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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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Die Frage der Patentgesetze.

Der Begriff des Eigenthums ist bekanntlich, so einfach und leicht er anch
definirt werden zu können scheint, ein besonders schwieriger und verwickelter.
Seine Ausdehnung war daher auch lange Zeit hindurch ein Streitpunkt zwi¬
schen der Jurisprudenz und der Volkswirtschaftslehre, bis endlich die Grund¬
sähe der letzteren den Sieg davon getragen haben. Sie erkannte nämlich auch
ein sogenanntes "geistiges Eigenthum" an, wovon weder das römische noch
das deutsche Recht etwas weiß und wissen will. ES ist noch nicht gar lange
her, daß der Nachdruck überall straflos war, wie er es heute noch in verschiedenen
Staaten ist, und wie gegenwärtig noch ein Muster, welches Kopfzerbrechen. Künste
Zeit und Geld gekostet, keinen Schutz genießt. ^ Aber das allgemeine Rechts-
gefühl steht höher noch, wie das positive Recht der Gesehbücher. So hat sich
denn auch der deutsche Bund, gedrängt von der Volksstimme, endlich veranlaßt
gesehen, die schreiende Lücke der letzteren auf dem Wege der Regierungsverord¬
nungen ergänzen zu lassen; gegenwärtig ist das geistige Eigenthum auch in
Deutschland anerkannt, freilich noch mit manchen unlieben Beschränkungen und
Hemmnissen, die es, namentlich bei den eingefleischter Juristen, noch lange
nicht auf gleiche Stufe mit dem dinglichen Eigenthum stellen. Die Erscheinung
dieser verspäteten und nicht vollkommenen Anerkennung ist um so befremdender,
als schon frühzeitig das Princip des positiven Rechts in Conflict mit dem
Naturrecht kam in einer Sache, welche mit der Wesenheit des geistigen Eigen¬
thums im allerengsten Zusammenhange steht. Wir meinen den Schutz der ge¬
meinnützigen Erfindungen oder die sogenannte Patentgcsetzgcbung. Jener na¬
türliche, allgemeine Rechtssinn, der im Volke lebt, ohne sich auf Nieder¬
geschriebenes zu stützen, hatte schon frühzeitig anerkannt, daß eine jede Erfin¬
dung auch ein geistiges Eigenthum sei. welches den Schutz des Staates
verdiene, so lange die Verhältnisse der bürgerlichen Gesellschaft keine hin¬
reichenden Garantien dafür böten, daß auch ohne denselben dem Erfinder sein
Lohn zu Theil werde. Auf diese Weise ist die Patentgcsetzgcbung viel älter,
wie die Verordnungen zum Schutze jener ungrcifbaren, wenn gleich durch Ar¬
beit erworbenen Güter, welche man vorzugsweise "geistiges Eigenthum" nennt;


Grenzboten I. 1864.. 16
Die Frage der Patentgesetze.

Der Begriff des Eigenthums ist bekanntlich, so einfach und leicht er anch
definirt werden zu können scheint, ein besonders schwieriger und verwickelter.
Seine Ausdehnung war daher auch lange Zeit hindurch ein Streitpunkt zwi¬
schen der Jurisprudenz und der Volkswirtschaftslehre, bis endlich die Grund¬
sähe der letzteren den Sieg davon getragen haben. Sie erkannte nämlich auch
ein sogenanntes „geistiges Eigenthum" an, wovon weder das römische noch
das deutsche Recht etwas weiß und wissen will. ES ist noch nicht gar lange
her, daß der Nachdruck überall straflos war, wie er es heute noch in verschiedenen
Staaten ist, und wie gegenwärtig noch ein Muster, welches Kopfzerbrechen. Künste
Zeit und Geld gekostet, keinen Schutz genießt. ^ Aber das allgemeine Rechts-
gefühl steht höher noch, wie das positive Recht der Gesehbücher. So hat sich
denn auch der deutsche Bund, gedrängt von der Volksstimme, endlich veranlaßt
gesehen, die schreiende Lücke der letzteren auf dem Wege der Regierungsverord¬
nungen ergänzen zu lassen; gegenwärtig ist das geistige Eigenthum auch in
Deutschland anerkannt, freilich noch mit manchen unlieben Beschränkungen und
Hemmnissen, die es, namentlich bei den eingefleischter Juristen, noch lange
nicht auf gleiche Stufe mit dem dinglichen Eigenthum stellen. Die Erscheinung
dieser verspäteten und nicht vollkommenen Anerkennung ist um so befremdender,
als schon frühzeitig das Princip des positiven Rechts in Conflict mit dem
Naturrecht kam in einer Sache, welche mit der Wesenheit des geistigen Eigen¬
thums im allerengsten Zusammenhange steht. Wir meinen den Schutz der ge¬
meinnützigen Erfindungen oder die sogenannte Patentgcsetzgcbung. Jener na¬
türliche, allgemeine Rechtssinn, der im Volke lebt, ohne sich auf Nieder¬
geschriebenes zu stützen, hatte schon frühzeitig anerkannt, daß eine jede Erfin¬
dung auch ein geistiges Eigenthum sei. welches den Schutz des Staates
verdiene, so lange die Verhältnisse der bürgerlichen Gesellschaft keine hin¬
reichenden Garantien dafür böten, daß auch ohne denselben dem Erfinder sein
Lohn zu Theil werde. Auf diese Weise ist die Patentgcsetzgcbung viel älter,
wie die Verordnungen zum Schutze jener ungrcifbaren, wenn gleich durch Ar¬
beit erworbenen Güter, welche man vorzugsweise „geistiges Eigenthum" nennt;


Grenzboten I. 1864.. 16
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[0131] Die Frage der Patentgesetze. Der Begriff des Eigenthums ist bekanntlich, so einfach und leicht er anch definirt werden zu können scheint, ein besonders schwieriger und verwickelter. Seine Ausdehnung war daher auch lange Zeit hindurch ein Streitpunkt zwi¬ schen der Jurisprudenz und der Volkswirtschaftslehre, bis endlich die Grund¬ sähe der letzteren den Sieg davon getragen haben. Sie erkannte nämlich auch ein sogenanntes „geistiges Eigenthum" an, wovon weder das römische noch das deutsche Recht etwas weiß und wissen will. ES ist noch nicht gar lange her, daß der Nachdruck überall straflos war, wie er es heute noch in verschiedenen Staaten ist, und wie gegenwärtig noch ein Muster, welches Kopfzerbrechen. Künste Zeit und Geld gekostet, keinen Schutz genießt. ^ Aber das allgemeine Rechts- gefühl steht höher noch, wie das positive Recht der Gesehbücher. So hat sich denn auch der deutsche Bund, gedrängt von der Volksstimme, endlich veranlaßt gesehen, die schreiende Lücke der letzteren auf dem Wege der Regierungsverord¬ nungen ergänzen zu lassen; gegenwärtig ist das geistige Eigenthum auch in Deutschland anerkannt, freilich noch mit manchen unlieben Beschränkungen und Hemmnissen, die es, namentlich bei den eingefleischter Juristen, noch lange nicht auf gleiche Stufe mit dem dinglichen Eigenthum stellen. Die Erscheinung dieser verspäteten und nicht vollkommenen Anerkennung ist um so befremdender, als schon frühzeitig das Princip des positiven Rechts in Conflict mit dem Naturrecht kam in einer Sache, welche mit der Wesenheit des geistigen Eigen¬ thums im allerengsten Zusammenhange steht. Wir meinen den Schutz der ge¬ meinnützigen Erfindungen oder die sogenannte Patentgcsetzgcbung. Jener na¬ türliche, allgemeine Rechtssinn, der im Volke lebt, ohne sich auf Nieder¬ geschriebenes zu stützen, hatte schon frühzeitig anerkannt, daß eine jede Erfin¬ dung auch ein geistiges Eigenthum sei. welches den Schutz des Staates verdiene, so lange die Verhältnisse der bürgerlichen Gesellschaft keine hin¬ reichenden Garantien dafür böten, daß auch ohne denselben dem Erfinder sein Lohn zu Theil werde. Auf diese Weise ist die Patentgcsetzgcbung viel älter, wie die Verordnungen zum Schutze jener ungrcifbaren, wenn gleich durch Ar¬ beit erworbenen Güter, welche man vorzugsweise „geistiges Eigenthum" nennt; Grenzboten I. 1864.. 16

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/131>, abgerufen am 04.07.2024.