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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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wolle, er solle es mir nur befehlen; denn da ich die Absicht habe, je eher desto
lieber zur Armee und zu meinem Bataillon zu kommen, könne von einer Will¬
kür, dieses zu verspäten, nicht die Rede sein. Der Oberst gab mir Recht,
meinte, befehlen könne er es mir nicht, was ich damals nicht verstand, obgleich
es mir etwas eigenthümlich vorkam; heute begreife ich die Schwierigkeit des
Commandanten nicht. Ich blieb also bei meinem Hauptmann v. Ziegler und
marschirte andern Tages mit der Munitionscolonne nach Chalons, wo wir des
Mittags ankamen. Das war am 4. März. Der Commandant, ein Oberst
v. P., bei dem wir uns meldeten, fragte mich, ob ich mir wohl getraue,
zwischen Chalons und Rheims, wo der russische General Se. Priese stehe, einen
Posten mit meinen Husaren zu besetzen, um zwischen ihm und Rheims durch
Patrouillen die Verbindung zu unterhalten. Ich erklärte mich dazu bereit, ver¬
sichernd, ich würde schon aufmerksam sein und meine Pflicht thun. Er entließ uns
und befahl mir, des andern Morgens um acht Uhr zu ihm zu kommen, die näheren
Jnstructionen zu empfangen. Des andern Morgens stand ich sehr früh auf,
um mich ja recht pünktlich zum Commandanten begeben zu können; da bemerkte
ich in den Straßen der Stadt eine auffallende Aufregung und erfuhr, daß in
dieser Nacht Rheims überfallen und von Franzosen genommen worden sei.
Daß es mit meinem Austrage, einen Verbindungsposten zwischen Chalons und
Rheims zu übernehmen, nun nichts sein würde, verstand sich von selbst. Dennoch
begab ich mich zum Commandanten, welcher den Ueberfall von Rheims bestätigte.
Auf meine Frage: wohin ich mich nun wenden solle, trug er mir das Commando
einer Marschcompagnie bei einem aus Reconvalescenten errichteten Bataillon
an, welches unter dem Befehl eines Hauptmanns du R... stand, und bei
welchem noch eine Compagnie ohne Führer war. Diese Marschbataillone ent¬
stehen, indem die aus^dem Lazarett) als genesen entlassenen Unteroffiziere und
Soldaten gesammelt und einer vorwärts marschircndcn siegreichen Armee nach¬
gesendet werden, nachdem sie, wenn einige hundert Mann zusammen sind,
in Bataillone resp. Compagnien formirt und Offizieren, die sich in ähnlichen
Verhältnissen besinden/'untergeordnet worden. Wenn diese Bataillone das Armee-
corps, zu dem sie gehören, erreicht haben, werden sie aufgelöst und die Mann¬
schaften ihren Truppentheiien zugeschickt. Das Bataillon, welchem ich hier zu¬
getheilt wurde, war ungefähr 350 Mann stark und hatte etwa sechs Offiziere,
den Commandeur, einen Adjutanten und vier Lieutenants, von denen jeder
eine Compagnie führte. Da die Erreichung der Armee durch den Ueberfall
von Rheims unthunlich geworden war, so mußte alles zurückgehen, ebenso ein
Pulvertransport unter einem Artilleriecapitain v. C ...., welchem das Bataillon
als Bedeckung dienen sollte. Andern Tages war ich früh auf den Markt
befohlen, wo das Bataillon sich sammeln und mir die Compagnie übergeben
werden sollte. Als ich auf dem Platz ankam, waren die Leute schon zusammen,


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wolle, er solle es mir nur befehlen; denn da ich die Absicht habe, je eher desto
lieber zur Armee und zu meinem Bataillon zu kommen, könne von einer Will¬
kür, dieses zu verspäten, nicht die Rede sein. Der Oberst gab mir Recht,
meinte, befehlen könne er es mir nicht, was ich damals nicht verstand, obgleich
es mir etwas eigenthümlich vorkam; heute begreife ich die Schwierigkeit des
Commandanten nicht. Ich blieb also bei meinem Hauptmann v. Ziegler und
marschirte andern Tages mit der Munitionscolonne nach Chalons, wo wir des
Mittags ankamen. Das war am 4. März. Der Commandant, ein Oberst
v. P., bei dem wir uns meldeten, fragte mich, ob ich mir wohl getraue,
zwischen Chalons und Rheims, wo der russische General Se. Priese stehe, einen
Posten mit meinen Husaren zu besetzen, um zwischen ihm und Rheims durch
Patrouillen die Verbindung zu unterhalten. Ich erklärte mich dazu bereit, ver¬
sichernd, ich würde schon aufmerksam sein und meine Pflicht thun. Er entließ uns
und befahl mir, des andern Morgens um acht Uhr zu ihm zu kommen, die näheren
Jnstructionen zu empfangen. Des andern Morgens stand ich sehr früh auf,
um mich ja recht pünktlich zum Commandanten begeben zu können; da bemerkte
ich in den Straßen der Stadt eine auffallende Aufregung und erfuhr, daß in
dieser Nacht Rheims überfallen und von Franzosen genommen worden sei.
Daß es mit meinem Austrage, einen Verbindungsposten zwischen Chalons und
Rheims zu übernehmen, nun nichts sein würde, verstand sich von selbst. Dennoch
begab ich mich zum Commandanten, welcher den Ueberfall von Rheims bestätigte.
Auf meine Frage: wohin ich mich nun wenden solle, trug er mir das Commando
einer Marschcompagnie bei einem aus Reconvalescenten errichteten Bataillon
an, welches unter dem Befehl eines Hauptmanns du R... stand, und bei
welchem noch eine Compagnie ohne Führer war. Diese Marschbataillone ent¬
stehen, indem die aus^dem Lazarett) als genesen entlassenen Unteroffiziere und
Soldaten gesammelt und einer vorwärts marschircndcn siegreichen Armee nach¬
gesendet werden, nachdem sie, wenn einige hundert Mann zusammen sind,
in Bataillone resp. Compagnien formirt und Offizieren, die sich in ähnlichen
Verhältnissen besinden/'untergeordnet worden. Wenn diese Bataillone das Armee-
corps, zu dem sie gehören, erreicht haben, werden sie aufgelöst und die Mann¬
schaften ihren Truppentheiien zugeschickt. Das Bataillon, welchem ich hier zu¬
getheilt wurde, war ungefähr 350 Mann stark und hatte etwa sechs Offiziere,
den Commandeur, einen Adjutanten und vier Lieutenants, von denen jeder
eine Compagnie führte. Da die Erreichung der Armee durch den Ueberfall
von Rheims unthunlich geworden war, so mußte alles zurückgehen, ebenso ein
Pulvertransport unter einem Artilleriecapitain v. C ...., welchem das Bataillon
als Bedeckung dienen sollte. Andern Tages war ich früh auf den Markt
befohlen, wo das Bataillon sich sammeln und mir die Compagnie übergeben
werden sollte. Als ich auf dem Platz ankam, waren die Leute schon zusammen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/117>, abgerufen am 24.07.2024.