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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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Einzelne, um sich patriotisch zu zeigen, immer noch aus eigenen Mitteln die
Ausrüstung bestritten, so verfuhr die Mehrzahl der Verpflichteten doch nach und
nach so gewissenlos und nachlässig, daß sie ihre Leistungen um die Hälfte der
erforderliche" Summe an Andre verdingten, worauf dann natürlich die Pächter
den Staat betrogen, wie sie konnten, ja zuweilen auf eigene Faust sreibeutcrten.
Auch die im Jahre 3S8 v, Chr. vorgenommene Einteilung des Volkes in
Steuervereine, wobei die dreihundert reichsten Bürger Vorschuß leisteten und
sich dann von den übrigen Mitgliedern wiedererstatten ließen, half wenig und
führte* nur zu Uebcrvortheilung der minder Begüterten, und erst, nachdem
Demosthenes es durchgesetzt hatte, daß die Trierarchie sich ganz genau nach dem
Vermögen zu richten hatte, wobei je zehn Talente Steuercapitat zur Ausrüstung
eines Schiffes verpflichteten, fand eine billigere Vertheilung der Last statt. Der
Trierarch trat ab, sobald die Flotte wieder in den Piräus eingelaufen war oder
der Admiral keinen Sold zahlte; blieb er aber über das volle Jahr in <see, so
berechnete er sich mit seinem Nachfolger.

Die Flotte befehligten entweder einer oder mehre der ordentlichen Stra¬
tegen oder außerordentlich gewählte Feldherrn. Das Admiralschiff führte am
Tage sein besondres Zeichen und schon aus der Schlacht bei Salamis erzählt
Herodot: "Ais aber der Aeginete Polytritos des attischen Schiffs ansichtig ward,
erkannte er es am Wahrzeichen für das Feldherrnschiff, rief den Themistokles
beim Namen und spottete seiner mit Schelten auf die medische Gesinnung der
Aegineten." Vielleicht bestand dieses Zeichen schon aus einer Standarte, wie bei
den Römern. Bei Nacht zeigte ein aus dem Admiralschiff aufgestecktes Licht den
übrigen die Straße. Im Jahre 204, als die römische Flotte unter Scipio nach
Afrika übersetzte, führte Nachts das Kriegsschiff eine, das Lastschiff zwei, das
Admiralschiff drei Laternen. Demetrios Poliorketes, der den Ort seiner Lan¬
dung in Europa geheim halten wollte, gab, wie Polyän berichtet, jedem Capi-
tan eine versiegelte Depesche mit dem Befehle: "Sollten wir zusammenschiffen,
s° laßt die Siegel unversehrt; sollten wir aber von einander getrennt werden,
so öffnet die Schreiben und fahret nach dem bezeichneten Ort." Die Seetaktik
war noch ziemlich einfach, und gewöhnlich suchte sich bald nach dem Beginne der
Schlacht jedes Schiff seinen Gegner, und es kam zum Einzelkampfe. Nur zwei
Manöver waren es, die man allgemein zur Anwendung zu bringen und gegen
die man sich zu schützen suchte.

Das erste bestand darin, daß ein Schiff zwischen zwei feindlichen mit
doller Ruderkraft hindurchfuhr, selbst rechtzeitig seine Ruder beilegend und die
feindlichen durch Abstreifen der Ruderriemen kampfunfähig machend. Zuerst
von Herodot beim jonischen Aufstand erwähnt, wurde dieser Versuch in allen
spätern Seeschlachten gemacht. So schreibt derselbe Schriftsteller über die
Schlacht bei Artemisium: "Die Hellenen fuhren aus die Barbaren los, um sich


Einzelne, um sich patriotisch zu zeigen, immer noch aus eigenen Mitteln die
Ausrüstung bestritten, so verfuhr die Mehrzahl der Verpflichteten doch nach und
nach so gewissenlos und nachlässig, daß sie ihre Leistungen um die Hälfte der
erforderliche» Summe an Andre verdingten, worauf dann natürlich die Pächter
den Staat betrogen, wie sie konnten, ja zuweilen auf eigene Faust sreibeutcrten.
Auch die im Jahre 3S8 v, Chr. vorgenommene Einteilung des Volkes in
Steuervereine, wobei die dreihundert reichsten Bürger Vorschuß leisteten und
sich dann von den übrigen Mitgliedern wiedererstatten ließen, half wenig und
führte* nur zu Uebcrvortheilung der minder Begüterten, und erst, nachdem
Demosthenes es durchgesetzt hatte, daß die Trierarchie sich ganz genau nach dem
Vermögen zu richten hatte, wobei je zehn Talente Steuercapitat zur Ausrüstung
eines Schiffes verpflichteten, fand eine billigere Vertheilung der Last statt. Der
Trierarch trat ab, sobald die Flotte wieder in den Piräus eingelaufen war oder
der Admiral keinen Sold zahlte; blieb er aber über das volle Jahr in <see, so
berechnete er sich mit seinem Nachfolger.

Die Flotte befehligten entweder einer oder mehre der ordentlichen Stra¬
tegen oder außerordentlich gewählte Feldherrn. Das Admiralschiff führte am
Tage sein besondres Zeichen und schon aus der Schlacht bei Salamis erzählt
Herodot: „Ais aber der Aeginete Polytritos des attischen Schiffs ansichtig ward,
erkannte er es am Wahrzeichen für das Feldherrnschiff, rief den Themistokles
beim Namen und spottete seiner mit Schelten auf die medische Gesinnung der
Aegineten." Vielleicht bestand dieses Zeichen schon aus einer Standarte, wie bei
den Römern. Bei Nacht zeigte ein aus dem Admiralschiff aufgestecktes Licht den
übrigen die Straße. Im Jahre 204, als die römische Flotte unter Scipio nach
Afrika übersetzte, führte Nachts das Kriegsschiff eine, das Lastschiff zwei, das
Admiralschiff drei Laternen. Demetrios Poliorketes, der den Ort seiner Lan¬
dung in Europa geheim halten wollte, gab, wie Polyän berichtet, jedem Capi-
tan eine versiegelte Depesche mit dem Befehle: „Sollten wir zusammenschiffen,
s° laßt die Siegel unversehrt; sollten wir aber von einander getrennt werden,
so öffnet die Schreiben und fahret nach dem bezeichneten Ort." Die Seetaktik
war noch ziemlich einfach, und gewöhnlich suchte sich bald nach dem Beginne der
Schlacht jedes Schiff seinen Gegner, und es kam zum Einzelkampfe. Nur zwei
Manöver waren es, die man allgemein zur Anwendung zu bringen und gegen
die man sich zu schützen suchte.

Das erste bestand darin, daß ein Schiff zwischen zwei feindlichen mit
doller Ruderkraft hindurchfuhr, selbst rechtzeitig seine Ruder beilegend und die
feindlichen durch Abstreifen der Ruderriemen kampfunfähig machend. Zuerst
von Herodot beim jonischen Aufstand erwähnt, wurde dieser Versuch in allen
spätern Seeschlachten gemacht. So schreibt derselbe Schriftsteller über die
Schlacht bei Artemisium: „Die Hellenen fuhren aus die Barbaren los, um sich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/73>, abgerufen am 27.09.2024.