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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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sie datirt in England von dem Jahre 1623, in Frankreich von 1791, in Preu¬
ßen von 1815, in Oestreich von 1821 ab, u. s. w. Es kann kein Zweifel
darüber obwalten, daß eine jede neue Erfindung das Eigenthum des Erfinders,
und dieser berechtigt ist, sie nach Möglichkeit in seinem Nutzen zu verwerthen.
Von dem Loose der Erfinder weiß die Geschichte so viele beklagenswerthe That¬
sachen zu berichten, daß es unnöthig erscheint, darauf hinzuweisen, wie viele
Mühe und Sorgfalt, welche ungeheuren Opfer an Zeit oder Geld, was das¬
selbe ist, welche aufreibende Kämpfe, körperliche und geistige Anstrengungen
oft nöthig gewesen sind', um eine Erfindung ins Leben zu rufen, die der gan¬
zen Welt zu gut kommt, während ihr Urheber ohne genügende Sicherheit
durch das Gesetz vielleicht gerade durch sie dem Elend zugeworfen wird. Anderer¬
seits ist freilich auch nicht zu läugnen. daß eine große Zahl der wichtigsten
Erfindungen rein dem Zufall zu verdanken ist, so daß dem Glücklichen, wel¬
chem dieser in den Schooß regnet, durch die Staatsgarantie ein Lohn wird,
den er gar nicht verdient. Aber eine Grenze zu ziehen, würde äußerst schwie¬
rig sein, fast so schwierig, wie die Lösung des Problems: Was ist Zufall?
Jeder billig Denkende wird damit einverstanden sein, daß ein Unterschied hier
nicht gerechtfertigt sein würde. Ebenso, daß mit Hinblick auf die großen Vor¬
theile, welche der Gesammtheit erwachsen können durch die Uebertragung des
Eigenthums der Einzelnen, der Erfinder, auf sie -- nach dem ersten Anschein
die Gerechtigkeit sowohl, als die wirthschaftliche Klugheit dafür spricht, diesen
letzteren eine Vergütung dafür zu leisten. Eine solche Vergütung bewilligt der
Staat durch Verleihung eines Ersindungspatentes, kraft dessen dem Erfinder
unter der ausdrückichen Bestimmung, daß er seine Erfindung sofort ins Leben
treten läßt oder bekannt macht, die Ausbeutung derselben auf eine bestimmte
Zeit hinaus allein zusteht, nach deren Ablauf sie sodann zum Gemeingut wird.

Die Ersindungspatente haben wahrscheinlich beigetragen zu der ungemein
raschen Entwickelung der Industrie unseres Jahrhunderts. Freilich sind auch
ohne sie, lange bevor man sie verlieh, schon die größten und folgenreichsten Er¬
findungen gemacht worden. Allein zu läugnen ist nicht, daß sie für viele den¬
kende Köpfe oder mechanische Talente ein Sporn gewesen sein können, neue
Eroberungen aus dem industriellen Gebiete zu machen. Daneben wird jedoch
nicht minder zugegeben werden müssen, daß diese Eroberungen in der Periode
der Entwickelung oder des Uebergangs Wünschenswerther und folgenreicher wa¬
ren als heutzutage, wo sich die Industrie auf eine Stufe geschwungen hat, deren
Höhe ihr auch ohne Sporn und' äußerliche Triebfedern die Weiterbildung sicher
verbürgt. Die Ersindungspatente waren ein Mittel zur Hebung der Industrie;
aber sie können ein mächtiges Hinderniß der gehobenen Industrie werden. Un¬
sere Zeit hat dies eingesehen; die vielen schroffen Mängel, Unannehmlichkeiten,
Lasten u. s. w., welche vo" dem Patentwesen, wie es ist, untrennbar sind.


sie datirt in England von dem Jahre 1623, in Frankreich von 1791, in Preu¬
ßen von 1815, in Oestreich von 1821 ab, u. s. w. Es kann kein Zweifel
darüber obwalten, daß eine jede neue Erfindung das Eigenthum des Erfinders,
und dieser berechtigt ist, sie nach Möglichkeit in seinem Nutzen zu verwerthen.
Von dem Loose der Erfinder weiß die Geschichte so viele beklagenswerthe That¬
sachen zu berichten, daß es unnöthig erscheint, darauf hinzuweisen, wie viele
Mühe und Sorgfalt, welche ungeheuren Opfer an Zeit oder Geld, was das¬
selbe ist, welche aufreibende Kämpfe, körperliche und geistige Anstrengungen
oft nöthig gewesen sind', um eine Erfindung ins Leben zu rufen, die der gan¬
zen Welt zu gut kommt, während ihr Urheber ohne genügende Sicherheit
durch das Gesetz vielleicht gerade durch sie dem Elend zugeworfen wird. Anderer¬
seits ist freilich auch nicht zu läugnen. daß eine große Zahl der wichtigsten
Erfindungen rein dem Zufall zu verdanken ist, so daß dem Glücklichen, wel¬
chem dieser in den Schooß regnet, durch die Staatsgarantie ein Lohn wird,
den er gar nicht verdient. Aber eine Grenze zu ziehen, würde äußerst schwie¬
rig sein, fast so schwierig, wie die Lösung des Problems: Was ist Zufall?
Jeder billig Denkende wird damit einverstanden sein, daß ein Unterschied hier
nicht gerechtfertigt sein würde. Ebenso, daß mit Hinblick auf die großen Vor¬
theile, welche der Gesammtheit erwachsen können durch die Uebertragung des
Eigenthums der Einzelnen, der Erfinder, auf sie — nach dem ersten Anschein
die Gerechtigkeit sowohl, als die wirthschaftliche Klugheit dafür spricht, diesen
letzteren eine Vergütung dafür zu leisten. Eine solche Vergütung bewilligt der
Staat durch Verleihung eines Ersindungspatentes, kraft dessen dem Erfinder
unter der ausdrückichen Bestimmung, daß er seine Erfindung sofort ins Leben
treten läßt oder bekannt macht, die Ausbeutung derselben auf eine bestimmte
Zeit hinaus allein zusteht, nach deren Ablauf sie sodann zum Gemeingut wird.

Die Ersindungspatente haben wahrscheinlich beigetragen zu der ungemein
raschen Entwickelung der Industrie unseres Jahrhunderts. Freilich sind auch
ohne sie, lange bevor man sie verlieh, schon die größten und folgenreichsten Er¬
findungen gemacht worden. Allein zu läugnen ist nicht, daß sie für viele den¬
kende Köpfe oder mechanische Talente ein Sporn gewesen sein können, neue
Eroberungen aus dem industriellen Gebiete zu machen. Daneben wird jedoch
nicht minder zugegeben werden müssen, daß diese Eroberungen in der Periode
der Entwickelung oder des Uebergangs Wünschenswerther und folgenreicher wa¬
ren als heutzutage, wo sich die Industrie auf eine Stufe geschwungen hat, deren
Höhe ihr auch ohne Sporn und' äußerliche Triebfedern die Weiterbildung sicher
verbürgt. Die Ersindungspatente waren ein Mittel zur Hebung der Industrie;
aber sie können ein mächtiges Hinderniß der gehobenen Industrie werden. Un¬
sere Zeit hat dies eingesehen; die vielen schroffen Mängel, Unannehmlichkeiten,
Lasten u. s. w., welche vo« dem Patentwesen, wie es ist, untrennbar sind.


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[0132] sie datirt in England von dem Jahre 1623, in Frankreich von 1791, in Preu¬ ßen von 1815, in Oestreich von 1821 ab, u. s. w. Es kann kein Zweifel darüber obwalten, daß eine jede neue Erfindung das Eigenthum des Erfinders, und dieser berechtigt ist, sie nach Möglichkeit in seinem Nutzen zu verwerthen. Von dem Loose der Erfinder weiß die Geschichte so viele beklagenswerthe That¬ sachen zu berichten, daß es unnöthig erscheint, darauf hinzuweisen, wie viele Mühe und Sorgfalt, welche ungeheuren Opfer an Zeit oder Geld, was das¬ selbe ist, welche aufreibende Kämpfe, körperliche und geistige Anstrengungen oft nöthig gewesen sind', um eine Erfindung ins Leben zu rufen, die der gan¬ zen Welt zu gut kommt, während ihr Urheber ohne genügende Sicherheit durch das Gesetz vielleicht gerade durch sie dem Elend zugeworfen wird. Anderer¬ seits ist freilich auch nicht zu läugnen. daß eine große Zahl der wichtigsten Erfindungen rein dem Zufall zu verdanken ist, so daß dem Glücklichen, wel¬ chem dieser in den Schooß regnet, durch die Staatsgarantie ein Lohn wird, den er gar nicht verdient. Aber eine Grenze zu ziehen, würde äußerst schwie¬ rig sein, fast so schwierig, wie die Lösung des Problems: Was ist Zufall? Jeder billig Denkende wird damit einverstanden sein, daß ein Unterschied hier nicht gerechtfertigt sein würde. Ebenso, daß mit Hinblick auf die großen Vor¬ theile, welche der Gesammtheit erwachsen können durch die Uebertragung des Eigenthums der Einzelnen, der Erfinder, auf sie — nach dem ersten Anschein die Gerechtigkeit sowohl, als die wirthschaftliche Klugheit dafür spricht, diesen letzteren eine Vergütung dafür zu leisten. Eine solche Vergütung bewilligt der Staat durch Verleihung eines Ersindungspatentes, kraft dessen dem Erfinder unter der ausdrückichen Bestimmung, daß er seine Erfindung sofort ins Leben treten läßt oder bekannt macht, die Ausbeutung derselben auf eine bestimmte Zeit hinaus allein zusteht, nach deren Ablauf sie sodann zum Gemeingut wird. Die Ersindungspatente haben wahrscheinlich beigetragen zu der ungemein raschen Entwickelung der Industrie unseres Jahrhunderts. Freilich sind auch ohne sie, lange bevor man sie verlieh, schon die größten und folgenreichsten Er¬ findungen gemacht worden. Allein zu läugnen ist nicht, daß sie für viele den¬ kende Köpfe oder mechanische Talente ein Sporn gewesen sein können, neue Eroberungen aus dem industriellen Gebiete zu machen. Daneben wird jedoch nicht minder zugegeben werden müssen, daß diese Eroberungen in der Periode der Entwickelung oder des Uebergangs Wünschenswerther und folgenreicher wa¬ ren als heutzutage, wo sich die Industrie auf eine Stufe geschwungen hat, deren Höhe ihr auch ohne Sporn und' äußerliche Triebfedern die Weiterbildung sicher verbürgt. Die Ersindungspatente waren ein Mittel zur Hebung der Industrie; aber sie können ein mächtiges Hinderniß der gehobenen Industrie werden. Un¬ sere Zeit hat dies eingesehen; die vielen schroffen Mängel, Unannehmlichkeiten, Lasten u. s. w., welche vo« dem Patentwesen, wie es ist, untrennbar sind.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/132>, abgerufen am 24.07.2024.