wo nöthig, Zeichnung der Erfindung
enthält, an eine zu dem Ministerium des Innern oder des Handels (Preußen)
des betreffenden Staates ressortirende Patentcommission oder technische Deputation
zu wenden. Diese prüft das Neue und Gemeinnützige der Erfindung; doch ist es in
praxi zur Gewohnheit geworden, das letztere etwas nebenbei liegen zu lassen. Ist
die technische Prüfung befriedigend ausgefallen, so wird gegen eine verhältnißmäßig
ganz geringe Gebühr das Patent ausgefertigt; gewöhnlich auf die Dauer von fünf
Jahren und mit der ausdrücklichen Bestimmung "ohne Andere im Gebrauche
schon bekannter Theile oder Processe zu beschränken;" ebenso mit derjenigen eines
Zeitraumes, innerhalb dessen die neue Erfindung im Staatsgebiet bei Patent¬
verlust nachweislich ins Leben getreten sein muß. Wir begnügen uns mit
diesem allgemeinen Umriß des Gesetzes, ohne in dessen, hier überflüssige, Specia¬
litäten einzugehen. Jedem Unbefangenen müssen die großen Nachtheile des
Prüfungsverfahrens sofort in die Augen springen. Wo, in aller Welt, wäre
eine technische Deputation zusammenzubringen, welche bei möglichem Willen
und Wissen und der sorgfältigsten Registratur im Stande wäre, das ganze ihr



') Außer der allgemeinen Patentvereinbarung des Zollvereins hat aber jeder der demselben
angehörigen Staaten auch noch ein besonderes Patentgcsctz; wir besitzen daher in Deutschland
25 Patentgcsetze!
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haben allenthalben eine Agitation gegen dasselbe hervorgerufen, welche aus ih¬
ren Schild den Wahlspruch schreibt: Ueber dem Eigenthum steht das Gemein¬
wohl! In England hat die Bewegung begonnen, am kräftigsten sich in Deutsch¬
land sortgesetzt. Hier waren es zunächst die Handelskammern, welche die Frage
discutirten; am eingehendsten diejenige von Berlin, deren Gutachten wir später
zu erwähnen haben. Die Ingenieurvereine setzen die Patentgesetzgebung als
stehendes Thema auf ihr Programm; der volkswirthschaftliche Kongreß zu
Dresden (1863) hat sie in glänzender Debatte von allen Seiten beleuchtet.
Aber überall haben ihre Schatten- weitaus ihre Lichtseiten überwogen.

Um zu einem selbständigen Urtheil zu gelangen, ist es nothwendig, den
gegenwärtigen Stand der Patentgesetzgebung näher ins Auge zu fassen. Zweier¬
lei Verfahren sind — mut^dis mutauäls — bei der Ertheilung der Er¬
findungspatente von Seiten des Staates üblich: das öffentliche und das ge¬
heime. Das erstere, auch das Anmeldeverfahren genannt, ist zu Hause indem
industriellsten Lande der Welt, in Großbritannien, außerdem in Oestreich,
Frankreich u. s. w. Das geheime oder das Prüsungsverfahren ist das im Zoll¬
verein übliche. In Nordamerika besteht die Patentgesetzgebung in einer glück¬
lichen Combination der beiden, mit vorwaltender Oeffentlichkeit.

Betrachten wir zunächst die Wesenheit des im Zollverein üblichen geheimen
Prüfungsverfahrens der Patentirung*). Der Erfinder hat sich mit seiner Ein¬
gabe, welche genaue Beschreibung und,- wo nöthig, Zeichnung der Erfindung
enthält, an eine zu dem Ministerium des Innern oder des Handels (Preußen)
des betreffenden Staates ressortirende Patentcommission oder technische Deputation
zu wenden. Diese prüft das Neue und Gemeinnützige der Erfindung; doch ist es in
praxi zur Gewohnheit geworden, das letztere etwas nebenbei liegen zu lassen. Ist
die technische Prüfung befriedigend ausgefallen, so wird gegen eine verhältnißmäßig
ganz geringe Gebühr das Patent ausgefertigt; gewöhnlich auf die Dauer von fünf
Jahren und mit der ausdrücklichen Bestimmung „ohne Andere im Gebrauche
schon bekannter Theile oder Processe zu beschränken;" ebenso mit derjenigen eines
Zeitraumes, innerhalb dessen die neue Erfindung im Staatsgebiet bei Patent¬
verlust nachweislich ins Leben getreten sein muß. Wir begnügen uns mit
diesem allgemeinen Umriß des Gesetzes, ohne in dessen, hier überflüssige, Specia¬
litäten einzugehen. Jedem Unbefangenen müssen die großen Nachtheile des
Prüfungsverfahrens sofort in die Augen springen. Wo, in aller Welt, wäre
eine technische Deputation zusammenzubringen, welche bei möglichem Willen
und Wissen und der sorgfältigsten Registratur im Stande wäre, das ganze ihr



') Außer der allgemeinen Patentvereinbarung des Zollvereins hat aber jeder der demselben
angehörigen Staaten auch noch ein besonderes Patentgcsctz; wir besitzen daher in Deutschland
25 Patentgcsetze!
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/133>, abgerufen am 24.07.2024.