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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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werthen William Pitt auf Staatskosten bestattet werden und ein Denkmal in
Westminster zum Gedächtniß dieses ausgezeichneten Staatsmannes errichtet
werde, dessen Inschrift dem allgemeinen Gefühl eines so großen und unwieder¬
bringlichen Verlustes Ausdruck gibt."

Genau mit denselben Worten war die Adresse zu Ehren Chathams ver¬
faßt, und neben seinem Vater ward er begraben. "Es schien," sagt Wilver-
force, "als ob die Statue Chathams verzweifelnd in die Gruft seines Lieblings-
sohnes schaute, des letzten Sprößling seines Namens.

Pitt steht in der Geschichte da als eine Gestalt aus einem Gusse; von
einer antiken Geschlossenheit des Charakters, die in der neuern Zeit selten ist,
ruhte er ganz in eignen Angeln, immer im Besitze seiner selbst, sammelte er aus
jede That seine ganze Kraft und ließ sich durch keine noch so lockende Aussicht
vom einmal ins Auge gefaßten Ziele abbringen. Der Mensch ging bei ihm
im Staatsmann auf, nicht daß es ihm an Herzensgüte gefehlt hätte, im Gegen¬
theil, er war ein treuer Freund, ein ehrerbietig ergebner Sohn, ein Wohlthäter
der Armen, ja er konnte ein heitrer und witziger Gesellschafter sein, aber alles
dies war Beiwerk, und wenn er seinerseits sich auch bereit zu allen Leistungen
für seine Freunde und Verwandte zeigte, so hatte er selbst doch kein Bedürfniß,
die Last seiner Sorgen mit Andern zu theilen, er sehnte sich nicht, wie der
Dichter sagt, nach einem treuen Auge und einer weißen Hand, er war sich
selbst genug. Nur einmal scheint die schöne und geistvolle Miß Eden ihm eine
ernstere Neigung eingeflößt zu haben, die Geschichte, daß er eine Verbindung
mit Mlle. Necker, der spätern Frau v. Statzl, mit den Worten abgelehnt habe,
er sei schon mit seinem Lande vermählt, ist eine Fabel, aber sie ist gut er¬
funden. Nur die Leidenschaft politischer Macht erfüllte ihn, aber diese Leiden¬
schaft reinigte sich selbst durch ihre Intensität und ihr hohes Ziel. England zu
regieren, aber es groß zu regieren, das war der eine Gedanke, der ihn vom Mor¬
gen bis zum Abend bewegte, der jede seiner Handlungen bestimmte und seinen
Lippen Beredtsamkeit verlieh. Zu diesem Ehrgeiz bekannte er sich auch offen
und von Anfang an. In der Vertheidigung des shelburnschen Ministeriums
rief er: Ich gestehe offen, daß ich nach einer hohen Stellung und großem Ein¬
fluß trachte, wenn ich beides auf ehrenhaften Wege erreichen kann, ich habe
nach der Größe und Macht ein solches Verlangen, wie es für einen jungen
Mann natürlich ist, der so glänzende Beispiele vor sich hat; aber wie köstlich
dieser Preis meines Strebens ist. ich werde ihn bereitwillig aufgeben, wenn
meine Pflicht gegen das Vaterland dies verlangt. Ich werde mich dann zurück¬
ziehen. aber nicht gedemüthigt, sondern triumphirend in der Ueberzeugung,
daß ich alle meine Kräfte dem Wohle Englands gewidmet habe, daß ich wohl
habe irren können, aber keine niedrige Absicht mir nachgesagt werden kann-
Pitt liebte England wie Perikles Athen liebte, er sah in ihm das auserwählte


werthen William Pitt auf Staatskosten bestattet werden und ein Denkmal in
Westminster zum Gedächtniß dieses ausgezeichneten Staatsmannes errichtet
werde, dessen Inschrift dem allgemeinen Gefühl eines so großen und unwieder¬
bringlichen Verlustes Ausdruck gibt."

Genau mit denselben Worten war die Adresse zu Ehren Chathams ver¬
faßt, und neben seinem Vater ward er begraben. „Es schien," sagt Wilver-
force, „als ob die Statue Chathams verzweifelnd in die Gruft seines Lieblings-
sohnes schaute, des letzten Sprößling seines Namens.

Pitt steht in der Geschichte da als eine Gestalt aus einem Gusse; von
einer antiken Geschlossenheit des Charakters, die in der neuern Zeit selten ist,
ruhte er ganz in eignen Angeln, immer im Besitze seiner selbst, sammelte er aus
jede That seine ganze Kraft und ließ sich durch keine noch so lockende Aussicht
vom einmal ins Auge gefaßten Ziele abbringen. Der Mensch ging bei ihm
im Staatsmann auf, nicht daß es ihm an Herzensgüte gefehlt hätte, im Gegen¬
theil, er war ein treuer Freund, ein ehrerbietig ergebner Sohn, ein Wohlthäter
der Armen, ja er konnte ein heitrer und witziger Gesellschafter sein, aber alles
dies war Beiwerk, und wenn er seinerseits sich auch bereit zu allen Leistungen
für seine Freunde und Verwandte zeigte, so hatte er selbst doch kein Bedürfniß,
die Last seiner Sorgen mit Andern zu theilen, er sehnte sich nicht, wie der
Dichter sagt, nach einem treuen Auge und einer weißen Hand, er war sich
selbst genug. Nur einmal scheint die schöne und geistvolle Miß Eden ihm eine
ernstere Neigung eingeflößt zu haben, die Geschichte, daß er eine Verbindung
mit Mlle. Necker, der spätern Frau v. Statzl, mit den Worten abgelehnt habe,
er sei schon mit seinem Lande vermählt, ist eine Fabel, aber sie ist gut er¬
funden. Nur die Leidenschaft politischer Macht erfüllte ihn, aber diese Leiden¬
schaft reinigte sich selbst durch ihre Intensität und ihr hohes Ziel. England zu
regieren, aber es groß zu regieren, das war der eine Gedanke, der ihn vom Mor¬
gen bis zum Abend bewegte, der jede seiner Handlungen bestimmte und seinen
Lippen Beredtsamkeit verlieh. Zu diesem Ehrgeiz bekannte er sich auch offen
und von Anfang an. In der Vertheidigung des shelburnschen Ministeriums
rief er: Ich gestehe offen, daß ich nach einer hohen Stellung und großem Ein¬
fluß trachte, wenn ich beides auf ehrenhaften Wege erreichen kann, ich habe
nach der Größe und Macht ein solches Verlangen, wie es für einen jungen
Mann natürlich ist, der so glänzende Beispiele vor sich hat; aber wie köstlich
dieser Preis meines Strebens ist. ich werde ihn bereitwillig aufgeben, wenn
meine Pflicht gegen das Vaterland dies verlangt. Ich werde mich dann zurück¬
ziehen. aber nicht gedemüthigt, sondern triumphirend in der Ueberzeugung,
daß ich alle meine Kräfte dem Wohle Englands gewidmet habe, daß ich wohl
habe irren können, aber keine niedrige Absicht mir nachgesagt werden kann-
Pitt liebte England wie Perikles Athen liebte, er sah in ihm das auserwählte


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/68>, abgerufen am 27.09.2024.