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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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ich meldete mich beim Commandeur, erhielt die mir bestimmte Compagnie zur
Führung, und der Marsch wurde alsbald in der Direction von Nancy ange¬
treten. Den ersten Tag ging es bis Vitry, wo wir gegen Abend anlangten,
und wo ich bald nach unserm Eintreffen mit einigen der neuen Kameraden in
einem Kaffeehaus zusammenkam. Es wurde gespielt, ich war vom Glück
begünstigt, und in kurzer Zeit hatte ich einige sechzig Fünffrankenstücke in der
Tasche, mit denen ich gegen Mitternacht vergnügt in mein Quartier ging, um
des andern Tages früh zum Weitermarsch nach Se. Dizier gerüstet zu sein,
wo wir denn auch am 6. März bei guter Zeit -- es war noch nicht Mittag --
ankamen, und wo ich recht freundliche Wirthsleute fand, die mich beim Abschied
für den Fall der Rückkehr hierher einluden, wieder bei ihnen Quartier zu nehmen.

Als wir abmarschirten, fiel uns auf, daß der Pulvcrtransport nicht mit
ging; es hieß, der Hauptmann von der Artillerie sei ohne Bedeckung allein
vorangczogen, und ich hörte vom Adjutanten, die beiden Hauptleute hatten
eine Differenz mit einander gehabt. Wir marschirten nur eine kurze Etappe
von zwei Meilen, vier Lieues. den andern Tag hatten wir Ruhetag, dann
wurde der Weg nach Nancy fortgesetzt. Wir Offiziere lagen alle zusammen bei
einem Gutsbesitzer im Quartier, der mit großer Freundlichkeit uns aufnahm und
uns nicht oft und lebhaft genug seine Zufriedenheit ausdrücken konnte, daß es
Napoleon schlecht ginge; sie sehnten sich alle nach ihrem alten Königthum zurück
und hätten diese ewigen Kriege satt. Man gab natürlich nicht viel auf solche
Versicherungen; denn nun der Feind im Lande war, wollten sie alle gute
Royalisten sein.

Als wir am andern Morgen gemüthlich beim Frühstück saßen, sprachen
wir darüber, wie unerfreulich es sei, nach Nancy und vielleicht noch wer weiß
wie weit zurückmarschiren und so uns noch immer mehr von der Armee ent¬
fernen zu müssen; es sei gewiß nicht nöthig, denn es stände, das merkte doch
jeder, mit den Franzosen nicht gut. Es wäre nützlich, Erkundigungen einzuziehen,
vielleicht sei es jetzt schon möglich, zur Armee zu stoßen. Da wir ein formirtes
Bataillon von nahe an 400 Mann seien, so hätten wir schwerlich etwas von
den ausgestandenen Bauern zu fürchten, da diese sich nur an kleine Trupps
und einzelne Leute machten. Dem Hauptmann, unserm Commandeur, schienen
diese Gründe einzuleuchten, und es fragte sich nur, wie und wo sichere Nach-
richten zu erhalten seien? Es mußte einer von uns nach Se. Dizier zurück¬
geschickt werden und sich beim Commandanten erkundigen. Nach manchen Hin-
und Herreden fragte mich der Capitän, ob ich es übernehmen wolle? Ich war
gleich dazu bereit, ließ mein Pferd satteln und ritt die vier Lieues, so rasch
ich konnte, nach Se. Dizier zum Commandanten, dessen Quartier ich bald erfragte;
er wohnte, wenn ich nicht irre, auf dem Marktplatz. Die Stadt war ganz ruhig
wie im tiefsten Frieden, auch hatte ich unterwegs nicht das mindeste Besorg-


ich meldete mich beim Commandeur, erhielt die mir bestimmte Compagnie zur
Führung, und der Marsch wurde alsbald in der Direction von Nancy ange¬
treten. Den ersten Tag ging es bis Vitry, wo wir gegen Abend anlangten,
und wo ich bald nach unserm Eintreffen mit einigen der neuen Kameraden in
einem Kaffeehaus zusammenkam. Es wurde gespielt, ich war vom Glück
begünstigt, und in kurzer Zeit hatte ich einige sechzig Fünffrankenstücke in der
Tasche, mit denen ich gegen Mitternacht vergnügt in mein Quartier ging, um
des andern Tages früh zum Weitermarsch nach Se. Dizier gerüstet zu sein,
wo wir denn auch am 6. März bei guter Zeit — es war noch nicht Mittag —
ankamen, und wo ich recht freundliche Wirthsleute fand, die mich beim Abschied
für den Fall der Rückkehr hierher einluden, wieder bei ihnen Quartier zu nehmen.

Als wir abmarschirten, fiel uns auf, daß der Pulvcrtransport nicht mit
ging; es hieß, der Hauptmann von der Artillerie sei ohne Bedeckung allein
vorangczogen, und ich hörte vom Adjutanten, die beiden Hauptleute hatten
eine Differenz mit einander gehabt. Wir marschirten nur eine kurze Etappe
von zwei Meilen, vier Lieues. den andern Tag hatten wir Ruhetag, dann
wurde der Weg nach Nancy fortgesetzt. Wir Offiziere lagen alle zusammen bei
einem Gutsbesitzer im Quartier, der mit großer Freundlichkeit uns aufnahm und
uns nicht oft und lebhaft genug seine Zufriedenheit ausdrücken konnte, daß es
Napoleon schlecht ginge; sie sehnten sich alle nach ihrem alten Königthum zurück
und hätten diese ewigen Kriege satt. Man gab natürlich nicht viel auf solche
Versicherungen; denn nun der Feind im Lande war, wollten sie alle gute
Royalisten sein.

Als wir am andern Morgen gemüthlich beim Frühstück saßen, sprachen
wir darüber, wie unerfreulich es sei, nach Nancy und vielleicht noch wer weiß
wie weit zurückmarschiren und so uns noch immer mehr von der Armee ent¬
fernen zu müssen; es sei gewiß nicht nöthig, denn es stände, das merkte doch
jeder, mit den Franzosen nicht gut. Es wäre nützlich, Erkundigungen einzuziehen,
vielleicht sei es jetzt schon möglich, zur Armee zu stoßen. Da wir ein formirtes
Bataillon von nahe an 400 Mann seien, so hätten wir schwerlich etwas von
den ausgestandenen Bauern zu fürchten, da diese sich nur an kleine Trupps
und einzelne Leute machten. Dem Hauptmann, unserm Commandeur, schienen
diese Gründe einzuleuchten, und es fragte sich nur, wie und wo sichere Nach-
richten zu erhalten seien? Es mußte einer von uns nach Se. Dizier zurück¬
geschickt werden und sich beim Commandanten erkundigen. Nach manchen Hin-
und Herreden fragte mich der Capitän, ob ich es übernehmen wolle? Ich war
gleich dazu bereit, ließ mein Pferd satteln und ritt die vier Lieues, so rasch
ich konnte, nach Se. Dizier zum Commandanten, dessen Quartier ich bald erfragte;
er wohnte, wenn ich nicht irre, auf dem Marktplatz. Die Stadt war ganz ruhig
wie im tiefsten Frieden, auch hatte ich unterwegs nicht das mindeste Besorg-


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[0118] ich meldete mich beim Commandeur, erhielt die mir bestimmte Compagnie zur Führung, und der Marsch wurde alsbald in der Direction von Nancy ange¬ treten. Den ersten Tag ging es bis Vitry, wo wir gegen Abend anlangten, und wo ich bald nach unserm Eintreffen mit einigen der neuen Kameraden in einem Kaffeehaus zusammenkam. Es wurde gespielt, ich war vom Glück begünstigt, und in kurzer Zeit hatte ich einige sechzig Fünffrankenstücke in der Tasche, mit denen ich gegen Mitternacht vergnügt in mein Quartier ging, um des andern Tages früh zum Weitermarsch nach Se. Dizier gerüstet zu sein, wo wir denn auch am 6. März bei guter Zeit — es war noch nicht Mittag — ankamen, und wo ich recht freundliche Wirthsleute fand, die mich beim Abschied für den Fall der Rückkehr hierher einluden, wieder bei ihnen Quartier zu nehmen. Als wir abmarschirten, fiel uns auf, daß der Pulvcrtransport nicht mit ging; es hieß, der Hauptmann von der Artillerie sei ohne Bedeckung allein vorangczogen, und ich hörte vom Adjutanten, die beiden Hauptleute hatten eine Differenz mit einander gehabt. Wir marschirten nur eine kurze Etappe von zwei Meilen, vier Lieues. den andern Tag hatten wir Ruhetag, dann wurde der Weg nach Nancy fortgesetzt. Wir Offiziere lagen alle zusammen bei einem Gutsbesitzer im Quartier, der mit großer Freundlichkeit uns aufnahm und uns nicht oft und lebhaft genug seine Zufriedenheit ausdrücken konnte, daß es Napoleon schlecht ginge; sie sehnten sich alle nach ihrem alten Königthum zurück und hätten diese ewigen Kriege satt. Man gab natürlich nicht viel auf solche Versicherungen; denn nun der Feind im Lande war, wollten sie alle gute Royalisten sein. Als wir am andern Morgen gemüthlich beim Frühstück saßen, sprachen wir darüber, wie unerfreulich es sei, nach Nancy und vielleicht noch wer weiß wie weit zurückmarschiren und so uns noch immer mehr von der Armee ent¬ fernen zu müssen; es sei gewiß nicht nöthig, denn es stände, das merkte doch jeder, mit den Franzosen nicht gut. Es wäre nützlich, Erkundigungen einzuziehen, vielleicht sei es jetzt schon möglich, zur Armee zu stoßen. Da wir ein formirtes Bataillon von nahe an 400 Mann seien, so hätten wir schwerlich etwas von den ausgestandenen Bauern zu fürchten, da diese sich nur an kleine Trupps und einzelne Leute machten. Dem Hauptmann, unserm Commandeur, schienen diese Gründe einzuleuchten, und es fragte sich nur, wie und wo sichere Nach- richten zu erhalten seien? Es mußte einer von uns nach Se. Dizier zurück¬ geschickt werden und sich beim Commandanten erkundigen. Nach manchen Hin- und Herreden fragte mich der Capitän, ob ich es übernehmen wolle? Ich war gleich dazu bereit, ließ mein Pferd satteln und ritt die vier Lieues, so rasch ich konnte, nach Se. Dizier zum Commandanten, dessen Quartier ich bald erfragte; er wohnte, wenn ich nicht irre, auf dem Marktplatz. Die Stadt war ganz ruhig wie im tiefsten Frieden, auch hatte ich unterwegs nicht das mindeste Besorg-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/118>, abgerufen am 24.07.2024.