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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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Aber ich glaube allerdings, daß die Figur Glendowers in der knappen
Darstellung des Dichters einem heutigen Publicum seltsam und unverständlich
gegenüberstehen würde/während die Zuhörerschaft Shakespeares, mitten inne
stehend in diesen Jdeenkreisen und noch umtönt von phantastisch aufgeschmückter
Sage, leichtes Verständniß wird entgegengebracht haben.

So kann man sich mit der Bearbeitung dieses Stückes einverstanden er¬
klären : die Jnscenesetzung aber und die Herstellung des Ensembles erscheint der
höchsten Anerkennung werth. Der Ueberfall im Walde war nicht so gut ein-
geübt, als man hätte wünschen sollen, ich weiß nicht eigentlich, woran es lag,
aber es gab da Lücken und Pausen, die zu vermeiden wären. Dagegen war
die Anordnung des letzten Actes wahrhaft erfreulich. Die beiden ersten Scenen,
welche im Lager des Königs und dann in dem der Rebellen spielen, wurden
so dargestellt: Zuerst das Feldherrnzelt des Königs, kurze Bühne, durch die
Zeltvorhänge Aussicht auf das Lager; beim Scenenwechsel das geschlossene Zelt
Percys. Während der Verhandlung der Nebellenführer wurde (ungesehen vom
Zuschauer, hinter dem Prospect) die Schlacht geordnet, welche bei der nächsten
Verwandlung dann über die Scene brauste. Und diese Schlacht ist es ganz
besonders, welche dramaturgisch ausgezeichnet zu werden verdient. Es ist von
jeher nicht leicht gewesen, eine Schlacht auf die Bühne zu bringen, ohne lächer¬
lich zu werden. Die Alten haben dergleichen hinter die Bühne verwiesen und
durch einen Angelos Bericht erstatten lassen: in den Persern des Aeschylos wird
die Schlacht bei Salamis erzählt, in den Sieben gegen Theben sind die
Kämpfe unsichtbar. Wie heiter scherzt Shakespeare selbst in dem Prolog zu
Heinrich dem Fünften über sein tollkühnes Beginnen, die gewaltige Schlacht
von Azincourt auf die schmale Komödienbühne zu bringen! Und gefährlich ist
das Unternehmen, eine Schlacht darzustelle", noch heute, wie wir an großen
und kleinen Bühnen so oft durch das heitere Gelächter belehrt werden, welches
Kämpfe hervorrufen, die eigentlich auf Erschrecken und Fürchtenmachen berech¬
net waren. Im vorliegenden Fall war es Dingelstedt gelungen alle Klippen
zu vermeiden und ein würdiges Schlachtenbild zu gestalten. Während in der
Mitte der Bühne Einzelkämpfer fechtend über die Bühne zogen, schoben sich
ganz im Hintergründe zwei volle Heeresmassen, dicht gedrängt, die Speere
vorgehalten, über die Breite der Bühne. So wurde bewirkt, daß das Auge,
von dem Einzelkampf und Massenstreik zugleich in Anspruch genommen, den
Eindruck einer vielgestalteten Schlacht bekam und doch auf dem Einzelnen nicht
so lange verweilte, um durch den Anblick der Ungefährlichkeit enttäuscht zu
werden.

Herr Dessoir, welcher den Fallstaff gab, soll, wie ich höre, bei seiner
Auffassung der Rolle dem Beispiel Dönngs. den ich in diesem Charakter
nicht gesehen habe, gefolgt sein. Wie dem sei, seine Darstellung war gut.


Aber ich glaube allerdings, daß die Figur Glendowers in der knappen
Darstellung des Dichters einem heutigen Publicum seltsam und unverständlich
gegenüberstehen würde/während die Zuhörerschaft Shakespeares, mitten inne
stehend in diesen Jdeenkreisen und noch umtönt von phantastisch aufgeschmückter
Sage, leichtes Verständniß wird entgegengebracht haben.

So kann man sich mit der Bearbeitung dieses Stückes einverstanden er¬
klären : die Jnscenesetzung aber und die Herstellung des Ensembles erscheint der
höchsten Anerkennung werth. Der Ueberfall im Walde war nicht so gut ein-
geübt, als man hätte wünschen sollen, ich weiß nicht eigentlich, woran es lag,
aber es gab da Lücken und Pausen, die zu vermeiden wären. Dagegen war
die Anordnung des letzten Actes wahrhaft erfreulich. Die beiden ersten Scenen,
welche im Lager des Königs und dann in dem der Rebellen spielen, wurden
so dargestellt: Zuerst das Feldherrnzelt des Königs, kurze Bühne, durch die
Zeltvorhänge Aussicht auf das Lager; beim Scenenwechsel das geschlossene Zelt
Percys. Während der Verhandlung der Nebellenführer wurde (ungesehen vom
Zuschauer, hinter dem Prospect) die Schlacht geordnet, welche bei der nächsten
Verwandlung dann über die Scene brauste. Und diese Schlacht ist es ganz
besonders, welche dramaturgisch ausgezeichnet zu werden verdient. Es ist von
jeher nicht leicht gewesen, eine Schlacht auf die Bühne zu bringen, ohne lächer¬
lich zu werden. Die Alten haben dergleichen hinter die Bühne verwiesen und
durch einen Angelos Bericht erstatten lassen: in den Persern des Aeschylos wird
die Schlacht bei Salamis erzählt, in den Sieben gegen Theben sind die
Kämpfe unsichtbar. Wie heiter scherzt Shakespeare selbst in dem Prolog zu
Heinrich dem Fünften über sein tollkühnes Beginnen, die gewaltige Schlacht
von Azincourt auf die schmale Komödienbühne zu bringen! Und gefährlich ist
das Unternehmen, eine Schlacht darzustelle», noch heute, wie wir an großen
und kleinen Bühnen so oft durch das heitere Gelächter belehrt werden, welches
Kämpfe hervorrufen, die eigentlich auf Erschrecken und Fürchtenmachen berech¬
net waren. Im vorliegenden Fall war es Dingelstedt gelungen alle Klippen
zu vermeiden und ein würdiges Schlachtenbild zu gestalten. Während in der
Mitte der Bühne Einzelkämpfer fechtend über die Bühne zogen, schoben sich
ganz im Hintergründe zwei volle Heeresmassen, dicht gedrängt, die Speere
vorgehalten, über die Breite der Bühne. So wurde bewirkt, daß das Auge,
von dem Einzelkampf und Massenstreik zugleich in Anspruch genommen, den
Eindruck einer vielgestalteten Schlacht bekam und doch auf dem Einzelnen nicht
so lange verweilte, um durch den Anblick der Ungefährlichkeit enttäuscht zu
werden.

Herr Dessoir, welcher den Fallstaff gab, soll, wie ich höre, bei seiner
Auffassung der Rolle dem Beispiel Dönngs. den ich in diesem Charakter
nicht gesehen habe, gefolgt sein. Wie dem sei, seine Darstellung war gut.


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[0106] Aber ich glaube allerdings, daß die Figur Glendowers in der knappen Darstellung des Dichters einem heutigen Publicum seltsam und unverständlich gegenüberstehen würde/während die Zuhörerschaft Shakespeares, mitten inne stehend in diesen Jdeenkreisen und noch umtönt von phantastisch aufgeschmückter Sage, leichtes Verständniß wird entgegengebracht haben. So kann man sich mit der Bearbeitung dieses Stückes einverstanden er¬ klären : die Jnscenesetzung aber und die Herstellung des Ensembles erscheint der höchsten Anerkennung werth. Der Ueberfall im Walde war nicht so gut ein- geübt, als man hätte wünschen sollen, ich weiß nicht eigentlich, woran es lag, aber es gab da Lücken und Pausen, die zu vermeiden wären. Dagegen war die Anordnung des letzten Actes wahrhaft erfreulich. Die beiden ersten Scenen, welche im Lager des Königs und dann in dem der Rebellen spielen, wurden so dargestellt: Zuerst das Feldherrnzelt des Königs, kurze Bühne, durch die Zeltvorhänge Aussicht auf das Lager; beim Scenenwechsel das geschlossene Zelt Percys. Während der Verhandlung der Nebellenführer wurde (ungesehen vom Zuschauer, hinter dem Prospect) die Schlacht geordnet, welche bei der nächsten Verwandlung dann über die Scene brauste. Und diese Schlacht ist es ganz besonders, welche dramaturgisch ausgezeichnet zu werden verdient. Es ist von jeher nicht leicht gewesen, eine Schlacht auf die Bühne zu bringen, ohne lächer¬ lich zu werden. Die Alten haben dergleichen hinter die Bühne verwiesen und durch einen Angelos Bericht erstatten lassen: in den Persern des Aeschylos wird die Schlacht bei Salamis erzählt, in den Sieben gegen Theben sind die Kämpfe unsichtbar. Wie heiter scherzt Shakespeare selbst in dem Prolog zu Heinrich dem Fünften über sein tollkühnes Beginnen, die gewaltige Schlacht von Azincourt auf die schmale Komödienbühne zu bringen! Und gefährlich ist das Unternehmen, eine Schlacht darzustelle», noch heute, wie wir an großen und kleinen Bühnen so oft durch das heitere Gelächter belehrt werden, welches Kämpfe hervorrufen, die eigentlich auf Erschrecken und Fürchtenmachen berech¬ net waren. Im vorliegenden Fall war es Dingelstedt gelungen alle Klippen zu vermeiden und ein würdiges Schlachtenbild zu gestalten. Während in der Mitte der Bühne Einzelkämpfer fechtend über die Bühne zogen, schoben sich ganz im Hintergründe zwei volle Heeresmassen, dicht gedrängt, die Speere vorgehalten, über die Breite der Bühne. So wurde bewirkt, daß das Auge, von dem Einzelkampf und Massenstreik zugleich in Anspruch genommen, den Eindruck einer vielgestalteten Schlacht bekam und doch auf dem Einzelnen nicht so lange verweilte, um durch den Anblick der Ungefährlichkeit enttäuscht zu werden. Herr Dessoir, welcher den Fallstaff gab, soll, wie ich höre, bei seiner Auffassung der Rolle dem Beispiel Dönngs. den ich in diesem Charakter nicht gesehen habe, gefolgt sein. Wie dem sei, seine Darstellung war gut.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/106>, abgerufen am 24.07.2024.