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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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zurückzog beschloß er doch, die Frage der Emancipation bei Lebzeiten des Königs
nicht wieder anzuregen, er verhieß außerdem seinem Nachfolger Mr. Addington
volle Unterstützung. Sein Betragen ist nach beiden Seiten start getadelt worden,
die Liberalen warfen ihm vor, daß er persönliche Rücksichten gegen den König über
die politischen Pflichten gestellt habe, die Conservativen, daß er, da er einmal
entschlossen die Sache der Emancipation fallen zu lassen, nur aus persönlichem
Stolz verweigerte seine Entlassung zurückzunehmen. In der That scheint Alles,
was Lord Stanhope zu seiner Entschuldigung vorbringt, ihn nicht von diesem
doppelten Vorwurfe zu reinigen, er mußte namentlich einsehen, daß ein schwa¬
ches Cabinet .wie das addingtvnsche war, nicht den Krieg mit der nöthigen
Energie fortführen oder einen günstigen Frieden schließen konnte; mit Recht
rief Sheridan, als die Entlassung bekannt wurde, "ich habe wohl gehört, daß
man zur Schlacht das Deck klar macht, aber nicht, daß man die großen Kano¬
nen über Bord wirst." -- Pitt war der Rathgeber des neuen Cabinets und
sein Beistand im Parlament, aber es war vorherzusehen, daß das Schiefe einer
solchen Stellung sich bald fühlbar machen mußte. Ganz richtig bemerkt Lord
Stanhopel "Wenn ein Mann von beschränkten Fähigkeiten an die Spitze der
Negierung gestellt wird und ein andrer Mann von hohem Genie ihm zur Seite
steht, so wird bald der Erstere Fehler machen, die Letzterem nicht entgehen können
und derselbe wird durch sein Plichtgefühl getrieben werden jene Fehler zu ver¬
bessern oder aber, wenn dies nicht möglich, sich ihnen zu widersetzen. Dabei ist
es schwer, persönliche gute Beziehungen zu erhalten, aber dies ist die Folge der
falschen Combination, in der die Stellung des Talents verkehrt ward. Dies
war auch der Fall zwischen Pitt und Addington. Bei den Verhandlungen,
die zum Frieden von Amiens führten, hatte Ersterer dem Minister die größten
Dienste geleistet und im Unterhause mit seinen Freunden allein ihn gehalten. Er
konnte aber seine Unzufriedenheit mit Addingtons nächstjährigen Budget nicht
verbergen, er mußte auch die Unentschiedenheit der Regierung bei den neuen
Uebergriffen Bonapartes tadeln. Den großen Concessionen des Friedens hatte
er zugestimmt, aber verlangte nun auch dessen genaue Beobachtung. Man
mußte sich entscheiden, ob man noch weiter in der Nachgiebigkeit gehen oder
sofort den Krieg erneuen wolle. Die Möglichkeit der letztern Eventualität hing
Von den Finanzen ab, Pitt erklärte damals seinem Bruder in einem Privatbriefe,
daß er das Volk für sähig halte einen Krieg noch 7--10 Jahre auszuhalten,
aber dann müsse man sich auch nicht mit der Hoffnung wiegen, daß dies ohne
neue schwere Steuern möglich sei, zu einer solchen entschlossenen Finanzpolitik
aber halte er Addington unfähig. Letzterer fühlte wohl, daß er dem kommenden
Sturm nicht gewachsen war, und wünschte seinem Cabinet durch Pitt neue
Kraft zu geben, er war sogar bereit ihm die Premierschaft zu überlassen, als
er sah, daß für Pitt gar nichts Andres in Frage kommen könne, aber er wollte


zurückzog beschloß er doch, die Frage der Emancipation bei Lebzeiten des Königs
nicht wieder anzuregen, er verhieß außerdem seinem Nachfolger Mr. Addington
volle Unterstützung. Sein Betragen ist nach beiden Seiten start getadelt worden,
die Liberalen warfen ihm vor, daß er persönliche Rücksichten gegen den König über
die politischen Pflichten gestellt habe, die Conservativen, daß er, da er einmal
entschlossen die Sache der Emancipation fallen zu lassen, nur aus persönlichem
Stolz verweigerte seine Entlassung zurückzunehmen. In der That scheint Alles,
was Lord Stanhope zu seiner Entschuldigung vorbringt, ihn nicht von diesem
doppelten Vorwurfe zu reinigen, er mußte namentlich einsehen, daß ein schwa¬
ches Cabinet .wie das addingtvnsche war, nicht den Krieg mit der nöthigen
Energie fortführen oder einen günstigen Frieden schließen konnte; mit Recht
rief Sheridan, als die Entlassung bekannt wurde, „ich habe wohl gehört, daß
man zur Schlacht das Deck klar macht, aber nicht, daß man die großen Kano¬
nen über Bord wirst." — Pitt war der Rathgeber des neuen Cabinets und
sein Beistand im Parlament, aber es war vorherzusehen, daß das Schiefe einer
solchen Stellung sich bald fühlbar machen mußte. Ganz richtig bemerkt Lord
Stanhopel „Wenn ein Mann von beschränkten Fähigkeiten an die Spitze der
Negierung gestellt wird und ein andrer Mann von hohem Genie ihm zur Seite
steht, so wird bald der Erstere Fehler machen, die Letzterem nicht entgehen können
und derselbe wird durch sein Plichtgefühl getrieben werden jene Fehler zu ver¬
bessern oder aber, wenn dies nicht möglich, sich ihnen zu widersetzen. Dabei ist
es schwer, persönliche gute Beziehungen zu erhalten, aber dies ist die Folge der
falschen Combination, in der die Stellung des Talents verkehrt ward. Dies
war auch der Fall zwischen Pitt und Addington. Bei den Verhandlungen,
die zum Frieden von Amiens führten, hatte Ersterer dem Minister die größten
Dienste geleistet und im Unterhause mit seinen Freunden allein ihn gehalten. Er
konnte aber seine Unzufriedenheit mit Addingtons nächstjährigen Budget nicht
verbergen, er mußte auch die Unentschiedenheit der Regierung bei den neuen
Uebergriffen Bonapartes tadeln. Den großen Concessionen des Friedens hatte
er zugestimmt, aber verlangte nun auch dessen genaue Beobachtung. Man
mußte sich entscheiden, ob man noch weiter in der Nachgiebigkeit gehen oder
sofort den Krieg erneuen wolle. Die Möglichkeit der letztern Eventualität hing
Von den Finanzen ab, Pitt erklärte damals seinem Bruder in einem Privatbriefe,
daß er das Volk für sähig halte einen Krieg noch 7—10 Jahre auszuhalten,
aber dann müsse man sich auch nicht mit der Hoffnung wiegen, daß dies ohne
neue schwere Steuern möglich sei, zu einer solchen entschlossenen Finanzpolitik
aber halte er Addington unfähig. Letzterer fühlte wohl, daß er dem kommenden
Sturm nicht gewachsen war, und wünschte seinem Cabinet durch Pitt neue
Kraft zu geben, er war sogar bereit ihm die Premierschaft zu überlassen, als
er sah, daß für Pitt gar nichts Andres in Frage kommen könne, aber er wollte


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/64>, abgerufen am 27.09.2024.