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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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mern Ueberwindung kostete, den Widerwillen ihres eigenen, nicht seemännischen
Charakters zu besiegen, einen Widerwillen, der sich schon dadurch klar an den
Tag legte, daß sie später mehrmals große Flotten zerstörten, anstatt dieselben
selbst zu benutzen. Aber da Karthago nur mit gleichen Waffen überwunden
werden konnte, so schufen sie nach dem Muster eines gestrandeten karthagischen
Fünfdeckers binnen zwei Monaten eine Flotte von 100 Fünfdeckern und 20 Drci-
deckern. Trotzdem aber, daß man gewiß die Matrosen von den Bundesgenossen
und der Handelsmarine entnahm, war sowohl das anfangs nur notboürftig ein¬
geübte Rudervolk als auch das spätere den wohl eingeschulten punischen Staats¬
sklaven nicht gewachsen und die römischen Galeeren konnten sich oabcr im Manö-
vriren, worin bis dahin der Schwerpunkt der nautischen Taktik lag, nicht messen.

Da fiel man auf den genialen Gedanken (die Römer schrieben ihn be¬
kanntlich dem Duilius zu) den entscheidenden Stoß des Schiffsschnabels
zur Nebensache zu machen und dem Seegefecht eine für die Römer günsti¬
gere Seite abzugewinnen, indem man durch Entern der feindlichen Schiffe
die Hauptsache den Soldaten zuwies, von denen nun auch die Fünfoecker 120
Mann neben 300 Ruderern zu führen pflegten. Fliegende Brücken, welche
nach beiden Seiten^hin niedergelassen werden konnten, zu beiden Flanken mit
Brustwehren versehen waren und Raum für zwei Mann nebeneinander darboten,
fielen auf die heranfahrenden feindlichen Schiffe nieder und hakten sich ver-
mittelst schwerer eiserner Bolzen in deren Verdecken fest, so daß der Kampf wie
zu Lande geführt werden konnte und zugleich der Stoß der Schnäbel beseitigt
wurde. In der großen Schlacht bei Eknomos standen 330 römische Fünfoecker
mit 140.000 Mann gegen 350 karthagische mit 150,000 Mann Besatzung.
Doch zahlten die Römer, im Ganzen mehr durch die Ungunst der Elemente
als durch eigene Schuld in den vierundzwanzig Jahren des Kriegs ein bedeuten¬
des Lehrgeld: sie verloren 700 Galeeren, während die Karthager nur 500 einbüßten.

Nach den Punischen Kriegen brachten kaum die Kriege mit Mithridates einige
Anstrengungen der Römer zu Stande, die aber größtentheils auf Kosten der
Bundesgenossen gemacht wurden. Unter diesen herrschten besonders die Rhodier
M Osten des Mittelmeers, sie besaßen seit Korinths und Karthagos Fall die
respectadelste Marine, klugen politischen Jnstinct und kriegerischen Sinn. So
unterstützten sie die Römer im Kriege gegen Philipp von Macedonien mit
Zwanzig verdeckten Schiffen, gegen Antiochus von Syrien mit zweiunddreißig
Vierdeckern und vier Dreideckern und wehrten sich selbst tapfer gegen den poli¬
tischen König. Nach Livius Zeugniß waren ihre Galeeren die schnellsten Schiffe
der römischen Flotte. Auch in den Seeschlachten der damaligen Zeit machten
die Römer von ihren Entermaschinen (die bereits im zweiten punischen Kriege
von den Karthagern angewendet worden waren und die später Agrippa dadurch
verbesserte, daß er die an Taue befestigten sünfelligen Enterhaken aus Wurf-


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mern Ueberwindung kostete, den Widerwillen ihres eigenen, nicht seemännischen
Charakters zu besiegen, einen Widerwillen, der sich schon dadurch klar an den
Tag legte, daß sie später mehrmals große Flotten zerstörten, anstatt dieselben
selbst zu benutzen. Aber da Karthago nur mit gleichen Waffen überwunden
werden konnte, so schufen sie nach dem Muster eines gestrandeten karthagischen
Fünfdeckers binnen zwei Monaten eine Flotte von 100 Fünfdeckern und 20 Drci-
deckern. Trotzdem aber, daß man gewiß die Matrosen von den Bundesgenossen
und der Handelsmarine entnahm, war sowohl das anfangs nur notboürftig ein¬
geübte Rudervolk als auch das spätere den wohl eingeschulten punischen Staats¬
sklaven nicht gewachsen und die römischen Galeeren konnten sich oabcr im Manö-
vriren, worin bis dahin der Schwerpunkt der nautischen Taktik lag, nicht messen.

Da fiel man auf den genialen Gedanken (die Römer schrieben ihn be¬
kanntlich dem Duilius zu) den entscheidenden Stoß des Schiffsschnabels
zur Nebensache zu machen und dem Seegefecht eine für die Römer günsti¬
gere Seite abzugewinnen, indem man durch Entern der feindlichen Schiffe
die Hauptsache den Soldaten zuwies, von denen nun auch die Fünfoecker 120
Mann neben 300 Ruderern zu führen pflegten. Fliegende Brücken, welche
nach beiden Seiten^hin niedergelassen werden konnten, zu beiden Flanken mit
Brustwehren versehen waren und Raum für zwei Mann nebeneinander darboten,
fielen auf die heranfahrenden feindlichen Schiffe nieder und hakten sich ver-
mittelst schwerer eiserner Bolzen in deren Verdecken fest, so daß der Kampf wie
zu Lande geführt werden konnte und zugleich der Stoß der Schnäbel beseitigt
wurde. In der großen Schlacht bei Eknomos standen 330 römische Fünfoecker
mit 140.000 Mann gegen 350 karthagische mit 150,000 Mann Besatzung.
Doch zahlten die Römer, im Ganzen mehr durch die Ungunst der Elemente
als durch eigene Schuld in den vierundzwanzig Jahren des Kriegs ein bedeuten¬
des Lehrgeld: sie verloren 700 Galeeren, während die Karthager nur 500 einbüßten.

Nach den Punischen Kriegen brachten kaum die Kriege mit Mithridates einige
Anstrengungen der Römer zu Stande, die aber größtentheils auf Kosten der
Bundesgenossen gemacht wurden. Unter diesen herrschten besonders die Rhodier
M Osten des Mittelmeers, sie besaßen seit Korinths und Karthagos Fall die
respectadelste Marine, klugen politischen Jnstinct und kriegerischen Sinn. So
unterstützten sie die Römer im Kriege gegen Philipp von Macedonien mit
Zwanzig verdeckten Schiffen, gegen Antiochus von Syrien mit zweiunddreißig
Vierdeckern und vier Dreideckern und wehrten sich selbst tapfer gegen den poli¬
tischen König. Nach Livius Zeugniß waren ihre Galeeren die schnellsten Schiffe
der römischen Flotte. Auch in den Seeschlachten der damaligen Zeit machten
die Römer von ihren Entermaschinen (die bereits im zweiten punischen Kriege
von den Karthagern angewendet worden waren und die später Agrippa dadurch
verbesserte, daß er die an Taue befestigten sünfelligen Enterhaken aus Wurf-


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[0079] mern Ueberwindung kostete, den Widerwillen ihres eigenen, nicht seemännischen Charakters zu besiegen, einen Widerwillen, der sich schon dadurch klar an den Tag legte, daß sie später mehrmals große Flotten zerstörten, anstatt dieselben selbst zu benutzen. Aber da Karthago nur mit gleichen Waffen überwunden werden konnte, so schufen sie nach dem Muster eines gestrandeten karthagischen Fünfdeckers binnen zwei Monaten eine Flotte von 100 Fünfdeckern und 20 Drci- deckern. Trotzdem aber, daß man gewiß die Matrosen von den Bundesgenossen und der Handelsmarine entnahm, war sowohl das anfangs nur notboürftig ein¬ geübte Rudervolk als auch das spätere den wohl eingeschulten punischen Staats¬ sklaven nicht gewachsen und die römischen Galeeren konnten sich oabcr im Manö- vriren, worin bis dahin der Schwerpunkt der nautischen Taktik lag, nicht messen. Da fiel man auf den genialen Gedanken (die Römer schrieben ihn be¬ kanntlich dem Duilius zu) den entscheidenden Stoß des Schiffsschnabels zur Nebensache zu machen und dem Seegefecht eine für die Römer günsti¬ gere Seite abzugewinnen, indem man durch Entern der feindlichen Schiffe die Hauptsache den Soldaten zuwies, von denen nun auch die Fünfoecker 120 Mann neben 300 Ruderern zu führen pflegten. Fliegende Brücken, welche nach beiden Seiten^hin niedergelassen werden konnten, zu beiden Flanken mit Brustwehren versehen waren und Raum für zwei Mann nebeneinander darboten, fielen auf die heranfahrenden feindlichen Schiffe nieder und hakten sich ver- mittelst schwerer eiserner Bolzen in deren Verdecken fest, so daß der Kampf wie zu Lande geführt werden konnte und zugleich der Stoß der Schnäbel beseitigt wurde. In der großen Schlacht bei Eknomos standen 330 römische Fünfoecker mit 140.000 Mann gegen 350 karthagische mit 150,000 Mann Besatzung. Doch zahlten die Römer, im Ganzen mehr durch die Ungunst der Elemente als durch eigene Schuld in den vierundzwanzig Jahren des Kriegs ein bedeuten¬ des Lehrgeld: sie verloren 700 Galeeren, während die Karthager nur 500 einbüßten. Nach den Punischen Kriegen brachten kaum die Kriege mit Mithridates einige Anstrengungen der Römer zu Stande, die aber größtentheils auf Kosten der Bundesgenossen gemacht wurden. Unter diesen herrschten besonders die Rhodier M Osten des Mittelmeers, sie besaßen seit Korinths und Karthagos Fall die respectadelste Marine, klugen politischen Jnstinct und kriegerischen Sinn. So unterstützten sie die Römer im Kriege gegen Philipp von Macedonien mit Zwanzig verdeckten Schiffen, gegen Antiochus von Syrien mit zweiunddreißig Vierdeckern und vier Dreideckern und wehrten sich selbst tapfer gegen den poli¬ tischen König. Nach Livius Zeugniß waren ihre Galeeren die schnellsten Schiffe der römischen Flotte. Auch in den Seeschlachten der damaligen Zeit machten die Römer von ihren Entermaschinen (die bereits im zweiten punischen Kriege von den Karthagern angewendet worden waren und die später Agrippa dadurch verbesserte, daß er die an Taue befestigten sünfelligen Enterhaken aus Wurf- 10*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/79>, abgerufen am 27.09.2024.